Last Man Standing / Peter Brötzmann (The Wire 2012)

23.06.2023NewsThe WireDavid Keenan, Daniel Spicer —   –  Details

Peter Brötzmann

Als Hommage an den im Alter von 82 Jahren verstorbenen deutschen Saxophonisten haben wir David Keenans episches zweiteiliges Interview aus dem Jahr 2012 sowie Daniel Spicers Leitfaden zu Brötzmanns zahlreichen Aufnahmen zum kostenlosen Lesen in unserer Online-Bibliothek bereitgestellt

 
 

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Kompromisslose Leidenschaft: Zum Tod von Peter Brötzmann

23.06.2023Round MidnightNDR KulturBert Noglik —   –  Details

Peter Brötzmann

Keine Enzyklopädie des Jazz kommt ohne ihn aus. Peter Brötzmann hatte das, wovon andere nur reden: das Alleinstellungsmerkmal. Von Anfang an suchte er einen anderen Zugang zur Musik. Und er fand ihn, indem er unbeirrt einen eigenen Weg ging. — Brötzmann wurde zum radikalen Erneuerer und blieb dabei stets ein Bewunderer der afroamerikanischen Vorgänger, ohne der Versuchung zu erliegen, andere zu kopieren. Der Saxofonist und Klarinettist, der in Wuppertal Kunst studierte und auch als bildender Künstler arbeitete, schuf bereits mit seiner 1968 aufgenommenen Platte «Machine Gun» ein Manifest, dessen Konsequenz und Kompromisslosigkeit internationale Aufmerksamkeit hervorrief. — Auch wenn in seiner Musik Aufbegehren mitschwingt, so widerlegt er mit seinem Spiel doch die oft zum Klischee verfestigte Vorstellung eines musikalischen Bilderstürmers. Vehemenz bis zur totalen Verausgabung war ihm ebenso eigen wie ein innerhalb der von ihm selbst definierten Parameter hochdifferenziertes Ausdrucksspektrum. — Ein Mann mit Bart bläst in ein Saxofon © picture alliance Foto: Oliver Heisch — Peter Brötzmann beim 35. Internationalen New Jazz Festival in Moers.

 

Mit seinem Schaffen hat er Wegmarken im europäischen Jazz gesetzt und transatlantische Brücken geschlagen. In jüngster Zeit fand er zu spannenden Dialogen mit der Pedal-Steel-Gitarristen Heather Leigh, und er überraschte mit «I Surrender Dear», einem tief emotionalen Balladenalbum. Peter Brötzmann starb am 22. Juni im Alter von 82 Jahren.

 
 

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Saxofonist Peter Brötzmann ist tot – Pionier und Powerplayer des Free Jazz

23.06.2023Extra: ClipSWR2Bert Noglik —   –  Details

Peter Brötzmann

Der deutsche Freejazz-Pionier, Saxophonist und Klarinettist Peter Brötzmann ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Peter Brötzmann war so etwas wie der Inbegriff des deutschen Free Jazz – Vaterfigur, Kombattant und Fackelträger. Wie kaum ein anderer verkörperte er mit seiner Intensität und Authentizität den Anspruch, als eigenständige europäische Stimme wahrgenommen zu werden.

 

Brötzmann war die Antithese zu allem Etablierten — Schon früh entsagte der 1941 in Remscheid geborene Saxophonist Peter Brötzmann der Imitation amerikanischer Vorbilder, begriff sich aber auch in der Antithese zu allem Etablierten als ein Musiker in der Tradition des Jazz. Bei allem, was er tat, sagte und spielte, ging es ihm um ein Streben nach Authentizität. — «Hartnäckigkeit, Ausdauer, auch intellektuelle Möglichkeit, über Dinge nachzudenken und langfristig zu verfolgen … und sich einfach Freiheiten zu schaffen.»

