Alle Artikel in der Kategorie “Aus den Archiven

Aus den Archiven ist ein Sendungsformat von Deutschlandradio Kultur

Arbeit an der Sichtbarkeit – – Warum Projekträume in der Kunst so wichtig sind

11.08.2024Stunde 1 LaborDeutschlandfunk KulturThorsten Jantschek —   –  Details

Inter Space

Es gibt viel mehr Künstlerinnen und Künstler, als es Ausstellungsmöglichkeiten in Galerien für sie gibt. Deshalb betreiben immer mehr Menschen aus der Kunstszene Projekträume als selbstorganisierte Kraftzentren der Sichtbarkeit.

 

In Berlin gibt es sicher über einhundert solcher Räume, kleine Läden, zwischengenutzte Immobilen, mal als Gruppe oder Verein organisiert, mal ganz individuell gestaltet. Wer Gegenwartskunst entdecken will, kommt an diesen Initiativen nicht vorbei. Und es macht Spaß, sie zu entdecken. Wir besuchen fünf Kunstevents und sprechen mit den Macher*innen.

 
 

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Paris überrascht sich selbst / Abschluss der Olympischen Spiele

11.08.2024NewsARD TagesschauJulia Borutta —   –  Details

Pariser Fassade

Pünktliche Métros, volle Stadien, fröhliche Menschen: Die Spiele von Paris haben nach der politischen Unruhe im Vorfeld für einen unerwarteten Stimmungs-Boost in Frankreich gesorgt. Paris erkennt sich selbst kaum wieder. «Nörgler, Miesmacher, Meckerfritzen – die Pariser sagen von sich selbst, «râleurs» zu sein. Doch die vergangenen zwei Wochen waren sie mit einem Lächeln auf den Lippen unterwegs.Céline sitzt mit ihren Freunden am malerischen Canal Saint-Martin. Sie gehört zu den wenigen, die von vornherein überzeugt waren, dass diese Spiele einzigartig würden: «Es gibt so viele Pariser, die abgehauen sind, Urlaub genommen und gesagt haben: ›Das wird alles katastrophal.› Jetzt sind sitzen sie an der Côte d›Azur und sind frustriert, weil sie unsere Insta-Storys sehen, den Medaillenregen. Einige meiner Freunde haben verzweifelt versucht, doch noch Tickets zu kriegen.»

