Alle Artikel in der Kategorie “Aus den Archiven

Aus den Archiven ist ein Sendungsformat von Deutschlandradio Kultur

Über unterschiedliche intellektuelle Stile / Ein vergleichender Essay von Johan Galtung

13.09.2024Radiogeschichten SpezialÖ1Kurt Reissnegger —   –  Details

Johan Galtung

Struktur, Kultur und intellektueller Stil. Ein vergleichender Essay von Johan Galtung. Es liest Dorothee Hartinger. — In den Geistes- und Sozialwissenschaften gibt es unterschiedliche Ansätze, Theorien und Methoden. Was Gegenstand der Forschung sein soll, welche Ausgangspunkte gewählt werden und welche Verfahren angewendet werden – hier scheiden sich die Geister. Einen unkonventionellen Blick auf die unterschiedlichen Arten von intellektueller Tätigkeit und damit verbundener Wissensproduktion warf 1983 der norwegische Soziologe und Politologe Johan Galtung. — In seinem Essay mit dem Titel «Struktur, Kultur und intellektueller Stil» rückte er die kulturhistorischen Bedingungen von geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung in den Mittelpunkt. Galtung beschreibt vier ihm vertraute «intellektuelle Stile»: den sachsonischen, den teutonischen, den gallischen und den nipponischen. Er beschreibt sie modellhaft und verortet sie auch geographisch: der sachsonische Stil sei vorwiegend in Großbritannien und den USA verbreitet, der gallische in Frankreich und im gesamten romanischen Raum, der teutonische in Deutschland sowie Osteuropa und der nipponische in Japan. — Jeder dieser intellektuellen Stile sei durch bestimmte Denkmuster charakterisierbar. Während sich Angehörige des einen Stils vorrangig mit der Konstruktion von ausgeklügelten Theorien beschäftigen, entwerfen andere in ihren Texten lieber streng-logische Argumentationsketten oder wieder andere definieren ihre wissenschaftliche Tätigkeit darüber, wie stark die Anbindung an eine Schule oder akademische Tradition ist. Es ist erstaunlich, so Galtung, wie wenig den Angehörigen einer intellektuellen Gemeinschaft offenbar die Eigentümlichkeiten ihrer Gemeinschaft bewußt sind.

 
 

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Kammermusik von Johanna Senfter

13.09.2024VorgestelltÖ1Irene Suchy —   –  Details

Johanna Senfter

Hochbegabt und schnell aus der Mode gekommen — Es ist nicht die erste CD mit Werken von Johanna Senfte r, und doch: dieses Doppel-Album ist eine wahrliche Bereicherung für Publikum und alle, die neues Repertoire erarbeiten wollen. Es erhebt sich die Frage: warum ist Senfters Musik nicht längst im Konzertsaal angekommen? Das Else Ensemble, ein israelisch-deutsches junges Team, benannt nach Else Lasker-Schüler, hat 2021 und 2023 die vielschichtige, gekonnte und fantasievolle Kammermusik Senfters, die nur zuweilen an die Grenzen der Tonalität geht, eingespielt. – Das tief-romantische 1911 komponierte Quartett für Klavier, Violine, Viola und Kniegeige, die energievoll-drängende Sonate für Klarinette und Klavier aus 1925, das kraftvolle Quintett für Klarinette und Streichquartett aus 1950, und Senfters mutmaßlich letztes Werk, ein Klaviertrio mit barocken Formen und dem Titel «Kleines, leichtes Trio».

Wer ist Johanna Senfter? Geboren 1879 in Oppenheim am Rhein, ebendort 1961 gestorben; nach einem Leben, das Hoffnung auf eine Karriere gemacht hat und doch in der Ignoranz der Musikgeschichte endete. War es nur der zweite Weltkrieg, der ihre Musik, voll von Energie, Fasslichkeit und Virtuosität, altmodisch machte? Sie war nicht nur Komponistin, sondern auch Chor- und Orchesterleiterin, Pianistin, Violinistin, Pädagogin. Max Reger, ihr Lehrer, lobte die Zwanzigjährige, die – aus wohlhabendem Hause kommend – in einem Mädchenpensionat erzogen wurde: «Fräulein Senfter besitzt ganz außerordentliche Begabung für Komposition und hat demnach bei sehr großem Fleiße überraschend gute Resultate in der Komposition erzielt.»

