25.06.2023 – News – BR24 – Peter Jungblut — – Details
Igor Strelkow
Bei allem Entsetzen über die Söldner-Rebellion und Putins Passivität haben die Russen ihren Witz übrigens nicht verloren: «Gestern tauchte ein neuer auf: 2021 ist die russische Armee die zweite der Welt, 2022 die zweite in der Ukraine, 2023 die zweite in Russland.»
Aus Kreisen der russischen Ultrapatrioten wird der Präsident gedrängt, sein Amt «legal» abzugeben, falls er unwillig sei, die Verantwortung für den Krieg zu übernehmen. Das System sei «teilweise dysfunktional», sagen Propagandisten. — «Das gesamte derzeitige System basiert auf der Verantwortungslosigkeit der Eliten; Wenn der Präsident nicht bereit ist, die Verantwortung für den Krieg zu übernehmen, muss er seine Befugnisse legal übertragen», heißt es in einem Appell des bekannten russischen Ultrapatrioten Igor Strelkow, der seine Leute einen Tag nach der Rebellion in Moskau zu einer Tagung zusammengerufen hatte. Strelkow gründete den «Club der zornigen Patrioten» und kritisiert Putin seit langem öffentlich – und ungestraft. Doch eine derart unverhohlene Rücktrittsforderung ist so ungewöhnlich, dass darüber auch internationale Medien wie die «Moscow Times» berichteten. «Putin und andere Vertreter der Eliten zeigen kein Verständnis dafür, dass der Krieg bis zum Sieg geführt werden muss», heißt es weiter in dem Aufruf. Strelkow und seine Anhänger fordern die Einführung des Kriegsrechts in ganz Russland. — «Diktatoren fürchten Alternativen» — Auch einige Blogger wie Politologe Maxim Scharow trauten sich bereits vorsichtig, nach der Rebellion die Frage nach Putins persönlicher Zukunft auf die Tagesordnung zu setzen: «Die Hauptfrage, die alle interessiert und die der Kreml in naher Zukunft irgendwie beantworten muss, lautet: ›Wie war das möglich?› Wenn es auf diese Frage keine Antwort gibt und im Rahmen der üblichen Manipulationen alles so bleibt, wie es ist, dann besteht die Versuchung, nicht nur das ›Problem 2024› [die kommende russische Präsidentenwahl] anzugehen und einige der momentanen persönlichen und beruflichen Probleme zu lösen, dann wird die Frage auch in vielen Teilen der Elite ventiliert werden.»
Ähnlich formulierte ein weiterer Blogger: «Dem Putin-Regime und dem Staat insgesamt wurde ein schwerer Schlag versetzt. Natürlich hätte es noch viel schlimmer kommen können, wenn in der Region Moskau Feindseligkeiten ausgebrochen wären, aber schon das, was passiert ist, reicht aus, um die Frage einer Wiederwahl Putins für eine weitere Amtszeit aufzuwerfen.» Solche Meinungsäußerungen auf vergleichsweise kleinen und kleinsten Blogs bekommen deshalb große Aufmerksamkeit, weil sie von den einflussreichen Nachrichten-Plattformen mit vielen Hunderttausend Followern weiterverbreitet werden. — Bei allem Entsetzen über die Söldner-Rebellion und Putins Passivität haben die Russen ihren Witz übrigens nicht verloren: «Gestern tauchte ein neuer auf: 2021 ist die russische Armee die zweite der Welt, 2022 die zweite in der Ukraine, 2023 die zweite in Russland.»
Russland-Experte Stephen Kotkin sagte in einem langen Interview mit dem US-Fachblatt «Foreign Affairs», Putin habe durch den erfolglosen Krieg seinen «Nimbus» verloren: «Es gibt eine Sache, die alle Diktatoren zu Recht fürchten: eine Alternative. Und Putin hat schockierender Weise zugelassen, dass Alternativen Gestalt annehmen, nachdem er jahrelang unermüdlich Alternativen unterdrückt und unbedeutende Figuren in seinem inneren Kreis begünstigt hat, um sicherzustellen, dass ihm niemand gefährlich werden kann.»
«Schauen Sie sich Prigoschins Sprachrhythmus an» — Prigoschin sei durchaus ein möglicher Kandidat, so Kotkin, schließlich komme er anders als der Präsident aus einer Intellektuellen-Familie. Seine Mutter Violetta habe ja Galerien eröffnet («Colours of Life»): «Er spricht besser Russisch als Putin. In Bezug auf die soziale Klasse liegt er tatsächlich eine Stufe über Putin. Prigoschins künstlerische Ader wird in seinen Videos sichtbar. Er kann zwar nicht eins und eins zusammenzählen, in Mathematik ist er schwach, was seine Videos auch beweisen. Aber schauen Sie sich sein prägnantes und pointiertes Vokabular an, seinen Sprachrhythmus, seine Fähigkeit, die Rolle des harten Kerls zu spielen, des aufrichtigen russischen Patrioten, des Wahrsagers, der die Opportunisten, Idioten und Diebe anprangert, die Putin eingesetzt hat.»
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