»So haben wir Paris noch nie erlebt»Verwundert nehmen die Menschen ihre Stadt ganz anders wahr als sonst. «Alles läuft unglaublich gut», sagt Céline. «Paris war noch nie so safe. An den Wettkampfstätten herrscht eine tolle Stimmung. Alle kommen prima miteinander aus – Franzosen untereinander und Touristen. Die Métro ist super sauber. So haben wir Paris noch nie erlebt.»Das ist nicht nur ein Gefühl. Entgegen aller Unkenrufe sind die Métros pünktlich. 500.000 Fahrgäste mehr als sonst um diese Jahreszeit: kein Problem. Dank extra installierter Messgeräte wurde die Taktung spontan angepasst – etwa, als der Schwede Armand Duplantis Weltrekord springt und alle Besucher später nach Hause fahren als gedacht. Die Hoteliers haben wider Erwarten 15 Prozent mehr Buchungen als letzten Sommer und die Olympia-Einschaltquoten im Fernsehen brechen alle Rekorde. Es wurden mehr als neun Millionen Tickets verkauft – mehr als in Atlanta 1996. «— Eine schöne Dosis Glück tanken»Der Innenminister wünscht sich für sich und seine mehr als 50.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz eine Goldmedaille, denn außer dem Sabotageakt zu Beginn der Spiele gab es bislang keine größeren Vorkommnisse. Die Sicherheitskräfte genießen es sichtlich: Sie schießen Selfies mit den Touristen und bummeln durch die Fanzonen wie etwa auf dem Vorplatz des Pariser Rathauses. «— Es wäre schön, diesen guten Austausch mit der Bevölkerung beizubehalten», wünscht sich einer der Polizisten. «Es gibt weniger Aggressivität, die Leute wollen wirklich entspannen. Das ändert alles.» Kann diese friedliche Stimmung anhalten? Können die Olympischen Spiele mehr sein, als eine Pause von der gereizten Atmosphäre, dem politischen Streit, der sich vor den Spielen wie eine Glocke über die Stadt gelegt hatte?Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist nicht naiv. Doch bei ihrer Bilanzpressekonferenz weigert sie sich, das alles nur als eine kurze Auszeit zu betrachten. «Seit 14 Tagen weine ich vor Glück. Die Menschen kommen begeistert auf mich zu, jeden Tag aufs Neue», berichtet sie. «Wir können hier eine schöne Dosis Glück tanken für die kalten Winter. Das alles wird uns noch lange das Herz erwärmen.» «— Was ist bloß los mit uns?»Zurück am Canal Saint-Martin: Céline sitzt mit Nina und Antoine zusammen. Antoine möchte den magischen Moment am liebsten festhalten. «Vor wenigen Wochen noch dachten wir, dass der rechtsnationale Rassemblement National unser Land regieren würde», erzählt er. «Das hat mir und vielen anderen Angst gemacht. Die Spiele haben in die verfahrene politische Lage eine Art Luftzug gebracht. Hoffentlich hält das an.»Nina schwärmt von all den märchenhaften Bildern, die Paris mit seiner kühnen Eröffnungsfeier auf der Seine und den Wettkampfstätten zwischen Eiffelturm, Louvre und Montmartre geschaffen hat. «Es tut so gut, dass wir Meckerfritzen uns getäuscht haben. Zu sehen, dass dieses mega-ehrgeizige Projekt geglückt ist, macht uns stolz.» Es mache viel Freude, so viele Menschen willkommen zu heißen, sagt Nina – gerade vor dem Hintergrund des politischen Schlamassels der letzten Wochen. «Wir sind plötzlich so positiv, was ist bloß los mit uns?»Vielleicht hat Paris hat einfach gewagt und gewonnen? «Wir sind immerhin Gallier», sagt Céline lachend. «Unbeugsame Gallier. Wir lieben es uns selbst zu übertreffen.»

 
 

SK-news

‹Soll ich mit dir geh‘n?› – Das Lied vom Leiermann

11.08.2024Kaisers Klänge – Musikalische Entdeckungsreisenhr2 kulturNiels Kaiser —   –  Details

Franz Schubert

Schuberts Winterreise wird von vielen gesungen und ist oft bearbeitet worden. Ganz besonders angetan aber hat es den meisten Interpreten das letzte Lied des Zyklus: Der Leiermann. «Ob Popsänger Sting, Jazzerin Greta Keller, die Volksmusiker von Franui oder Hannes Wader an der Gitarre – sie alle stellen sich in ihren je ganz eigenen Interpretationen die Frage: «Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh›n?»

 
 

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Happy Birthday, Postmoderne! Zum 100. Geburtstag von Jean-François Lyotard

11.08.2024NewsSpiegel OnlineAndreas Bernard —   –  Details

François Lyotard

Er ist der Namensgeber jener Theorie, die die Zertrümmerung der Institutionen vorantrieb. Heute wäre Jean-François Lyotard, Philosoph und Pate der Postmoderne, 100 Jahre alt geworden. — Philosoph Lyotard: Die Destabilisierung der Erzählungen, die er forderte, wurde von der Gegenseite umgesetzt. —

 
 

SK-news

Olympische Spiele gehen mit großer Zeremonie zu Ende Fit for Paris

11.08.2024NewsThe New York TimesAndrew Keh —   –  Details

Stade de France

Das globale Sportfestival, das 19 Tage lang an den berühmtesten Wahrzeichen der Stadt stattfand und spannende Wettkämpfe bot, endete am Sonntagabend.