– – Sie war bloß eine «Überraschung», sie sollte eine Ausnahme bleiben, auch ihre Arbeit als künstlerische Leiterin der beiden Oppenheimer Musikvereine sicherten ihre keine Berühmtheit. Sie arbeitete für ihren Lebensunterhalt als Lehrerin, zog sich schließlich nach dem zweiten Weltkrieg fast völlig aus dem öffentlichen Musikleben zurück, komponierte jedoch bis an ihr Lebensende weiter. «Wenn ich die Klavier- und Geigenschüler nicht hätte und die vielen Laufereien, ging es zur Not noch, aber so kann ich unmöglich zum Schreiben kommen. Da können sie sich denken, dass mein musikalisches Schaffen ganz in den Hintergrund getreten ist. Nur sonntags benutze ich die Ruhe und schreibe auf, was mir trotz allem im Kopf herumspukt.»

– – Welch ein Glück! Senfters Werk wartet darauf, entdeckt zu werden, das Else-Ensemble macht es vor.

 
 

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Leonard Cohen im Juli 2008 in London / Zum 90. Geburtstag

13.09.2024In ConcertÖ1Klaus Wienerroither —   –  Details

Leonard Cohen

Im Jahr 2008 beschließt der damals 73-jährige Leonard Cohen, auf Tournee in Kanada und Europa zu gehen. Der Grund ist ein nüchterner: Die ehemalige Managerin des kanadischen Singer/Songwriters hat einen Großteil seines doch beachtlichen Vermögens durchgebracht. Cohen, der kurz zuvor mehrere Jahre in einem Zen-Kloster verbracht hat, nimmt das Malheur mit buddhistischer Gelassenheit. — Zwölf Jahre zuvor ist er zum letzten Mal aufgetreten, und er hat damals einen eher mürrischen Eindruck hinterlassen. Nichts davon ist auf der Tour zu spüren, bei der das Konzert in der Londoner O2 Arena vom 17. Juli 2008 mitgeschnitten wird. Leonard Cohen spielt alle seine Hits wie «Suzanne» oder «Dance Me to the End of Love» und flirtet charmant mit dem Publikum. Er gibt alles und bekommt dementsprechend viel zurück. Am 21. September jährt sich der Geburtstag des 2016 verstorbenen Troubadours zum 90. Mal.

 
 

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Jeehye Kim, Kunsthistorikerin und Fotografin

13.09.2024Im GesprächÖ1Judith Brandner —   –  Details

Jeehye Kim

»Fremdheit als Forschungsprinzip» – Judith Brandner im Gespräch mit der Kunsthistorikerin und Fotografin Jeehye Kim — Es ist der koloniale Blick auf den Forschungsgegenstand Mensch, der die südkoreanische Forscherin Jeehye Kim interessiert. Bilder, die das Verhältnis zwischen Betrachter und Betrachteten deutlich zum Ausdruck bringen: Kolonialherren und Kolonialisierte. Konkret untersucht Kim diesen wissenschaftlichen Rassismus anhand von Fotografien einer japanisch-anthropologischen Expedition aus dem Archiv des japanischen Generalgouvernements in Korea in den 1910er Jahren. Korea war von 1910 bis 1945 japanische Kolonie. «Anthropologische Fotografie als koloniale Bildstrategie» ist Kims aktuelles Dissertationsprojekt an der Paris Lodron Universität Salzburg (in deutscher Sprache). — Die 1987 in Seoul, Republik Korea, geborene Jeehye Kim hat in Korea und Deutschland Fotografie, Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaften studiert. Sie lebt seit 2009 Jahren in Berlin und hat derzeit ein Fellowship an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/ifk in Wien. Erfahrungen von Fremdheit hat sie auch selbst als Koreanerin in Europa gemacht. Umgekehrt gebe es ein Gefühl von Fremdheit und Entfremdung, wenn sie Korea besuche – die Veränderungen dort gingen rasend schnell, erzählt Jeehye Kim im Gespräch mit Judith Brandner.

 
 

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Freedom in the groove

12.09.2024JazzARD Radiofestival 2024Till Lorenzen —   –  Details

Cordula Hamacher

Jazz am Hafen mit Cordula Hamacher, Jean-Yves Jung und Gästen — Mit Cordula Hamacher (Saxofon), Gilles Grethen (Gitarre), Jean-Yves Jung (Orgel) und Michel Meis (Schlagzeug) — Aufnahme vom 28. Juli.2024 am Kulturgut Ost, Saarbrücken — Das Silo am Saarbrücker Osthafen hat sich in den letzten Jahren zur hippen Trendlocation entwickelt. Ein historischer Industriebau mit Schornstein und ehemaligem Silo bietet die alternativ-charmante Kulisse für Partys, Konzerte, Techno-Events und einen Biergarten, direkt am Saar-Ufer. Die im Saarland lebende Saxofonistin und Komponistin Cordula Hamacher hat dort mit «Jazz am Hafen» eine neue Veranstaltungsreihe etabliert. Eröffnet wird die aktuelle Auflage am 28. Juli mit einer Matinee unter dem Motto «Freedom in the groove». Cordula Hamacher spielt mit den Luxemburger Wahlsaarländern Gilles Grethen und Michel Meis, Gastmusiker aus Frankreich ist Organist Jean-Yves Jung.

