Kiewer Geheimdienst räumt russischen Angriff auf eigene Zentrale ein

21.06.2023NewsFocus OnlineN.N. —   –  Details

Budanow / Jermak

Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR hat Berichte über einen russischen Raketenschlag gegen seine Zentrale bestätigt. Die Angriffe hätten Ende Mai stattgefunden, aber «weder das gewünschte noch das verkündete Ziel erreicht», sagte der Sprecher der Behörde, Andrij Jussow am Mittwoch im ukrainischen Fernsehen. Über den Raketenschlag hatte unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin berichtet.

 

— Die russische Führung hat immer wieder damit gedroht, Schläge gegen die «Entscheidungszentren» der Ukraine zu führen. Erste Informationen über einen Angriff auf die HUR-Zentrale tauchten am 29. Mai auf. Augenzeugen berichteten damals über Explosionen auf der Kiewer Rybalskyj-Insel (eigentlich eine Halbinsel) im Dnipro. Offiziell gab es damals keine Stellungnahme aus Kiew. Zu den Folgen des Angriffs wollte sich Jussow auch jetzt nicht äußern. Das werde er erst nach dem Krieg tun, sagte er. — In einigen russischen Medien hieß es, dass bei dem Beschuss auch der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes Kyrylo Budanow verletzt worden sei. Nach wochenlangem Schweigen tauchte Budanow am Dienstag das erste Mal im ukrainischen Fernsehen wieder auf. Äußerlich waren ihm dabei keine Verletzungen anzusehen.

 
 

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Moskau stimmt zu / Graf Lambsdorff wird deutscher Botschafter in Russland

21.06.2023NewsntvSentinel Hub / ESA — Martin Morcinek —   –  Details

Graf Lambsdorff

Zwei Wochen nach dem Dammbruch in der Ukraine verzeichnen Satelliten dramatische Veränderungen am Boden: Das Wasser aus dem Kachowka-Reservoir ist weitgehend verschwunden. Mitten im Kriegsgebiet werden nicht nur riesige offene Flächen sichtbar. — Im Süden der Ukraine entsteht an der Stelle des früheren Kachowka-Stausees neues Land: Aktuelle Aufnahmen der europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2 zeigen mittlerweile weitere ausgedehnte, trocken gefallene Flächen. Dort, wo bisher das größte Binnengewässer der Ukraine einen rund 200 Kilometer langen Abschnitt der Frontlinie deckte, taucht binnen weniger Tage neues Gelände auf. — Zwei Wochen nach dem Dammbruch ist ein Großteil der aufgestauten Wassermengen verschwunden. Durch das neu entstandene Gebiet zieht sich der verbliebene Flusslauf des Dnipro mit zahlreichen Windungen. Dazwischen liegen schlammige Sumpfzonen, verschüttete Altarme und das alte Flussbett, das knapp sieben Jahrzehnte lang unter Wasser lag.

 

— Im direkten Vergleich der Vorher-Nachher-Bilder sind die dramatischen Veränderungen am Kachowka-Stausee gut zu erkennen. Das linke Foto zeigt die Region in einer Aufnahme vom 5. Juni 2023. Zu sehen ist die Situation am Tag vor dem katastrophalen Dammbruch. — Der Damm selbst ist aus dieser Höhe nur bei näherem Hinsehen neben der Stadt Nowa Kachowka in der linken unteren Ecke zu erkennen. Die Talsperre zieht sich von Nordwesten nach Südosten quer über die hier gut 2,4 Kilometer breite Flussniederung. In den Tagen nach dem Dammbruch vom 6. Juni haben sich im Vorfeld des Bauwerks breite Schlamm- und Kiesbänke aus den ablaufenden Fluten gehoben. — Das Bild rechts wurde am 20. Juni, also zwei Wochen nach der Zerstörung der Staumauern, aufgenommen. Das von der Frischwasserzufuhr abgeschnittene Kernkraftwerk Saporischschja befindet sich auf diesen Bildern in der oberen Hälfte knapp rechts der Mitte. Der rund dreieinhalb Kilometer breite Kühlteich des Kraftwerks ist dank seiner charakteristischen Ringstruktur auf beiden Bildern leicht zu finden.

