Trotz Protesten will der Bayerische Rundfunk die Kultursendungen absetzen – und beruft sich auf die Jugend. Dabei schwören auch junge Intellektuelle aufs Radio. (…) Es ist noch nicht abzusehen, wie viele Sendeminuten künftig nur verlagert oder doch gekürzt werden. Laut einer internen BR-Präsentation aus dem Juni («Entwurf für ein künftiges Bayern 2-Schema»), die ZEIT ONLINE vorliegt, will man alle zehn Kulturprogramme (KulturWelt, KulturLeben, Kulturjournal, Nachtstudio, Diwan, radioTexte, Jazz & Politik, Nachtmix, Weltempfänger und Filmkultur) von ihren bisherigen Terminen streichen. Sie würden ersetzt durch eine werktägliche Sendestrecke von 14 bis 16 Uhr. Diese zwei Stunden sollen sich Einzelbeiträge aus der Kultur und dem Themenbereich Wissen teilen. Für die Kritiker der Reform ist das kein gleichwertiger Ersatz für all die bisherigen Inhalte aus den Bereichen Literatur, Musik und Film. Verschont bleiben laut dem Entwurf derweil die Sendungen zu Reise- oder Heimatthemen (Breitengrad, radioReisen, Heimatspiegel). Der BR teilte auf Nachfrage mit, das Dokument bilde nicht den «aktuellen Stand» ab.
Das Programmschema wird in den kommenden Wochen weiter ausgearbeitet, am Donnerstag beriet sich der Programmausschuss des BR hinter verschlossenen Türen.
Tristan Brusch ist ein hoffnungsloser Romantiker und ein Mensch, der die Abgründe des Lebens kennt. Er mag es dramatisch, aber ohne zu überziehen, eine hohe Kunst, die nur wenige deutsche Songwriter beherrschen. Jaques Brel, Scott Walker, Serge Gainsbourg oder auch Mark Kozelek haben das Songwriting von Tristan Brusch maßgeblich beeinflusst. Er komponiert seine Songs ganz schlicht auf der Akustikgitarre und diese Demos bilden dann das Grundgerüst für die spätere Produktion. — Wo dann auch Platz für Streicher, Saxophon, Bassklarinette und vieles mehr ist. Auf dem Trennungsalbum “Am Wahn”, das im März 2023 erschienen ist, stehen melancholische, sehr poetische Balladen im Fokus. Aufgenommen hier in Berlin ist “Am Wahn” eine Liebeseerklärung an den Pop mit großer Geste! Die radioeins Hörerinnen und Hörer wählten den Titel “Baggersee” zum Song des Jahres 2023 und die Soundcheck Jury geht noch einen Schritt weiter und hat nun “Am Wahn” und Tristan Brusch den Soundcheck Award für das “Beste Album des Jahres” verliehen. Ende September erschien noch ein zweites Album von Tristan Brusch. “Woyzek” ist eine Auftragsarbeit für das Berliner Ensemble, für das Tristan Brusch die gesamte Musik komponierte und auch ein paar eigene Texte beisteuerte. Er tritt damit in die Fußstapfen von Tom Waits & Kathleen Brennan, die für Robert Wilsons Adaption des Büchner Dramas die Musik geliefert hatten. “Woyzek” ist parallel zur Uraufführung am Berliner Ensemble erschienen.
Charles Lindbergh war der erste Held des Rundfunkzeitalters. Die Berichte über seinen Flug haben ihn zum berühmtesten Menschen seiner Zeit gemacht.
Zwei Jahre später, 1929, präsentieren Brecht, Hauptmann, Weill und Hindemith im Süddeutschen Rundfunk in Baden-Baden die RadiokompositionLindbergh. Brecht stellt schon hier die einseitige Beziehung zwischen Sender und Publikum zur Debatte. In einer zweiten Fassung darf jeder der Fieger sein. Wer will, kann von zu Hause aus mitsingen und deklamieren. Zu Ende ist die Geschichte des radiophonen Flugs damit aber noch lange nicht.
