12.10.2023 – open: Multitrack – WDR 3 – Ilka Geyer — – Details
Carl 666 Gustaf
Neues aus abenteuerlichen Gefilden — Ah! Kosmos und Hainbach surfen auf «Blasts of Sirens». Carl 666 Gustaf improvisieren, als hätte sie der Teufel geritten. Markus Floats entdeckt mit seinem «Fourth Album» den Wert von Gemeinschaft. Und Simon Kirby verschränkt Geographie und Gedächtnis
— Ah! Kosmos ist Künstlername von Basak Günak, die für zeitgenössischen Tanz, Theater und Film komponiert, aber auch auf Festivals wie z.B. dem ctm in Berlin oder dem Sonar in Barcelona performt. Hainbach nennt sich Stefan Goetsch, der sich auf elektro-akustische Komposition spezialisiert hat und seit 2017 einen immensen output an solo-Veröffentlichungen hat. Und dazu noch einen sehr erfolgreichen Youtube Channel für experimentelle Musik, über den er verschiedene Hacks und Techniken für weirde Klangerzeugung teilt. 180000 Abonnenten. 16 Millionen views. — Was sicher zur Zusammenarbeit für ein gemeinsames Album beigetragen hat, ist, dass beide ein Faible für das Medium Tape haben, vor allem für die verfremdenden Effekte. Und das Rumspielen an Klang-erzeugenden Maschinen, die gerne auch Test- und Messgeräte sein können. Aus fachsimpelnden Treffen bei Kaffee wurden gemeinsame Studio Sessions und sogar ein Ausflug in die Willem Twee Studios in den Niederlanden, wo sie diverses Equipment genutzt und aufgenommen haben – u.a. einen legendären ARP 2500 Synthesizer. «Blast of Sirens» erscheint am 20. Oktober bei FUU Records. — Keyboarder Carl Westholm und Bassist Gustaf Hielm sind zwei zentrale Akteure der schwedischen Doom-Metal und Prog Rock Szene. Für ihr gemeinsames Album «Claim» sind Keys und Bass aber in den Hintergrund gerückt. Und Metal und Prog war hier auch nicht Horizont – oder wenn, dann nur ein bisschen, weil artverwandt. Für Cover und Sound steht vielmehr der Begriff Industrial. Und geschraubt wurde an Synthies und Maschinen. Ohne vorherigen Plan. Die 7 tracks auf dem Album sind improvisierte Ungetüme – vielleicht deswegen die 666 im Namen Carl 666 Gustaf. Als hätte sie der Teufel geritten – oder als hätten sie ihn zumindest in ihre Mitte eingeladen. Aber auch der Teufel hat eine zarte Seite. Für Markus Lake war sein Projekt Markus Floats lange ein Solo-Projekt. Bis zum wortwörtlichen «Fourth Album», auf dem es seiner Aussage nach darum geht, andere einzuladen und/oder um Hilfe zu bitten. Und um etwas, was immer damit einher geht, wenn man sich in Gesellschaft begibt: Zu vertrauen und ab einem bestimmten Punkt loszulassen. — Das heißt aber nicht, dass sein signature-Sound, also elektronische Elemente, deren Arrangement inspiriert ist von Minimal Music, Musique Concrète und Free Jazz, auf dem neuen Album fehlt. Auf «Fourth Album» gibt es auch wieder kaskadenhafte Arpeggien, Klangfarben-Modulationen und minimale harmonische Verschiebungen zwischen Konsonanz und Dissonanz. Aber ergänzt durch Interventionen vom Egyptian Cotton Arkestra – einer dreiköpfigen Combo, mit der Markus Lake schon seit einigen Jahren auf Bühnen steht. Dieses Joint Venture mit Violinistin Ari Swan, James Goddard an Mbira und Saxophon und Lucas Huang an Gitarre und Schlagzeug schiebt die Ästhetik von «Fourth Album» noch weiter in Richtung Free Jazz. Am Ende verrät es: Gemeinschaft rockt – hier nicht musikalisch gemeint!
Simon Kirby ist Wissenschaftler, aber auch als Künstler und Musiker aktiv. Und auf allen Feldern stellt er im Grunde die gleiche Frage: Wie hat sich die menschliche Sprache entwickelt? Und was ist es eigentlich, das uns zum Menschen macht? Sein kommendes Album ist allerdings sehr persönlich – inspiriert von einer emotional bedeutsamen Reise über verschiedene Kontinente, die vom Krieg in der Ukraine beeinträchtigt wurde. Eindrücke von dieser Reise verbindet er mit einem wichtigen Platz seiner Kindheit an der Westküste von Schottland. Daher auch der Titel «At Rahoy, The Early Light». Rahoy ist ein Ort an eben dieser Küste. Auf dem Album veröffentlicht Kirby zwei lange Stücke. Ein Live Mitschnitt von einer Solo Performance. Und ein Stück, das Kirby zusammen mit Andrew Ostler eingespielt an Bariton Horn und Trompete. Kirby spielt auf Synthesizer Modulen, die mathematisch perfekte, in ihrer Anmutung aber ordentlich wabbelnde Drones in reiner Stimmung erzeugen. Dazu mischt er field recordings, z.B. Aufnahmen von raschelndem Backpapier, das – zwei Oktaven runtergepitcht – den Sound von schmelzenden Eisbergen imitiert. — Last but not least: Das binaural produzierte Album von Sound- und Multimedia Künstler Peter Kutin. 2019 hat Kutin den Prix Ars Electronica für Digital Music & Sound Art verliehen bekommen und liefert jetzt mit «The Slowest Urgency» eine auf pure audio gestrickte Fassung einiger Stücke, die er ursprünglich für ortsspezifische Performances von Choreograph Philipp Gehmacher komponiert hat. Die vier Stücke auf dem Album basieren auf Mitschnitten, die vor Ort mit binauraler Mikrofonierungstechnik gemacht worden sind. Sie hat Kutin im Nachhinein miteinander verschränkt und bearbeitet. Kutin›s Anspruch war, die Räumlichkeit der Choreographien und die wesentlichen kompositorischen Parameter möglichst originalgetreu zu arrangieren bzw. zu platzieren und den Hörenden ein authentisches und eindringliches Erlebnis zu ermöglichen.
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