Peter Brötzmann über sein Streben nach Authentizität beim Spielen.Brötzmann war die Antithese zu allem Etablierten — Schon früh entsagte der 1941 in Remscheid geborene Saxophonist Peter Brötzmann der Imitation amerikanischer Vorbilder, begriff sich aber auch in der Antithese zu allem Etablierten als ein Musiker in der Tradition des Jazz. Bei allem, was er tat, sagte und spielte, ging es ihm um ein Streben nach Authentizität. — «Hartnäckigkeit, Ausdauer, auch intellektuelle Möglichkeit, über Dinge nachzudenken und langfristig zu verfolgen … und sich einfach Freiheiten zu schaffen.»

Peter Brötzmann über sein Streben nach Authentizität beim Spielen.

 

Album «Machine Gun» – radikale Emanzipation des europäischen Free Jazz — Bereits 1961 begann Peter Brötzmann in Wuppertal mit dem Bassisten Peter Kowald zusammenzuarbeiten. Er zählte zu den Gründungsmitgliedern des «Globe Unity Orchestra» und spielte im Jahr 1968, im Jahr des Höhepunktes der europäischen Studentenrevolte, ein Album ein, das zu den radikalsten Manifesten der Emanzipation des europäischen Free Jazz zählt: «Machine Gun», eine rund dreißigminütige Kollektivimprovisation mit dem Peter Brötzmann Oktett.

 
 

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Erinnerungen an Peter Brötzmann