1983 gegründet, bildeten die Kölner «MusikTexte» das gute wie schlechte Gewissen der Neuen Musik – bis 2023. Mit dem Tod der Gründungsherausgeberin und Blattmacherin Gisela Gronemeyer kam nun das Ende der «MusikTexte», jedenfalls in Papierform. — In der Szene der Neuen Musik war die Gladbacher Straße 23 in Köln eine zentrale Adresse. Seit 1985 lebte hier das Musikpublizisten-Paar Reinhard Oehlschlägel (1936-2014) und Gisela Gronemeyer (1954-2023) und gestaltete hier das zwei Jahre zuvor als Selbsthilfe initiierte Projekt «MusikTexte», eine Zeitschrift für Neue Musik, die viermal im Jahr über allerlei Aktivitäten des internationalen Betriebs informierte und diese auch kritisch diskutierte. Später erweiterten die beiden das Non-Profit-Unternehmen und gaben etliche Bücher heraus, vornehmlich Schriften und Gespräche von Komponisten, darunter Morton Feldman, Giacinto Scelsi oder Peter Ablinger. — Die Konstante für alle «MusikTexte»-Belange war Gisela Gronemeyer, die sich als Musikjournalistin besonders auch für Musik von Komponistinnen engagierte – im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie in den Printmedien. Überdies war sie Expertin für die zeitgenössische Musik Skandinaviens und beider Amerika. Am 9. April 2023 ist Gisela Gronemeyer im Alter von 68 Jahren gestorben.
Mitten ins Ohr (2/10) — Wenn sie im Radio zu hören waren, blieb nichts als hinzuhören. Eindringlich waren sie: ob samten, rauh, mit rollendem R, melancholisch warm oder heiser – diese Stimmen prägten das Radio. Sie kamen aus dem Feature und aus dem Feuilleton, aus dem Jazz, dem Jugend- und dem Frauenfunk und sie kommentierten das Zeitgeschehen. Heute erinnert Michaela Gericke an Josef Pelz von Felinau. Er war Verfasser des Romans «Titanic – Die Tragödie eines Ozeanriesen». Und er war vor allem: Sprecher eigener Sendungen im Hörfunk. — «Hier in Berlin begann dann das, was man im Allgemeinen das Glück zu nennen pflegt – der Rundfunk.»
Und zwar im Vox-Haus an der Potsdamer Straße, wo die Vox-Grammophon-Gesellschaft eine kleine Dachkammer zur Verfügung stellte für das erste deutsche Hörfunkprogramm – die «Funk-Stunde». Und hier produzierte Josef Pelz von Felinau in den 20er Jahren mit der Hörfunklegende Alfred Braun sein erstes Hörspiel: Szenen aus dem Untergang der Titanic. Am 29. Oktober 1956 – also am 33. Geburtstag des Radios – beschrieb er das im Sender Freies Berlin so:
«… der Ozean war eine Badewanne, der Sturm waren ein paar Ruten, die durch die Luft gepeitscht wurden und das Publikum des Schiffes Titanic, die um Hilfe rufenden, brüllenden, tobenden, in Angst befindlichen Menschen, mussten natürlich dargestellt werden. Wie machte man das? Man verteilte etwa 150 Personen in den vier Treppengängen des Funkhauses. Dann bekam jeder ein Zeitungsblatt in die Hand – ein Wirtschaftsbericht, ein politischer Artikel – ganz egal! Den musste er laut und aufgeregt lesen, es musste eine Gott weiß dramatische Stimmung beinhalten!»
Geschichte der Titanic als Lebensaufgabe — Ob das alles so stimmte, können wir nicht mehr nachweisen, denn im Rundfunkarchiv ist diese erste Version nicht auffindbar und gelegentlich galt der Radiopionier als Phantast. — Josef Pelz von Felinau, geboren 1895 in St. Pölten, Österreich, war Schriftsteller, Schauspieler, Drehbuch- und Hörspielautor. Er hatte sich zuvor bei der Marine ausbilden lassen und besuchte als Musik-affiner Mensch das Konservatorium in Wien. In Berlin stand er als Kabarettist mit Kurt Tucholsky und Erich Kästner auf der Bühne. Die Geschichte der Titanic wurde zu einer Lebensaufgabe. Seinen Bestseller-Roman über die Tragödie des Ozeanriesen schrieb er mehrmals fürs Radio um. Die Legende aus seinem Vorwort, dass er selbst Zeuge des Untergangs der Titanic war, hielt sich lange, was er allerdings nachträglich mehrmals korrigierte.
Die IWMF hat Roshchyna letztes Jahr mit dem Courage in Journalism Award ausgezeichnet. Roshchyna sagte über die Berichterstattung über Russlands Invasion in der Ukraine: «Ich betrachte es nicht als Mut, sondern eher als meine berufliche Pflicht.»