 

— Im Nordosten am oberen Ende des Stauseegebiets fließt der Dnipro nah am rechten Ufer. Von der Wasserfläche des Sees ist hier auf einem Areal von rund 400 Quadratkilometern nur ein Geflecht von Sickerbächen und Tümpeln geblieben. Am linken Ufer, also auf der südöstlichen Seite bei Kamianske (Karte) ist ein breiter Uferstreifen entstanden. In diesem Gebiet bildete der Stausee als natürliches Geländehindernis die westliche Begrenzung der Kampfzone entlang der Saporischschja-Front.

 

— 2023-06-15_Block4_circle_2b50d8afa87530094ad8c7a75ce8b1d1.jpg — POLITIK — 16.06.23 — Atomkraftwerk im Kriegsgebiet — So stemmen sich die Ukrainer gegen die Kernschmelze — Weiter flussabwärts bei Babyne (Karte) knickt der Dnipro nach Süden ab. Der Stausee verengte sich hier von einer Breite von zehn bis 15 Kilometern deutlich: Von dort bis Nowa Kachowka liegen die beiden Uferseiten nur noch gut vier Kilometer auseinander. Nach dem Dammbruch haben sich jedoch auch hier breite Sandbänke gebildet. An mehreren Stellen scheint die freie Ukraine vom russisch besetzten Gebiet nur noch durch eine gut 300 Meter breite offene Wasserfläche getren

 
 

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So schnell trocknet der Kachowka-Stausee aus

21.06.2023NewsntvSentinel Hub / ESA — Martin Morcinek —   –  Details

Kachowka-Stausee (vorher/nachher)

Zwei Wochen nach dem Dammbruch in der Ukraine verzeichnen Satelliten dramatische Veränderungen am Boden: Das Wasser aus dem Kachowka-Reservoir ist weitgehend verschwunden. Mitten im Kriegsgebiet werden nicht nur riesige offene Flächen sichtbar. — Im Süden der Ukraine entsteht an der Stelle des früheren Kachowka-Stausees neues Land: Aktuelle Aufnahmen der europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2 zeigen mittlerweile weitere ausgedehnte, trocken gefallene Flächen. Dort, wo bisher das größte Binnengewässer der Ukraine einen rund 200 Kilometer langen Abschnitt der Frontlinie deckte, taucht binnen weniger Tage neues Gelände auf. — Zwei Wochen nach dem Dammbruch ist ein Großteil der aufgestauten Wassermengen verschwunden. Durch das neu entstandene Gebiet zieht sich der verbliebene Flusslauf des Dnipro mit zahlreichen Windungen. Dazwischen liegen schlammige Sumpfzonen, verschüttete Altarme und das alte Flussbett, das knapp sieben Jahrzehnte lang unter Wasser lag.

 

Im direkten Vergleich der Vorher-Nachher-Bilder sind die dramatischen Veränderungen am Kachowka-Stausee gut zu erkennen. Das linke Foto zeigt die Region in einer Aufnahme vom 5. Juni 2023. Zu sehen ist die Situation am Tag vor dem katastrophalen Dammbruch. — Der Damm selbst ist aus dieser Höhe nur bei näherem Hinsehen neben der Stadt Nowa Kachowka in der linken unteren Ecke zu erkennen. Die Talsperre zieht sich von Nordwesten nach Südosten quer über die hier gut 2,4 Kilometer breite Flussniederung. In den Tagen nach dem Dammbruch vom 6. Juni haben sich im Vorfeld des Bauwerks breite Schlamm- und Kiesbänke aus den ablaufenden Fluten gehoben. — Das Bild rechts wurde am 20. Juni, also zwei Wochen nach der Zerstörung der Staumauern, aufgenommen. Das von der Frischwasserzufuhr abgeschnittene Kernkraftwerk Saporischschja befindet sich auf diesen Bildern in der oberen Hälfte knapp rechts der Mitte. Der rund dreieinhalb Kilometer breite Kühlteich des Kraftwerks ist dank seiner charakteristischen Ringstruktur auf beiden Bildern leicht zu finden.