23.06.2023JazzWDR 3Thomas Mau / Stefan Hentz —   –  Details

Peter Brötzmann

Frankfurt-Höchst, irgendwann in den 70er-Jahren: Ein Mann betritt mit wuchtigem Schritt die Bühne der Jahrhunderthalle. Groß ist er und stattlich, die Haare sind zur kurzen Bürste geschnitten, die Wangen bedeckt ein voller Bart. Unterm Arm trägt er ein erlesenes Sortiment von Saxofonen und Klarinetten, großen und kleinen, verschlungenen, gebogenen, geraden, glänzenden und stumpfen, das er auf der Bühne ausbreitet. — Dann greift er eines der größeren Instrumente, ein Tenor- oder Baritonsaxofon, und beginnt zu spielen. Angekündigt ist ein Jazzkonzert, man hat von diesem Brötzmann gehört, der so unerhört furios spielen soll und ganz anders als alle anderen, man war auf vieles gefasst, doch was man nun hört sind einfache Melodielinien, irgendwie vertraut, kindlich und naiv, doch dann, wie in Zeitlupe, ein Schritt nach dem anderen, zersplittern die Melodien, explodieren die Sounds, laden sich auf mit Reibungsenergie, werden laut, heiß, dissonant und scharf. Peter Brötzmann, ganz allein, entfaltet das Panorama seiner musikalischen Welten: wo definierte Töne waren, zerfasern sie nun in Spaltklängen, Überblaseffekten, dissonanten Sounds, sein Spiel schneidet in die holzschnittartigen Melodien, lässt die Späne fliegen, zersetzt den Zusammenhalt des Banalen in einem Taumel der Frequenzen, einem Sog von Intensität. Der Vorgang wiederholt sich noch einige Male in unterschiedlichen Tonlagen mit unterschiedlicher Instrumentenwahl, bis die Zuhörer in der Jahrhunderthalle erschöpft nach einem kathartischen Musikerlebnis, das zumindest bei einigen unter ihnen lebenslange Spuren hinterlassen hat, ihrer Wege gehen. — In den rebellischen 60er-/70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als der Jazz sich weltweit auffächerte und auch in Europa Spielformen hervorbrachte, die sich von den Gepflogenheiten seiner afroamerikanisch geprägten Entstehungsgeschichte meilenweit entfernte, war Peter Brötzmann, geboren am 6. März 1941 in Remscheid, einer der Kristallisationspunkte eines deutschen innerhalb des genuin europäischen Free Jazz. In seiner Jugend zunächst noch stärker an Kunst interessiert als an Musik, war der junge Brötzmann sehr fasziniert vom Jazz auch der Altvorderen. Als 16-Jähriger begann er ohne die Umschweife irgendeiner formalen Ausbildung in einer Dixieland-Kapelle Klarinette zu spielen. Später wechselte er zum Tenorsaxofon, doch alle seine Schritte folgten seinem eigenen Kompass. Als musikalischer Autodidakt blieb er ein Sonderfall in der Jazzszene, ganz besonders in der deutschen, wo Kollegen wie Peter Kowald, Alexander von Schlippenbach, Manfred Schoof ganz selbstverständlich die klassische Ausbildung im Gepäck führten – ein Saxofonist, der vielleicht nicht über die technischen Fertigkeiten verfügte, alles auf Abruf spielen zu können und genau deshalb eine individuelle Klangsprache entwickelte, wie sie kein anderer hätte spielen können. Diese eigene Klangsprache machte Brötzmann zu einem der bedeutendsten Instrumentalisten und Musik-Konzeptualisten seiner Zeit. — Mit 18 ging Brötzmann an die Werkkunstschule nach Wuppertal, wo er Malerei und Werbegraphik studierte und ziemlich schnell in die Rufweite des aus Korea stammenden Medienkünstlers Nam June Paik und der Fluxus-Bewegung geriet, deren mediale Grenzen überschreitende Radikalität er auch auf seine Musik übertrug. Paik brachte Brötzmann zusammen mit Avantgardisten aus dem Lager der neuen Musik, mit der elektronischen Musik von Karlheinz Stockhausen, mit der für die Unbestimmtheit des Zufalls aufgeschlossenen Radikalität von John Cage, mit dem Minimalismus von LaMonte Young. In Wuppertal war es auch, wo er mit dem Bassisten Peter Kowald einen Musiker traf, mit dem zusammen er seine Schritte aus den Fesseln von Tonalität und festem Puls entwickeln konnte, und während die wohlausgebildeten Kollegen von der Kölner Musikhochschule die Musik der beiden Wuppertaler Musiker bei einem lokalen Festival mit Lachen quittierten, waren es US-Kollegen wie der Saxofonist Steve Lacy oder der Trompeter Don Cherry, die die Ernsthaftigkeit von Brötzmanns Musik erkannten und ihn in seinem Tun unterstützten. — Der endgültige Durchbruch folgte im Mai 1968, als Brötzmann mit einem Oktett, das man als Speerspitze des europäischen Free Jazz verstehen konnte, in einem kleinen Club in Bremen sein zweites Album einspielte: «Machine Gun» – eine Explosion der Klänge, ungestüm, aggressiv, überwältigend laut. In einer Zeit des Aufruhrs, in der die jüngere Generation, zu der auch Peter Brötzmann gehörte, die Aufarbeitung des Faschismus auf die Tagesordnung setzte und gegen den Vietnamkrieg protestierte, konnte dieses Album kaum anders verstanden werden als ein Manifest des Widerstands. Ob gewollt oder nicht – Brötzmann selbst äußerte sich da durchaus widersprüchlich – war Machine Gun sehr gegenwärtig: Musik zur Zeit. Als die Berliner Jazztage im gleichen Jahr ein ursprünglich geplantes Engagement seines Oktetts widerriefen, gehörte Brötzmann zu den Initiatoren des Total Music Meeting, das dem Free Jazz und seinem nonkonformistischen Habitus vier Jahrzehnte lang parallel zu den Jazztagen eine alternative Bühne in Berlin bereitete. Auch an der Gründung des Labels FMP im folgenden Jahr war er initiativ beteiligt. — Über die Jahre zog Peter Brötzmann immer weitere Kreise. Über örtliche, regionale, nationale Grenzen hinaus knüpfte er Netzwerke, integrierte immer wieder neue Musiker aus aller Welt mit neuen Klangideen und Improvisationsmethoden in seinen musikalischen Kosmos und entwickelte sich zu einem Weltbürger der improvisierten Musik, dessen Name in Chicago, Oslo, Tokio vielleicht noch heller leuchtete als in seinem heimischen Wuppertal. Immer wieder kreierte er neue Spielkonstellationen, vom Soloformat über Duos und Trios bis hin zu seinem Chicago Tentet und noch größeren Formationen mit unzähligen Spielpartnern und jagte den Intensitäten hinterher, die schon in seinen frühen Veröffentlichungen angelegt waren. Natürlich wurden mit den Jahren neue Tönungen seiner Projektfelder deutlich, mal radikalisierte er die freie Improvisation, mal wurde sie gesteuert, oder das Spiel mit Anklängen an vertraute Melodien oder mit Ansätzen zu Grooves erzeugte eine neue Art von kinetischer Dringlichkeit. Und gelegentlich wehte auch ein Hauch von melancholischer Beschaulichkeit durch die Musik seiner letzten Jahre, doch eines ist sie nie geworden: lau, unentschlossen und eng.