— Victoria Roshchyna, eine freiberufliche ukrainische Journalistin, wird vermisst, seit sie vor zwei Monaten eine Reportagereise in das von Russland besetzte Gebiet in der Ukraine unternommen hat, was bei Familienangehörigen, Kollegen und Befürwortern Bedenken geweckt hat, dass Russland sie gefangen halten könnte. — Zuletzt wurde Roshchyna am 3. August gehört, wie die International Women›s Media Foundation mitteilte, die in einer Erklärung erklärte, sie sei «äußerst besorgt um ihre Sicherheit». — Elisa Lees Muñoz, die Geschäftsführerin der IWMF, sagte in einem Telefoninterview, dass Roshchynas Kollegen – andere Journalisten, die über den Krieg berichteten – wachsende Besorgnis über das Verschwinden geäußert hätten.
«Dass sie damit an die Öffentlichkeit gegangen sind, zeugt wirklich von ihrer Verzweiflung», sagte sie, da es von den Entführern der vermissten Person manchmal «als Provokation angesehen werden kann», auf einen solchen Fall aufmerksam zu machen.
Man möchte meinen, eines Tages wäre am Klavier alles gesagt und gewagt. Aber das einstige Schlachtross der bürgerlichen Salonkultur hat im Jazz mehr Standing denn je. Mit Musik von Harold López-Nussa, Alfredo Rodríguez, David Virelles, David Helbock u.a.. — Ein bisschen stolz war er schon, als er gefragt wurde, ob er für Blue Note aufnehmen wolle. Seit diesem Jahr ist Harold López-Nussa Teil der renommierten Jazzlabel-Familie und er stellt sich mit einem Album vor, das sein Trio mit einem neuen Partner zusammenführt, dem Schweizer Mundharmonikaspieler Grégoire Maret. Auch der zweite wichtige Pianist des kubanischen Milleniums-Jazz Alfredo Rodríguez präsentiert neue Songs, mit US-amerikanischem Team und etwas Fusion im Stammbaum. Es sind zwei internationale Beispiele für Klavieralben dieses Jazzherbstes, zu denen sich europäische Kollegen von David Helbock bis Helge Lien gesellen, die wiederum deutlich klangverschiedene Angebote machen. Schöne neue Musik aus der Tastenwelt in der Kommunikation der Kontinente.
Er galt als Wunderkind. Schon als Jugendlicher gab er Konzerte und schlug das Publikum mit brillanter Technik in den Bann. Der 1989 in New York gestorbene Pianist gilt als einer der bedeutendsten Klaviervirtuosen des 20. Jahrhunderts. — 1903 im ukrainischen Berditchew, seinerzeit Teil des russischen Zarenreichs geboren, wurde Vladimir in einer musikalischen jüdischen Familie groß. Die russische Revolution stürzte die wohlhabende Familie Gorowitz in den Ruin, weshalb er mit schon 17 sein Klavierstudium beendete und begann, Konzerte zu geben. 1926 gibt er unter dem Namen Horowitz sein Debüt in Berlin. In Hamburg springt er – ohne Probe – für eine erkrankte Pianistin ein und erlebt mit einem Tschaikowsky-Konzert seinen Durchbruch. «Am Ende lag der Flügel wie ein erstochener Drache auf dem Podium», schreibt sein Freund Abram Chasins. Danach geht es in Paris und ganz Europa weiter mit der Karriere, ab 1928 auch in Amerika. — Das Publikum ist hingerissen, Musiker und Kritiker staunen: über seine unglaubliche Fingerakrobatik, den ganz neuen Klavierklang, die Intensität seines Spiels. Über die ungewöhnliche Art, mit gestreckten Fingern zu spielen. 1933 heiratet er Toscaninis Tochter Wanda, mit seinem Schwiegervater Arturo Toscanini und den New Yorker Philharmonikern gibt er fulminante Konzerte. Kurz nach Kriegsbeginn zieht er für immer nach New York. — Was aber hat es mit seinen legendären Auftrittspausen auf sich – die längste zwölf Jahre lang, von 1953 bis 63? Mit seinen Nervenkrisen, Bühnenängsten, homosexuellen Neigungen? — In diesem Radiofeature von Renate Maurer ist der Maestro selbst ist in amerikanischen Interviewausschnitten zu hören, ebenso der verstorbene Musikkritiker Joachim Kaiser. Maurer hat Lea Singer zum Gespräch getroffen und die Musikkritikerin Eleonore Büning. Der amerikanische Pianist, Dozent und Radiojournalist David Dubal erzählt von seinen «Evenings with Horowitz» in dessen New Yorker Wohnung in den 1980er Jahren.