 

Im Nordosten am oberen Ende des Stauseegebiets fließt der Dnipro nah am rechten Ufer. Von der Wasserfläche des Sees ist hier auf einem Areal von rund 400 Quadratkilometern nur ein Geflecht von Sickerbächen und Tümpeln geblieben. Am linken Ufer, also auf der südöstlichen Seite bei Kamianske (Karte) ist ein breiter Uferstreifen entstanden. In diesem Gebiet bildete der Stausee als natürliches Geländehindernis die westliche Begrenzung der Kampfzone entlang der Saporischschja-Front. — So stemmen sich die Ukrainer gegen die Kernschmelze — Weiter flussabwärts bei Babyne (Karte) knickt der Dnipro nach Süden ab. Der Stausee verengte sich hier von einer Breite von zehn bis 15 Kilometern deutlich: Von dort bis Nowa Kachowka liegen die beiden Uferseiten nur noch gut vier Kilometer auseinander. Nach dem Dammbruch haben sich jedoch auch hier breite Sandbänke gebildet. An mehreren Stellen scheint die freie Ukraine vom russisch besetzten Gebiet nur noch durch eine gut 300 Meter breite offene Wasserfläche getren

 
 

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Love, lion and a little moonlight – Mit Aufnahmen von Melody Gardot, Brad Mehldau, José James, Yumi Ito u.a.

21.06.2023Jazztime: Mostly VocalBR-KlassikBeatrix Gillmann —   –  Details

Yumi Ito

Wenige Töne. Größtmöglicher Ausdruck: Wenn Sänger José James einen langsamen Blues über einen ziemlich fiesen Typen singt, sind dies Gänsehaut-Momente. Songs mit großer Sogkraft, geschrieben von Billie Holiday, nahm er 2022 auf sein Album: «Yesterday I had the Blues». Ihre Stimme sei die erste musikalische Erinnerung, die er habe, sagt der 1978 in Minneapolis geborene James. Lässig und ausdrucksstark bewegt er sich in verschiedenen Genres, singt Soul, Pop-Songs, oder Klassiker dieser großen Jazz-Sängerin, etwa auch «What a little moonlight can do». Yumi Ito aus Basel gehört zu einer neuen Generation von Jazz-Sängerinnen. Als Vorbild nennt sie Björk und ebenfalls: Billie Holiday. 1990 in eine polnisch-japanische Familie in Basel geboren, erhielt Yumi Ito an der dortigen Musikhochschule bei Lisette Spinnler ihre Ausbildung. Ob sie singt, komponiert, Klavier spielt oder ihre Band leitet: bei Yumi Ito ist stets eine unbändige Entdeckerfreude zu spüren, eine große Lust zur freien Improvisation. — «Love, lion and a little moonlight» – lauten Stichworte aus Songs, die in dieser Mostly-Vocal-Ausgabe der Jazztime vorkommen. Es sind faszinierende Erzählungen in Tönen, intensive Klangwelten, die einen staunen lassen. —

 
 

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Penumbra – Neues von Christian Lillinger und Elias Stemeseder

21.06.2023JazzWDR 3Niklas Wandt —   –  Details

Christian Lillinger und Elias Stemeseder

Das umtriebige Berliner Duo veröffentlichte im Mai schon ihr zweites Album in einem halben Jahr. Auf «Penumbra» trifft ihre kompromisslose Avantgarde-Ästhetik auf hochkarätige Gäste der New Yorker Szene, etwa den Trompeter Peter Evans. — Seit vielen Jahren treffen Lillinger und Stemeseder bereits in gemeinsamen Ensembles aufeinander, etwa in Lillingers großem Projekt «Open Form For Society». Schon das im Dezember erschienene Debüt «Penumbra» (lateinisch für «Halbschatten») enthält faszinierend spröde Stücke zwischen Barock, Neuer Musik, Elektroakustik und rhythmischen Impulsen der improvisierten Musik und instrumentalen Hip Hops. Ihr Instrumentarium ist ebenfalls eklektisch: Drums und programmierte Beats, Synthesizer, Wurlitzer-Piano und auch das im Jazz so gut wie nie zu hörende Spinett.