 
 

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Der russische Soldat sagte: «Ich habe Angst, dass ich aus dem Krieg zurückkomme und mein Sohn mich anschaut und sagt: ‹Was ist das für ein kranker Typ?›»

12.09.2024NewsNZZAndreas Scheiner —   –  Details

Anastasia Trofimowa

Anastasia Trofimowa hat sieben Monate mit russischen Truppen an der Front verbracht. Ihr Film «Russians at War» verharmlose Kriegsverbrecher, wird ihr vorgeworfen. Sie sagt: «Wenn man 40 Filme aus der Sicht der Ukraine sieht und keinen einzigen aus Russland, hat man kein vollständiges Bild.» — Eines Tages in der Moskauer Metro hat Anastasia Trofimowa eine kuriose Begegnung mit Väterchen Frost. Ein junger Mann im Kostüm, der gerade von einem Kinderfest kommt, sitzt ihr gegenüber. Unter dem Kostüm trägt er Armeeuniform. Es ist Winter 2022, der Soldat, stellt sich heraus, ist Ukrainer, kämpft aber für die Russen. Seine Geschichte lässt die russisch-kanadische Regisseurin nicht los. Zu ihrer Überraschung ist der Mann bereit, sie zu seiner Einheit mitzunehmen. — «Natürlich habe ich häufig Tote gefilmt»: Anastasia Trofimowa war als Kriegsberichterstatterin mit russischen Truppen unterwegs.

 
 

SK-news

Auf dem Ehrenplatz zwischen allen Stühlen: Arnold Schönberg, der ewig Unbequeme

12.09.2024NewsNZZChristian Wildhagen —   –  Details

Arnold Schönberg

Mit der Erfindung der Zwölftontechnik hat er die Musik in neue Bahnen gelenkt und der Moderne zum Durchbruch verholfen. Doch auch im Jubiläumsjahr anlässlich seines 150. Geburtstags ist Arnold Schönberg umstritten wie eh und je. — Ein musikalischer Visionär: der Komponist Arnold Schönberg (1874–1951). Am 13. September begeht die Musikwelt seinen 150. Geburtstag. — Das Datum würde ihm ganz und gar nicht behagen. Der Geburtstag von Arnold Schönberg fällt in diesem September nicht bloss, wie seit nunmehr einhundertfünfzig Jahren, auf einen dreizehnten, sondern auch noch auf einen Freitag. Was für ein Unglück bei solch einem runden Jubiläum – für den bekanntermassen abergläubischen Komponisten vermutlich ein Albtraum. Schon die Dreizehn allein versetzte Schönberg nämlich zeitlebens derart in Furcht, dass er zu rabiaten Mitteln griff, um sie, wo immer möglich, von sich fernzuhalten.

 
 

SK-news

Neue Alben von Chilly Gonzales, Floating Points und Die Nerve

12.09.2024Nachtmix: Die Musik von MorgenBayern 2Angie Portmann —   –  Details

Antilopen Gang

Welche relevanten Platten erscheinen, was sollte man sich davon nicht entgehen lassen. Darum geht im wöchentlichen Neuheiten-Check. Heute im Fokus: die neuen Alben von Chilly Gonzales, den Nerven, Floating Points, der Antilopen Gang, Nitsch, den Tindersticks, Lady Blackbird, der Raketenumschau und Nilüfer Yanya. — Die Nerven können nur groß, angefangen bei den wieder in Großbuchstaben geschriebenen Songtiteln ihres neuen Albums bis zu den gigantischen Melodien, den schneidenden Riffs und dem grandiosen, unglaublich mitreissenden Noiserock mit den ganz großen Gesten. Genauso wie Chilly Gonzales einer der unterhaltsamsten Entertainer ist und bleibt. Nachzuhören auf seinem von Identitätskrisen geschüttelten neuen Album “Gonzo”. Und auch Floating Points, der Vorzeige-Nerd unter den Elektronik-Produzenten, enttäuscht uns nicht mit seiner neuen Platte, einem super ambitionierten Album für den Dancefloor. Außerdem mit dabei: Antilopen Gang, Nitsch, Nilüfer Yanya, Tindersticks, Lady Blackbird und Raketenumschau.

 
 

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