01.11.2023 – News – Berliner Zeitung – Harry Nutt — – Details
Bob Dylan
Über den opulenten Band «Mixing Up The Medicine» findet man materialreich Zugang zum schier unerschöpflichen Archiv über den Musiker und Nobelpreisträger Dylan. — Wie der «Tambourine Man» in sein dichterisches Universum gelangte, führte Bob Dylan auf den Studiomusiker Bruce Langhorn zurück. Der hatte bereits auf einigen Alben Dylans als Gitarrist mitgewirkt, ehe ihn der Produzent Tom Wilson bat, bei einem Stück das Tamburin zu schlagen. Popmythologie, die Geschichte hinter den Songs. Auch wenn es sich vielleicht ganz anders zugetragen haben mag, erzählt und hört man solche Dinge gern. Der Künstler und seine Assoziationen, eine unendliche Geschichte. — Das Leben und Werk Bob Dylans sind nicht gerade arm an Legenden, und zweifellos ist es seit Jahren Ergebnis einer opulenten Marketingstrategie, dass immer noch mehr Dylan-Media in den Ring geworfen werden. Die Gemeinschaft derer, die von Dylan und seinen Hervorbringungen nicht lassen können, ist ebenso groß wie zahlungskräftig. In den regelmäßig erscheinenden Bootleg-Serien, von denen gerade Nummer 18 aus den späten 70er-Jahren veröffentlicht worden ist, finden sich mehrere CDs, auf denen einzelne Songs in diversen Variationen, Stilfärbungen und Tempi sowie unterschiedlichen Instrumentierungen in Gestalt einer besonderen Versuchsanordnung präsentiert werden. — Der geneigte Hörer wird förmlich in ein imaginäres Studio hineingezogen und wohnt dem kreativen Prozess im Augenblick seiner Entstehung samt Unterbrechungen bei. Bob Dylan hat das schon früh so gemacht. Auf dem Album «Bringing It All Back Home» von 1965 beginnt er «Bob Dylan›s 115th Dream» im falschen Tempo, fängt an zu lachen und startet nach kurzem Gespräch mit Tom Wilson noch einmal neu. Die Szene ist seither der Klassiker für die ungeschönte Abbildung eines Aufnahmeprozesses, eine Art Transparenzhinweis, Authentizität gleich hier und jetzt.
Bob-Dylan-Buch «Mixing Up The Medicine»: Das Tamburin zum Song — Auf «Bringing It All Back Home» befindet sich auch «Mr. Tambourine Man», das zu der Zeit schon eine Weile zu Dylans Songrepertoire gehörte, für die Platzierung auf einer Studio-LP aber in einer Warteschleife hängen geblieben war. Echt jetzt? Noch mehr unnützes Wissen aus der Dylan-Welt, wann und wie es zu dem wurde, für was viele es halten – eine Art Never-Ending-Making-off?
Bob-Dylan-Buch «Mixing Up The Medicine»: Dieser Zug zum «lottering» — Es ist eine weitgehend affirmative Beschreibung, zu der zusätzlich Kartons voller «odds and ends» über Bob Dylan ausgeschüttet werden. Trotz einiger Fotos, die ihn innig tuschelnd mit James Baldwin zeigen, springt gerade in der kürzlich erschienenen Sammlung «Die Philosophie des modernen Songs» ins Auge, wie marginal darin die Arbeit schwarzer Musiker ist. — Trefflich ist «Mixing Up The Medicine» denn auch mit einer Zeile des Schriftstellers Michael Ondaatje beschrieben, der einen kleinen Essay zugeliefert hat. «Und er trägt diesen bedeutenden künstlerischen Zug zum lottering, zum Herumhängen in sich – eine Eigenschaft, die wir auch in Kutz Schwitters grandiosen Collagen und Robert Franks Fotos finden.» Ondaatjes Lob des «lotterings» mündet schließlich in einer Ode und Variation zu Dylans Song über den schwarzen Bluesmusiker Willie McTell. «Eigentlich», so Ondaatje, «müsste ,Blind Willie McTell‹ – wie mein Freund, der Dichter D.C. Wright immer fand – die amerikanische Nationalhymne sein.» —
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