 
 

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Reggae-Klassiker altern nie

21.06.2023NachtmixBayern 2Noe Noack —   –  Details

Kabaka Pyramid

»Reggae-Klassiker altern nie» – Riddim-Instrumentals, die Geschichte geschrieben haben — Musik unter anderem mit Hood Celebrity, Chaka Demus & Pliers, Kabaka Pyramid, Micah Shemaiah, Willie Williams, The Clash, Tenor Saw, Wayne Smith, Randy Newman, Nina Simone, The Tamlins, Dennis Brown & Aswad und Lila Ike

Die Geschichte des Reggae läßt sich auch anhand von populären Riddim-Instrumentals erzählen, die im Laufe der Dekaden immer wieder neu produziert und zum Glänzen gebracht wurden. Es gibt Dutzende von diesen Klassikern, die die Grundlage für neue Hits liefern. Der «Real Rock», eingespielt 1967 im berühmten Studio One von Coxone Dodd feiert gerade seine Wiedergeburt bei Roots & Culture-Erneuerer Micah Shemaiah. Auf die Klassiker vertrauen auch viele junge Künstlerinnen und Künstler wie z.B. Lila Ike, die ihren Song «Second Chance» über den 40 Jahre alten «Promised Land»-Instrumental von Dennis Brown und Aswad singt. Außerdem ist in dieser Stunde der — «Sleng Teng» zu hören, mit dem Produzent King Jammys 1985 die digitale Dancehall-Reggae Revolution auslöste.

 
 

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Down by the Riverside – Als der Jazz die britische Arbeiterklasse mitriss 2/2)

21.06.2023Round MidnightNDR KulturRalf Dorschel —   –  Details

Chris Barber

Im Juli 1948 kam es zu einem denkwürdigen Konzert vor Londons Leicester Square Club: Die BBC hielt es für eine taugliche Idee, beide großen britischen Jazzlager zusammenzubringen – die Traditionalisten und die Modernisten. Humphrey Lyttelton gewann den Abend – und zwar vor allem deshalb, weil seine handfesten Fans die Bebop-Musiker niederbrüllten und anboten, ihnen mit starker Hand den Weg von der Bühne zu weisen. Denn den Jazz nahmen diese jungen Männer persönlich – und nichts lag ihnen dabei ferner als jene neumodische Verrücktheit des Bebop.

 

— Erfolgsformel: Bass, Banjo und Bier — Das Königreich stand damals ganz im Zeichen des Trad Jazz – und zwar klassenübergreifend: «There will be no bop and no progressive music» – kein Bop, nichts Progressives, das war 1950 die klare Ansage von John Foreham – und der war zu jener Zeit für den Jazz bei der BBC verantwortlich. Und hatte aus der misslichen Lage beim Kompromiss-Konzert in London gelernt. Tausende von jungen Leuten versuchten in den Nachkriegsjahren, mit Trad Jazz ein Auskommen zu finden. Bass, Banjo und Bier hieß die Erfolgsformel, «Muskrat Ramble» und der «Dippermouth Blues» standen in voller Blüte und die Saints marschierten noch in entlegensten britischen Landgemeinden in den Pub.

 

— Jazz als Widerstandsmusik der Working Class — Jazz wurde zu einem Massenphänomen vornehmlich der Working Class. Und «Down By The Riverside» meinte dabei dann den River Crane, faktisch einen dreckigen Industriekanal in Cranford – Heimat der Crane River Jazz Band, einer der Keimzellen des britischen Trad Jazz. Bei dem sich viel drehte um die drei «B», um Chris Barber, Acker Bilk und Kenny Ball.

 
 

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Revisited: Wasserstadt Oberhavel, Berlin

20.06.2023NewsBauweltSebastian Redecke —   –  Details

Wasserstadt Oberhavel

«Havelspitze», das kleine Café am Ende des Gebäuderiegels der Residenz Pro Seniore, hat zurzeit nur am Wochenende nachmittags für drei Stunden geöffnet. Am exponierten südlichsten Punkt des gleichnamigen Quartiers Havelspitze, auch Maselake-Halbinsel genannt, in bester Wasserlage mit Blick auf die Insel Eiswerder, erwartet man deutlich mehr als dieses geschlossene Café und einen Anlegesteg. Denn die Halbinsel-Bebauung gehört zur großen Neuplanung «Wasserstadt Oberhavel» in den Spandauer Ortsteilen Hakenfelde und Haselhorst westlich, nördlich und östlich von Eiswerder. Die ersten Planungen dazu begannen schon vor 1989 in West-Berlin und konkretisierten sich in den frühen 1990er Jahren. Die städtebauliche Entwurfsidee stammt von Hans Kollhoff, Christoph Langhof, Jürgen Nottmeyer und Klaus Zillich. Die Zeit war noch geprägt von der IBA ›87. Von großen Siedlungen war damals längst nicht mehr die Rede, sondern von «Neuen Vorstädten», mit der Betonung auf «Stadt» (Bauwelt 17/18.1997).

