11.08.2022 – News – Tagesspiegel – Benjamin Reuter — – Details
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Dmytro Marchenko
Wann die vor vier Wochen groß angekündigte Offensive der Ukraine in Cherson beginnt, ist immer noch unklar. Der ukrainische General Dmytro Marchenko hat jetzt in einem Interview (Quelle hier) durchblicken lassen, wann es losgehen könnte und wie die Ukraine derzeit die Vorbereitungen organisiert — 1. Die Truppen, die Russland aktuell in der Südukraine zusammenzieht, sieht Marchenko nicht als Hindernis für einen Erfolg der Offensive. Er hält die eigene Artillerie für stark genug, um auch die neuen Verbände auszuschalten. Allein zehn Munitionsdepots und Kommandoposten der Russen seien in der vergangenen Woche zerstört worden. — — 2. Das ukrainische Militär hat derzeit keine Angaben dazu, wie viele russische Truppen genau im Süden sind. Schätzungen gehen von 25 Batallionen aus, was bei voller Stärke rund 20.000 Mann entsprechen würde. — — 3. Auch über die genauen Pläne der Russen sei nichts bekannt. Marchenko rechnet mit zwei lokalen Offensiven. Ziel könnte die Einnahme der Stadt Mykolajiw sein, die rund 100 Straßenkilometer nordwestlich von Cherson liegt und vor dem Krieg rund eine halbe Million Einwohner hatte. — — 4. Alle Brücken über den Dnepr seien aktuell für das russische Militär unpassierbar, bis auf den Übergang bei einem großen Damm. Der könne nicht so einfach beschossen werden wegen der Gefahr eines Dammbruchs. Sobald aber dieser Übergang unpassierbar sei und die Russen keinen Nachschub mehr über den Dnepr schaffen könnten, würde die Offensive auf Cherson beginnen. Auf ein genaues Datum oder einen Zeitraum wollte sich der General aber nicht festlegen. Wichtig sei auch, dass genug westliche Waffen zur Verfügung stünden. — — 5. An die Bewohner der Stadt Cherson gerichtet sagt er: «Ich möchte den Menschen sagen, dass sie sich noch eine Weile gedulden sollen. Es wird nicht so lange dauern, wie alle erwarten. Es wird schnell gehen. Lasst sie noch ein wenig ausharren. Sie werden bald alles sehen und hören.
— 6. Ein für Moskau erfolgreiches Referendum, das einen Anschluss an Russland nach sich zieht, hält Marchenko für ausgeschlossen. Auch der russische Geheimdienst wisse, dass ein «Krim-Szenario» in der Südukraine nicht funktionieren wird. — — 7. Ziel des ukrainischen Militärs sei es, sagt Marchenko, bis Ende des Jahres die aktive Phase des Krieges beendet zu haben. Danach würde es nur noch lokale Kämpfe geben. Was genau das bedeutet, erklärt er nicht. — — Bei der vielleicht wichtigsten Frage, der nach dem Ende des Krieges, hat der General genauere Vorstellungen. Einen Verhandlungsfrieden mit Moskau hält er nach den Gräueln von Butcha und Irpin für unmöglich. Ziel sei es, die ganze Ukraine militärisch zu befreien. Im Frühjahr 2023, sagt er, vorausgesetzt genug westliche Waffen würden geliefert, «werden wir den Sieg feiern können».
SK-