Die Olympischen Sommerspiele 2024, ein globales Sportfestival, das für 19 Tage temperamentvollen Wettkampfs nach Paris kam, gehen am Sonntagabend mit einer großen und theatralischen Abschlusszeremonie im Stade de France in Saint-Denis zu Ende. «In diesem Stadion begannen die Spiele vor mehr als zwei Wochen mit einem Paukenschlag, als rund 80.000 Fans den französischen Star Antoine Dupont und seine Siebener-Rugby-Teamkollegen anfeuerten, die die erste Goldmedaille für das Gastgeberland gewannen. «In den darauffolgenden Tagen wurden weitere Champions gekrönt, als inmitten einiger der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Frankreichs Sportereignisse stattfanden: Fechten im Grand Palais, Beachvolleyball im Schatten des Eiffelturms, Pferdewettbewerbe in den Gärten von Versailles. China und die Vereinigten Staaten beendeten die Spiele mit jeweils 40 Goldmedaillen punktgleich an der Spitze der Medaillentabelle, aber die amerikanische Mannschaft gewann die Gesamtwertung mit 126 zu 91. Großbritannien (65) wurde Dritter, einen Platz vor Gastgeber Frankreich. «Die Zeremonie – bei der mehr als 100 Künstler und Livemusik internationaler Popstars auftreten werden – bietet der Stadt einen letzten Moment, um in der Freude über diese Olympischen Spiele zu schwelgen , die die einst skeptische Bevölkerung der Stadt aufzurütteln schienen. Und wenn die Fanfare verklungen ist, wird die olympische Flagge feierlich an die Stadt übergeben, die die nächsten Sommerspiele ausrichtet, Los Angeles. Die nächsten Winterspiele finden im Februar 2026 in Italien, in Mailand und Cortina, statt. «Das sollten Sie sonst noch wissen: «Zuschauer in den Vereinigten Staaten können die Abschlusszeremonie live auf NBC und Peacock verfolgen (mit einer Wiederholung zur besten Sendezeit um 19 Uhr). Produzent der Zeremonie war Thomas Jolly, der französische künstlerische Leiter, der auch die innovative – und für manche umstrittene – Eröffnungszeremonie gestaltete, die sich unter regnerischem Himmel an den Ufern der Seine abspielte . Diesmal ist kein Regen vorhergesagt, aber die Höchsttemperatur in Paris am Sonntag betrug 90 Grad. «Die Schwimmerin Katie Ledecky und der Ruderer Nick Mead «waren die Fahnenträger der Vereinigten Staaten, teilte das Olympische und Paralympische Komitee der Vereinigten Staaten letzte Woche mit. In Paris erhöhte Ledecky ihre olympische Medaillenbilanz auf 14 und wurde damit zur erfolgreichsten amerikanischen Olympiateilnehmerin aller Zeiten. Mead verhalf seinem Team zu einer Goldmedaille im Vierer der Männer. «Billie Eilish, Snoop Dogg und die Red Hot Chili Peppers werden bei der Zeremonie unter anderem auftreten – allerdings aus Los Angeles, «in einer Mischung aus aufgezeichneten und Live-Auftritten». Es gab auch Gerüchte über einen haarsträubenden Stunt von Tom Cruise, der an Frauenturn- und Fußballveranstaltungen in Paris teilnahm.

 
 

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Für Brittney Griner ist der Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen ein Zeichen der Dankbarkeit für die Freiheit

11.08.2024NewsThe New York TimesChantel Jennings —   –  Details

Brittney Griner

PARIS – Brittney Griner wusste, dass sie emotional werden würde, aber sie hätte nicht gedacht, dass es so sein würde. «Nachdem die USA mit einem nervenzerreibenden 67:66-Sieg über Frankreich ihre achte Goldmedaille in Folge im Damen-Basketball sicherten, hatten die Teams vor der Medaillenzeremonie eine Pause, während das Podium aufgebaut wurde. «Griner fand den Weg zur Toilette, dem einzigen Ort, an dem sie allein sein konnte, und «hatte einen Moment Zeit». Sie fasste sich wieder und ging zurück, um mit ihren Teamkolleginnen ihre dritte Goldmedaille zu feiern und auf das Podium zu gehen. «Doch als die amerikanische Flagge gehisst wurde und «The Star-Spangled Banner» durch die Bercy Arena schallte, konnte Griner es nicht mehr zurückhalten, und es gab keine Toilette, in der sie sich zurückziehen konnte. Also ließ sie die Tränen über ihr Gesicht strömen, während sie die Szenerie in sich aufnahm.