 

Dreißig Jahre später ist die Entwicklung noch immer nicht abgeschlossen. Bis 2026 sollen in der Wasserstadt Oberhavel auf 206 Hektar insgesamt 12.750 Wohnungen fertiggestellt werden. Das Projektgebiet, das sich bis 2020, viel länger als erwartet, in der Einflugschneise des Flughafens Berlin-Tegel befand, wurde von Anfang an in Planungsbereiche aufgeteilt, in denen verschiedene Büros mit eigenen Ansätzen der Bebauung zum Zuge kamen. Der damalige Bausenator Wolfgang Nagel und Senatsbaudirektor Hans Stimmann trieben solche Wohnquartiere mit eigener Identität voran. Die Chance, die Spitze der Havelspitze zum Treff- und Aussichtspunkt des neuen Quartiers zu entwickeln, wurde aber vertan.

 

Betrachtet man die weitere Bebauung nördlich der drei Gebäude der Seniorenwohn- und Pflegeeinrichtung, ist der erste Eindruck, dass besonders die Dichte wichtig war. Gebaut wurde eine kompakte Blockstruktur mit fünf bis sechs Obergeschossen und hellen, weitgehend abgeschlossenen Höfen, die städtisch wirken soll. Umgeben von Wasser, bleibt dies unverständlich. Außerdem entschieden sich die Planer im südlichen, quer zur Halbinsel verlaufenden Teil der Hugo-Cassirer-Straße sogar für Kolonnadengänge, die Urbanität mit viel Leben im Straßenraum suggerieren, was es aber heute im Quartier – ohne Anknüpfung an gewachsene Strukturen, ohne Läden und mit einer dürftigen Infrastruktur – nicht gibt. Discounter und Fachmärkte mit Parkplätzen befinden sich an den breiten Zufahrtsstraßen abseits der Havelspitze. Die 1999 realisierten Blöcke mit den Kolonnaden stammen aus den Büros Josef Paul Kleihues und Perkins & Will. Die gewünschte Identität mag im Quartier Havelspitze baulich ablesbar sein, doch genau diese Identität, die auch nach atmosphärischen Besonderheiten und nach Bewohnerinnen und Bewohnern verlangt, die sich mit dem Ort identifizieren und in den Außenräumen gerne verweilen, ist durch die allgemeine Leere im Quartier und gewisse Anonymität, die sich unter anderem durch die Sozialstruktur erklären lässt, nicht erfahrbar.

 

Die Lage am Wasser spielte aus der Sicht der Planer aber schon eine Rolle und sollte durch die Bebauung überall spürbar sein, weshalb die Straßenräume so konzipiert wurden, dass sie sich konisch zum Wasser hin aufweiten. Dieses städtebauliche Konzept stammt von den Architekten Kees Christiaanse/Astoc Planners & Architects, die auch in der ersten Planung des westlich angrenzenden Quartiers Maselake eingebunden waren. Kees Christiaanse entwarf zudem den nördlichen der drei Blöcke, der aber eigentlich kein Block ist, sondern eine aus vier Riegeln zusammengesetzte Figur, die einen Hofraum umschließt. Diese Riegel sind in einzelne Hauseinheiten geteilt. Jede Einheit hat an der Straße eine eigene Fassade. So täuscht der großstädtische Block eine Straßenrandbebauung mit unterschiedlichen Gebäuden vor. Die Mietwohnungen sind klein und haben enge Loggien. Im Erdgeschoss nach Süden sind Vorgärten angeordnet, ansonsten schotten sich die Bewohner auf Straßenebene in ihren Wohnungen vor Einblicken ab. An der Sigmund-Bergmann-Straße mit Durchgängen zum Hof, Tiefgarageneinfahrten und Müllcontainern ist der Anblick ziemlich trostlos.