Jazz und httpFunk gab es vor der deutschen Wiedervereinigung auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs, in BRD und DDR, unter sehr unterschiedlichen Schaffensbedingungen und mit gelegentlichen Berührungspunkten und gegenseitigen Konzertbesuchen. — Ein Fokuspunkt der Begegnungen im Bereich von Free Jazz und freier Improvisation war die Jazzwerkstatt, zwischen 1973 und 1982 eine Konzertreihe und Festival im kleinen Dorf Peitz in der Lausitz. Obwohl behördlich unerwünscht, standen hier auch BRD- und DDR-Musiker gemeinsam auf der Bühne, etwa der Dresdner Schlagzeuger Günter «Baby» Sommer und der Wuppertaler Bassist Peter Kowald. Mit dem vergleichsweise großzügigen Umgang mit den Jazzmusikern band der SED-Staat in den 1980er Jahren die widerständigen Potentiale, die noch wenige Jahre zuvor zur Ausbürgerung einiger der bekanntesten Künstlerinnen und Künstler geführt hat, etwa des Schauspielers und Jazzsängers Manfred Krug. Auch aus seinen zu DDR-Zeiten aufgenommenen Platten werden in dieser Sendung Stücke zu hören sein, eleganter orchestraler Jazzfunk, geschrieben und arrangiert von Günther Fischer, der auch für die Sängerin Uschi Brüning originelle Stücke geschaffen hat.
Neue Musik auf der Couch. Das Streichquartett «Terra Memoria» (2006)
Mit der finnischen Komponistin Kaija Saariaho ist im Juni 2023 nicht nur eine der erfolgreichsten Komponist:innen, sondern überhaupt eine der höchst geschätzten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Musikwelt verstorben. In einer Umfrage des BBC Music Magazine im Jahr 2019, durchgeführt unter 174 Komponist:innen, wurde sie auf den ersten Platz gewählt, als «greatest living composer». — Ihr Streichquartett «Terra Memoria» (2006) ist jenen gewidmet, die uns verlassen haben: «for those departed». Der Titel vereint zwei Begriffe, die reich sind an Assoziationen: «Erde und Erinnerung. Erde bezieht sich hier auf mein Material, und Erinnerung auf die Art und Weise, wie ich es bearbeite.»
Thomas Wally, neben seiner Tätigkeit als freischaffender Komponist und Violinist auch an der Wiener Musikuniversität als Senior Lecturer in musiktheoretischen Fächern aktiv, betrachtet «Terra Memoria» von Saariaho aus (hör)analytischer Perspektive: Was hören wir, wenn wir dieses Werk hören? Worauf können wir achten? Was sind Besonderheiten, denen wir Aufmerksamkeit schenken sollten? Den Hörer:innen werden analytische Tools bereitgestellt, mit deren Hilfe diese Musik mit einem geschärften Fokus wahrgenommen werden kann.
Die viertägige Feuerpause kommt der Terrororganisation wie gerufen, um ihre Truppen neu aufzustellen. Sie ist ohnehin im taktischen Vorteil. — Nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober ist die Lage inzwischen klar. Israel muss den seit knapp sieben Wochen laufenden Gaza-Krieg militärisch gewinnen, die Hamas vollständig zerschlagen, sie für immer als militärische und politische Kraft ausschalten. Die palästinensische Terrorgruppe hat es da vergleichsweise leichter. Sie braucht lediglich einen politischen Sieg, der zu einer Fortsetzung des ewigen Status quo im Gazastreifen führt: Die Waffen werden irgendwann unter dem internationalen Druck schweigen. Israels Armee und die Militanten werden sich erneut über einige Jahre gegenseitig belauern. Die Hamas wird dabei wie zwischen den früheren Kriegen Terroranschläge planen und sich für den nächsten großen Waffengang rüsten. Dann folgt eine neue grausige Runde mit unendlichem Leid, mit Tod und Zerstörung – noch härter und noch blutiger.
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