 

«Es bedeutet mir und meiner Familie so viel. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier sein würde», sagte Griner. «Und dann hier zu sein und Gold für mein Land zu gewinnen, als mein Land so hart für mich gekämpft hat, dass ich überhaupt hier stehen kann. Diese Goldmedaille wird unter den anderen beiden einen besonderen Platz einnehmen.» «Die 33-jährige Griner verbrachte den Großteil des Jahres 2022 in russischer Haft, eine Haft, die die US-Regierung als unrechtmäßig bezeichnete. Sie wurde von den russischen Behörden verhaftet, weil sie eine kleine Menge Haschischöl ins Land gebracht hatte, als sie während ihrer WNBA- Nebensaison zu einem Spiel für UMMC Ekaterinburg reiste. Sie wurde wegen Drogendelikten verurteilt und zu neun Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Im Dezember dieses Jahres wurde sie im Austausch für die Freilassung des russischen Waffenhändlers Viktor Bout durch die USA freigelassen, der eine 25-jährige Haftstrafe verbüßte. «Griner denkt oft an ihre Zeit in Russland zurück, und sei es nur, um sich daran zu erfreuen, wie dankbar sie jetzt ist, das Leben führen zu können, das sie führt – wieder Basketball spielen, in den USA leben und mit ihrer Frau Cherelle eine Familie gründen. (Das Paar hat vor Kurzem sein erstes gemeinsames Kind bekommen, einen Sohn.) «Während dieser Olympiareise gab es noch eindringlichere Erinnerungen. «Es war ihr erstes Spiel im Ausland seit ihrer Zeit in Russland. Anfangs dachte sie, sie könnte im Februar mit der Nationalmannschaft an einem Olympia-Qualifikationsturnier in Belgien teilnehmen, entschied sich aber letztendlich dagegen. Als sie von London, wo die Mannschaft ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland bestritt, den Zug nach Paris bestieg, wurde sie daran erinnert, dass sie zuletzt in einem Gefängniszug in Russland mit dem Zug nach Übersee gefahren war. Kurz nach Beginn der Gruppenspiele verhandelten die Vereinigten Staaten mit mehreren anderen westlichen Ländern und Russland über einen weiteren Gefangenenaustausch, um drei in russischer Haft festgehaltene Amerikaner zurückzuholen, darunter den Wall Street Journal-Reporter Evan Gershkovich. ««Das ist ein großartiger Tag», sagte Griner am 1. August, dem Tag, an dem ihr Team seinen zweiten Olympiasieg einfuhr. «Ich freue mich gerade wahnsinnig für die Familien. Jeder Tag, an dem Amerikaner nach Hause kommen, ist ein Sieg.»

 
 

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Unnachahmlich zart und poetisch – Zum 150. Geburtstag von Reynaldo Hahn