 
 

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Jazz-Saxofonist Peter Brötzmann mit 82 gestorben

23.06.2023NewsNDR KulturN.N. —   –  Details

Peter Brötzmann

Der Saxofonist und Klarinettist Peter Brötzmann ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren. Brötzmann, der auch als Komponist tätig war, hatte großen Anteil an der Entwicklung des europäischen Free Jazz. — Peter Brötzmann wurde 1941 in Remscheid geboren und begann zunächst als Neunjähriger Klarinette zu lernen. Nach der Schule absolvierte er zunächst ein Kunststudium und arbeitet als Grafiker. Nebenher spielte er in verschiedenen Bands Klarinette und Tenorsaxofon. Anfang der 1960er-Jahre sorgte Brötzmann mit seinen Alben «For Adolphe Sax» und «Machine Gun» für Aufsehen. — Pionier des Free Jazz — Ab den 1980er-Jahren hielt sich Brötzmann regelmäßig in den USA und auch in Japan auf. Er spielte in wechselnden Zusammensetzungen in Trios, aber auch in größeren Ensembles. Der Wuppertaler gilt als einer der Pioniere des Free Jazz. Nebenher fand er immer wieder Zeit, sich als Maler, Designer und Objektkünstler zu betätigen und seine Kunst auf internationalen Ausstellungen zu präsentieren. — Jazz als politisches Statement — Für Peter Brötzmann war Jazz immer auch politisch: «Wenn ich an die vielen Tausend denke, die täglich in Afrika an Aids sterben, an Israel und Palästina denke, dass kann ich nicht einfach zur Seite schieben und nette Musik machen. Das muss man verarbeiten. Deshalb ist Free Jazz nicht unbedingt eine Musik, bei der man auf dem Sofa sitzt und nur Spaß haben kann.» — Für sein Lebenswerk erhielt Brötzmann 2011 den Deutschen Jazzpreis. Seine markante Spielweise machte Peter Brötzmann zu einem der international bekanntesten deutschen Jazzmusiker.

 
 

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Peter Brötzmann war eine Urgewalt am Saxofon / Jazz-Legende gestorben

23.06.2023Tonart: ClipDeutschlandfunk KulturWolf Kampmann, Mascha Drost —   –  Details

Peter Brötzmann

Das Verb «brötzen» beschreibt im Jazz ein wildes Ausbrechen der Töne. Es leitet sich von der Spielart Peter Brötzmanns her, der nun mit 82 Jahren gestorben ist. «Er war ein Perpetuum mobile, dessen Energie nie versagte», sagt unser Musikkritiker. — Peter Brötzmann blieb sich stets treu und ließ sich nichts aufzwingen, sagt Dlf-Musikjournalist Wolf Kampmann.

 
 

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Auflösung der Gestaltungsprinzipien / Nachruf Freejazz-Pionier Peter Brötzmann