 

Es ist nicht nur die weitgehende Abriegelung trotz der kaum wahrzunehmenden konischen Aufweitungen, sondern auch die teilweise Vernachlässigung der Wasserseiten des Quartiers, die kritisch zu sehen sind. In den Uferbereichen stehen zwar teilweise mächtige Bäume, es wurden dort auch Spielplätze eingerichtet, aber es fehlt ein Konzept mit eigener Handschrift für die Freiräume.

 

Zur Blockstruktur hinzugekommen ist deutlich später die «Havel Perle», ein 17-geschossiges Hochhaus mit – passend zum Namen – 76 freifinanzierten Wohnungen als Dominante des Quartiers, die wohl auch zu einer besseren Durchmischung der Bewohnerstruktur beitragen soll. Beim Berliner Senat ist zur Wasserstadt nachzulesen, dass die stadtentwicklungspolitischen Rahmenbedingungen wechselten und sich «die Entwicklungsziele der veränderten Nachfrage auf dem Immobilienmarkt anpassten» – wahrscheinlich auch mit diesem Hochhaus. Es steht in der Achse der Spandauer See-Brücke von 1997, die den Ortsteil Hakenfelde, zu der die Havelspitze gehört, mit Haselhorst verbindet. Die Brücke ist ein markantes, in seiner Gestalt und Materialwahl ebenfalls «städtisch» gedachtes Bauwerk von Walter A. Noebel. Ansonsten verfügt die Blockstruktur der Havelspitze über einen Platz zwischen den Blöcken mit den leider kümmer lichen Treffpunkten Bäcker Süßbrot und Weinbar Seegert›s. Auch dieser Platz ist ohne jeden Bezug zum umgebenden Wasser. Die Bewohnerinnen und Bewohner halten sich dort nicht auf.

 

Im Norden grenzen die Blöcke an die 120 Meter lange, niedrige und dadurch wenig auffällige Spandauer Kabelproduktionshalle von Hans Poelzig, errichtet in den Jahren 1928–30 für das Kabelwerk Cassirer und heute das Depot für die Stiftung Stadtmuseum Berlin. Eine sicherlich passende Nutzung. Die rundum verschlossene Halle trägt zwar nicht zur Aktivierung des Quartiers bei, aber das denkmalgeschützte Gebäude erklärt die Gestaltung vieler Erdgeschosse, Sockelzonen und ganzer Fassaden mit Ziegel. Westlich der Halle errichtete die Gewobag 2018–21 zwei von Bollinger + Fehlig Architekten geplante Punkthäuser, die mit einem zweigeschossigen Sockel in Ziegel ebenfalls die Ästhetik der Halle aufnehmen. Sie treten von der Hugo-Cassirer-Straße zurück und erweitern die Kreuzung zu einem weiteren Platz. Wie der Wohnturm stehen auch diese Bauten in keinem Bezug zur ursprünglichen städtebaulichen Planung.

 

Im Norden der Havelspitze schließen nach der Rauchstraße der «Wasserbogen», ein mächtiger, gekrümmter Wohnungsbau, der dem Maselake kanal folgt, und davor ein weiterer Gebäudeblock an, beide von Grobe Architekten. Man ist unmittelbar am Wasser, und in der ersten Planung war sogar geplant, dass man vom Wasserbogen am Kanal direkt in sein Boot steigen kann. Die siebengeschossigen Bauten blieben jedoch lange eine separate Wohnanlage ohne Einbindung in das gebaute Umfeld.

 

Das Quartier Havelspitze ist geprägt vom Denken einer städtischen Struktur, die an diesem Ort zu massiv ist. Unabhängig davon und von der unzureichenden Berücksichtigung der Wasserlage, ist die Wohnqualität hoch, denn es ist ein ruhiges, abgeschirmtes Wohngebiet an der frischen Luft entstanden. Dem Anspruch aber, ein durchmischtes Stadtquartier zu sein, wird es nicht gerecht – es bleibt eine Pendler-Vorstadt mit Bauten, die die Erweiterung einer Stadt suggerieren, die es hier aber nirgends gibt.