11.08.2024Welt der MusikNDR KulturElisabeth Richter. —   –  Details

Reynaldo Hahn

«Dieses ‹geniale Musikinstrument‹ namens Reynaldo Hahn ergreift alle Herzen, macht die Augen feucht, und bebend vor Bewunderung beugt sich ein Haupt nach dem anderen, dem stummen und feierlichen Bogen eines Kornfeldes im Wind gleich.» So poetisch beschreibt der Schriftsteller Marcel Proust den Komponisten, Sänger und Dirigenten Reynaldo Hahn. 1894 lernt er den damals 19-jährigen Künstler im Haus der Malerin und Grafikerin Madeleine Lemaire bei einem ihrer Salons kennen. Marcel Proust ist 23 Jahre und hingerissen von Reynaldo Hahns Stimme, wie er seine eigenen Lieder singt und sich selbst am Flügel begleitet. «Den Kopf leicht nach hinten geneigt, während der melancholische, ein wenig verachtungsvolle Mund, die rhythmisierte Flut der schönsten, der traurigsten und der wärmsten Stimme entlässt, die es je gab.» Reynaldo Hahn und Marcel Proust werden ein Paar; zwei Jahre hält die Liebesbeziehung. Doch die tiefe Freundschaft, der künstlerische Austausch sollte bis zu Prousts Tod im November 1922 andauern. «Mehr als der Geliebte von Marcel Proust — Reynaldo Hahn war einer der bedeutendsten französischen Lied-Komponisten Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, in der Belle Époque. Seine Kollegen – Debussy, Fauré oder Poulenc und andere, ebenfalls große Lied-Komponisten – schätzten ihn. In Deutschland weiß man heute viel zu wenig über diesen faszinierenden Künstler. Er war weit mehr als der Geliebte von Marcel Proust: Ein exzellenter Komponist, nicht nur von Liedern, er war Dirigent, Schriftsteller und Sänger, ein Intellektueller, ein Kosmopolit. Geboren wird Reynaldo Hahn am 9. August 1874 im venezolanischen Caracas. Sein Vater Carlos Hahn – Karl Hahn – stammte aus Hamburg. Er hatte jüdische Wurzeln, sein Großvater war Rabbiner in Altona. Carlos Hahn wird Geschäftsmann und emigriert Mitte des 19. Jahrhunderts nach Venezuela. Er ist ein erfolgreicher Wirtschaftsberater und arbeitet für den Präsidenten des Landes. Reynaldo Hahns katholische Mutter Elena hatte spanisch-baskische Vorfahren. Als sich die politischen Verhältnisse in Venezuela ändern, geht die große Familie nach Paris. Reynaldo ist 1878 drei Jahre alt und das jüngste von insgesamt zwölf Kindern. Er hört schon früh beim Klavierunterricht seiner Schwestern zu und macht sich bald selbst ans Klavier. Der französische Musikkritiker Bernard Gavoty kannte Reynaldo Hahn und zitiert ihn in seiner Biografie: «Ich glaube, dass ich schon mit drei Jahren meine Finger auf die Tastatur legen konnte. Mit fünf Jahren, daran erinnere ich mich genau, spielte ich, um meine Familie zu erfreuen, und zu meiner eigenen Zufriedenheit. Mit acht Jahren komponierte ich. Eine italienische Klavierlehrerin brachte mir schon früh bei, wie man Noten schreibt.»