23.06.2023Newstaz onlineMaxi Broecking —   –  Details

Peter Brötzmann

Der Saxofonist Peter Brötzmann ist tot. Freejazz hat er hierzulande als eigenständige Kunstform gegen große Widerstände etabliert. Eine Verneigung. — Peter Brötzmann ist tot. Das zuletzt Befürchtete und unendlich Traurige ist eingetreten, der Initiator, kompromisslose Erneuerer und große Lyriker des europäischen Free Jazz ist – und man möchte es nicht, kann es nicht glauben – verstummt. Noch vor wenigen Tagen sagte Peter Brötzmann im Gespräch, er müsse sein Leben neu denken, da er aus gesundheitlichen Gründen absehbar nicht mehr in der Lage sei, zu spielen. — Und seine Bilder, Skulpturen, Zeichnungen und Holzschnitte seien immer in Wechselwirkung zur Musik entstanden. Das eine ohne das andere: undenkbar für den, der den freien Jazz in Deutschland und Europa, zuletzt mit seinem «Chicago Tentet» auch in den USA geprägt hat. Seine letzten Auftritte waren im November 2022 auf dem Berliner JazzFest und im Januar eine dreitägige Konzertreihe im Londoner Café Oto. — Geboren 1941 in Remscheid, spielte er als Autodidakt Klarinette und Saxofon in der Schule und in diversen Dixieland-Bands, bevor er mit 17 Jahren an die Werkkunstschule nach Wuppertal ging und in der Galerie Parnass Assistent des Fluxus-Künstlers Nam June Paik wurde. Prägend war auch die Begegnung mit dem US-Trompeter Don Cherry, der Brötzmann den Spitznamen «Machine Gun» gab, Titel seines gleichnamigen Albums von 1968, der ersten und bis heute bahnbrechendsten Aufnahme des europäischen Free Jazz.

 
 

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Der sanfte Wüterich / Peter Brötzmann gestorben

23.06.2023NewsFAZ onlineWolfgang Sander —   –  Details

Peter Brötzmann

Er kam als Quereinsteiger zum Jazz, legte die Axt an diesen und ließ neue Klänge sprießen, die er selbst als ungesetzlichen Krach bezeichnete. Dabei war Peter Brötzmann ein großer Künstler. Ein Nachruf. — Er war der lauteste, aggressivste, ätzendste, rücksichtsloseste, radikalste, avantgardistischste Jazzmusiker auf dem Kontinent. Was er machte, war – wie man es dem Titel einer Aufnahme von 1976, an der er mitwirkte, entnehmen kann: «Ungesetzlicher Krach». Bei Auftritten befand er sich immer im Ausnahmezustand. Die Schallplatte, mit der er erstmals die Öffentlichkeit schockierte, trug den Titel: «Machine Gun». Da wurde Musik aus allen Rohren gefeuert.

 

— Wer nachempfinden will, wie das damals, im Schicksalsjahr 1968, gewirkt haben mag, kann die Scheibe heute noch auflegen. Sie hat nichts von ihrer zerstörerischen Kraft gegen alle Hörgewohnheiten, Jazzkonventionen, Marktstrategien eingebüßt: ein pausenloses Gebrüll, pure Energie, massive Wände zum Einsturz bringende Frequenzen eines zum Klangtongeräuschbetonbohrer mutierten Saxophons. Peter Brötzmann hat mit seinem Instrument die Axt an den Jazz angelegt, wie wir ihn bis dahin kannten. Und siehe da, aus dem Stumpf, der übrig blieb, spross ein neuer Baum der Jazzerkenntnis. Das Four-Letter-Word «Jazz» hatte sich damit fast schon erledigt, auch wenn hartnäckige Aficionados des durchrhythmisierten Viervierteltaktes nach Konzerten von Brötzmann und Co. nach Hause eilten und trotzig ihre alten Benny-Goodman-Platten aus dem Regal holten.

 

— Nur chaotisch? Von wegen — Natürlich hat man ihm, dem Quereinsteiger aus der bildenden Kunst, die Qualifikation der rechten Improvisationskunst abgesprochen. Wer keine Changes spielen kann, vielleicht noch nie etwas von reiner Intonation gehört hat, von Swing gar nicht erst zu reden, der kann nur chaotischen Free Jazz von sich geben. Das Vorurteil, schräg spielen zu müssen, weil man nicht normal spielen könne, hat auch schon ein Gigant wie Ornette Coleman nach seinem historischen Auftritt mit einem Doppelquartett am 17. November 1959 im New Yorker Five Spot über sich ergehen und an sich abtropfen lassen müssen.

 
 

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