 

Ganz anders der Eindruck auf der östlichen Seite der hier rund 200 Meter breiten Havel. Dort zeigt sich die lange Front vom Haselhorster Quartier Haveleck, das heute «Waterkant» genannt wird und bis 2025 fertiggestellt sein soll. Die Öffnung zur Wasserlage durch ein klar definiertes Grid ist hier besser gelungen. Die Bauten entstanden nach einer Planung von Eike Becker und Dahm Architekten. Weiter im Süden grenzt das ebenfalls zur Wasserstadt gehörende Quartier «Pulvermühle» von Bernd Albers, Nalbach + Nalbach und weiteren Büros an – Blöcke mit klar gegliederten Ziegelfassaden von großer Prägnanz, die sich deutlich absetzen.

 

Ein Manko der gesamten Wasserstadt Oberhavel war und ist die Erschließung. Zwei Buslinien stellen die Verbindung zur den U-Bahn-Stationen Paulsternstraße und Haselhorst her. Der Wiederaufbau der S-Bahn-Strecke Siemensbahn bleibt offen.

 
 

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Entspannt Euch! Neue Musik in Deutschland zwischen 1980 und 1990 (Teil 1)

20.06.2023Neue Musikhr2 kulturWerner Klüppelholz —   –  Details

KH Stockhausen

Neue Musik ist nicht immer schön, aber wahr!

Alles wurde lockerer: das Komponieren, die Kleidung, das Konzertpublikum und die Vorstellung, wie neue Musik zu klingen habe. Ein Zeitzeuge erzählt, wie solche Liberalisierung einherging mit einer großen Orientierungslosigkeit. Nur Karlheinz Stockhausen kannte die Richtung: zurück ins Mittelalter. — Der Zeitzeuge Werner Klüppelholz berichtet, wie in der neuen Musik ab 1980 alles lockerer wurde. Die strengen Tabus der Avantgarde verloren beim Komponieren ihre Gültigkeit, das Publikum nutzte Konzerte etwa zur Meditation (gern auch im Liegen) und es traten Leute wie Arvo Pärt auf, die bis dahin nicht unbedingt zur neuen Musik gezählt worden wären. — Auch kamen in der BRD endlich Komponistinnen zum Zug. Eine solche Liberalisierung – die ebenfalls in der DDR spürbar wurde – kann man pluralistische Erweiterung nennen. Ihre Kehrseite war eine große Orientierungslosigkeit; ständig erklang die Frage, wohin die Entwicklung gehen solle.

 
 

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Der Komponist Thomas Adès: Ein Porträt

20.06.2023Neue MusikNDR KulturChristoph Vratz —   –  Details

Thomas Adès

Als musikalisches Multitalent gilt Thomas Adès vor allem als einer der erfolgreichsten Komponisten der Gegenwart. — «Ich komponiere stets das, was mir in dem Moment notwendig erscheint.» Die Erfolgsformel erscheint einfach, doch natürlich steckt mehr dahinter. Schon das erste Werk von Thomas Adès war ein Erfolg: Gleich drei Verlage wollten sein Opus 1, Vertonungen von Gedichten von T.S. Eliot, drucken lassen. Das war 1989. Von Christoph Vratz.

Der in London geborene Adès hat sein Musik- und Kompositionsstudium an der Guildhall School of Music und am King›s College in Cambridge mit Bestnoten abgeschlossen. Schon früh erhielt er die Einladung, als «composer in residence» für ein Orchester zu schreiben, und zwar in Manchester beim renommierten Hallé Orchestra. Seither ist Adès Stammgast bei zahlreichen Festivals, dirigiert Klangkörper wie die Berliner Philharmoniker und tritt, nicht weniger erfolgreich, auch als Pianist auf. — Auf der Suche nach Schönheit — Das Komponieren nennt er eine «völlig surreale Tätigkeit», vielleicht auch, weil er sich ständig in andere Stile einfinden kann. Klassik und Jazz, Atonalität und traditionelle Harmonielehre sind für Thomas Adès keine Widersprüche, sondern nur unterschiedlich schillernde Facetten innerhalb eines klingenden Ganzen. Dabei mutet sein künstlerisches Credo eher bescheiden an: «Es ist tatsächlich ein Bestreben von mir, stets um Schönheit zu ringen, selbst wenn ich sie nicht ganz erreichen kann.»

 
 

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