Ein kleiner Mozart – Star in den Pariser Salons — Reynaldo Hahn entpuppt sich als Wunderkind. Schon mit sechs Jahren tritt er bei Prinzessin Mathilde auf, einer Nichte von Napoleon Bonaparte. Sein Talent spricht sich herum. Er wird als «kleiner Mozart» gehandelt. Seine Eltern haben gute Kontakte zu venezolanischen Geschäftsleuten – so findet Reynaldo Hahn Zugang in die gehobene Gesellschaft. Er spielt und singt in den Salons der Pariser Aristokratie. Er wird ein Star. In diesem Umfeld lernt Reynaldo Hahn berühmte Dichter kennen, deren Lieder er vertont: Paul Verlaine oder Stéphane Mallarmé. Er ist erst 13 Jahre, als er das Lied «Si mes vers avaient des ailes» (Wenn meine Verse Flügel hätten) schreibt. Ende des 19. Jahrhunderts ist es eines der bekanntesten Lieder in Frankreich. «Schüler von Jules Massenet — Reynaldo Hahn kommt schon mit elf Jahren ans Pariser Konservatorium. Dort studiert zum Beispiel auch Maurice Ravel. Hahns wichtigster Lehrer ist Jules Massenet. Man hört diese Prägung in einigen Werken, zum Beispiel in der ersten Oper «L›Île du rêve». Mit nur 17 Jahren beginnt Reynaldo Hahn 1891 die Komposition, die Uraufführung war 1898 an der Pariser Opéra Comique. «Die Insel der Träume», das ist Tahiti. Es ist ein Sehnsuchtsort, wo nur der Augenblick zählt. Die Liebe zwischen dem europäischen Offizier Loti und der einheimischen Mahénu hat aber keine Zukunft. Das exotische Sujet ist damals nicht nur in Frankreich beliebt. Puccinis «Madama Butterfly» etwa spielt in Japan, oder Léo Delibes «Lakmé» in Indien. Hahn wird weitere Opern schreiben. Musiktheater und Lied werden seine bevorzugten Genres. Aber man sollte seine unglaublich poetische Klaviermusik kennen, seine zauberhafte Violinsonate oder das Klavierquintett, die wunderschönen Bläser-Farben in seiner Ballett-Suite «Le Bal de Béatrice d›Este». «Geheimnisvoll schillernde Farben — Ein großer Einschnitt bedeutet für Reynaldo Hahn der erste Weltkrieg. Seit 1907 endlich französischer Staatsbürger, kämpft er sogar an der Front. An eine Freundin schreibt er: «Wenn Sie wüssten, wie entmutigend und trostlos es ist, an all den Zerstörungen entlangzufahren, an all den Ruinen, wo ich doch meiner künstlerischen Berufung wegen nach nichts anderem strebe als danach, etwas Schönes zu erschaffen!» «Nostalgie nach dem ersten Weltkrieg — Nach dem Krieg war die Welt eine andere geworden, besonders für Reynaldo Hahn, den Künstler der Belle Époque. Voller Nostalgie blickt er zurück auf die für ihn so erfolgreiche Zeit der Salons am Ende des 19. Jahrhunderts, in der er groß geworden ist. Musikalisch wird Reynaldo Hahn in seinen Kompositionen die Neuerungen der musikalischen Moderne nicht mitgehen. Seine Musik hat einen nostalgischen Charakter. Das kommt ihm aber zugute – nämlich für seinen größten Bühnenerfolg, die Operette «Ciboulette» von 1923. Hier hat er explizit den Auftrag von dem Journalisten, Librettisten und Dramatiker Robert de Flers, eine Musik zu schreiben, die an die große Zeit der französischen Operette im 19. Jahrhundert anknüpft, an Offenbach und andere. «Ciboulette» heißt «Schnittlauch», die Protagonistin des Stücks ist eine pfiffige junge Gemüsehändlerin vom Land, die in den legendären Pariser Markthallen «Les Halles» für viel Liebeswirbel sorgt. Stilistisch hört man eine mozartische Leichtigkeit, fühlt sich aber auch an Debussy, Offenbach oder Gounod erinnert. Die Musik spielt geschickt und humorvoll mit Zitaten, ist leicht und eingängig, niemals vordergründig, sondern mit einem Blick in die Tiefen der Seele: eine Rarität, die es lohnt zu kennen. «Ciboulette – Operette mit Witz und Tiefgang — Eine Rarität, die auch von Wehmut und Nostalgie durchzogen ist: Das sind allgemein Charakteristika von Reynaldo Hahns Musik, auch schon vor dem ersten Weltkrieg. Doch danach scheinen sich diese Aspekte zu verstärken. In den 1920er- und 30er-Jahren arbeitet Reynaldo Hahn als Komponist, Sänger, Dirigent, Kritiker und Lehrer – er ist Professor an der École normale de musique in Paris. Aber dann holen ihn die Zeitläufe ein: Paris wird im zweiten Weltkrieg von Nazi-Deutschland besetzt. Hahns Musik wird verboten. Wegen seiner jüdischen Herkunft verlässt er Paris, geht nach Südfrankreich und dann nach Monte Carlo. Nach dem Krieg kehrt er zurück und wird 1945 Direktor der Pariser Opéra. Doch nur für kurze Zeit: Am 28. Januar 1947 stirbt Reynaldo Hahn mit 73 Jahren. «Glücklicherweise wird Reynaldo Hahn jetzt peu à peu wiederentdeckt – zurecht! Seine Musik hat eine exzellente Qualität. Sie ist einfach, aber niemals eindimensional oder banal, sie hinterfragt und beleuchtet in ihrer unnachahmlichen Zartheit und Poesie Zusammenhänge. Sie sucht nach Wahrheit. «

 
 

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