Das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke mit Chaya Czernowins «The Fabrication of Light» — Ein Musikstück als zyklisch verlaufende Zeremonie. Und zugleich als Maschinenbau, dem wir lauschen. Dreimal ertönt eine Elegie, welche die Ausbreitung der Dunkelheit beklagen mag. Viermal verlaufen die konstruktiven Spiralen, die jenen Apparat in Gang setzen sollen, der das Licht erzeugt. Aber wie klingt Licht? «Das Werk ist eine aktive Meditation über unser Bedürfnis, Licht in unser Leben zu bringen, und über unseren Glauben daran, dass unsere Bemühungen diesen Wunsch erfüllen können»: So äußert sich die Komponistin Chaya Czernowin selbst über ihre rund einstündige Komposition «The Fabrication of Light», uraufgeführt im Oktober 2020 in der Kölner Philharmonie beim Festival Acht Brücken Musik für Köln. «Es ist kein Stück, es ist ein Schöpfungsprozess, der beim Zuhören stattfindet, sozusagen vor unseren Ohren. Etwas ist im Werden. Es wird nicht sofort und was es werden soll, ist auch ein Teil der Suche.»
Am 10. Februar hat das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke u.a. mit «The Fabrication of Light» an der Harvard University (Cambridge, USA) reüssiert, bei seinem Debüt im dortigen Sanders Theatre: Am Department of Music dieser Ivy-League-Universität bekleidet Chaya Czernowin seit 2009 die Walter-Bigelow-Rosen-Professur. Einen guten Monat später präsentierte das erfolgreiche Gespann das Werk nun als österreichische Erstaufführung auch im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses. Übrigens: Ursprünglich war für diesen Abend am 13. März 2023 im «Bruch.Punkt» betitelten Konzertzyklus 2022/23 des Klangforums eine Novität von Emilio Pomàrico geplant, seit vielen Jahren ein ebenso treuer wie prägender Weggefährte und Dirigent des Ensembles. Die außerordentlichen Anforderungen dieses maßgeschneiderten Werks sprengten jedoch den ohnehin schon dicht gedrängten Arbeitskalender, weshalb die Uraufführung auf nächste Saison verschoben wurde. (Aufgenommen im Wiener Konzerthaus am 13. März 2023)
Am Tag nach dem Tag der Arbeit, an dem die Arbeit gefeiert wird, fragen wir: Wer arbeitet im Pop und wer verdient das Geld? Wer verdient, wenn wir keinen Unterschied mehr erkennen zwischen KI und «human music»? (Womit) Haben wir das verdient? — Kann Pop überleben? Fragt der ehrwürdige und popkompetente Guardian und droht: Bald werden wir keinen Unterschied mehr erkennen zwischen KI und «human music». Im Ernst? Und so what? Ist das das Comeback der retrogressiven Rede von der «handgemachten Musik»? Ist es nicht auch handgemachte Musik, wenn der Kraftwerker den Taschenrechner in der Hand hält, aus dem die Musik kommt? Morgen würde der Hardest Working Man in Showbiz 90 Jahre alt. James Browns meistgesampleter «Song» ist ein Schlagzeugsolo namens «Funky Drummer». Browns Funky Drummer Clyde Stubblefield wäre als Millionär gestorben, hätte er für seinen «Funky Drummer» auch nur einen Bruchteil des Geldes bekommen, das er, ähem, verdient hätte. Die kulturpessimistische bis apokalyptische Moral Panic rund um die KI wirft Fragen nach dem Arbeitsbegriff auf. Dass Hexenwerktechnologien wie Synthesizer, Rhythmuscomputer, Sampling, Remix, Autotune usw. das Verhältnis von Mensch & Maschine permanent verändern/verändert haben und damit auch Ökonomie & Ethik der Pop-Musik, kommt in den KI-Weltuntergangsgesängen zu kurz. Hey Boss, ich brauch› mehr Geld!
Beat, Groove und Puls bestimmen WDR 3 Jazz heute: Neue Veröffentlichungen aus der Welt des Schlagzeugs. Drummer als Bandleader oder auf Soloexperimenten, vom Norweger Audun Kleive über den US-Amerikaner Devin Gray bis zum Südafrikaner Asher Gamedze. — Immerhin zwei aktuelle Alben bieten Solo-Schlagzeug-Musik: Zum einen Audun Kleive, Jahrgang 1961, bekannt aus seiner Zusammenarbeit mit skandinavischen Musikern, die schon in den 1990ern Jazz mit Pop und Clubmusik verbunden haben. Und der in New York und Berlin ansässige US-Amerikaner Devin Gray, Jahrgang 1983, der regelmäßig mit angesagten Musikern wie Chris Speed, Chris Tordini, Ellery Eskelin oder Michael Formanek spielt. Beide haben aktuelle Konzepte für Schlagzeug Solo veröffentlicht, beide beziehen auch Elektronik mit ein, beide sind experimentell angelegt – und klingen dennoch sehr unterschiedlich. Ihnen gemeinsam: Intensives Hören ist mehr als erwünscht und lässt immer wieder neue klangliche und rhythmische Details erscheinen.
Am 1. Mai feiert WDR 3 open: World den «Tag der Arbeit» mit einer Hymne an Englands Tunnelarbeiter von Nancy Kerr, einem Song über Kentuckys Bergmänner von Hazel Dickens und einem Tribut an Kolumbiens Fischer von Totó La Momposina u.v.m. — Nicht nur in Deutschland gilt der 1. Mai als «Tag der Arbeit», sondern auch in vielen anderen Ländern in Europa, Asien, Afrika und Amerika. Unabhängig davon existieren rund um den Globus in allen Kulturen Arbeitslieder, die traditionell während der verschiedenen Tätigkeiten gesungen werden bzw. gesungen worden sind sowie Songs über die Arbeit an sich und über die Menschen, die die Arbeit verrichten. Einige aus dem großen Fundus stellt Antje Hollunder in der heutigen Ausgabe von WDR 3 open: World vor. Ein Shanty aus England ist ebenso dabei wie ein Hirtenlied aus Afghanistan, der Song eines Straßenverkäufers aus dem Iran, der jiddische Song über ein Bauernkollektiv in der früheren Sowjetunion, ein Flamenco-Song nach Art wie in Spanien früher in Schmieden gesungen wurde, ein Lied aus Japan über das Schälen von Reis und ein traditioneller schottischer Waulking Song. —
Willie Nelson feiert seinen 90. Geburtstag – mit unter anderem zwei Gala Konzerten in Los Angeles, für das sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen (u.a. Emmylou Harris, Neil Young und Ziggy Marley) zum Gratulieren eingefunden haben. Wir würdigen Good Old Willie mit einem Special. Ausserdem: «Spectral Lines», das neue Album von Josh Ritter.
Diese Reihe unternimmt Expeditionen in Randgebiete und Zwischenwelten des Jazz. Auf dem Spielplatz für randständige Klangabenteuer heute u.a.: Art Ensemble of Chicago, Sam Gendel, Kammerflimmer Kollektief, London Brew, Simon Lucaciu Trio, Wadada Leo Smith, Christina Vantzou und Angel Bat Dawid. —
Mit «The Whale» kommt ein Oscar-prämierter Film in die Kinos, der die Geschichte eines stark übergewichtigen Mannes erzählt. Doch trotz der Oscar-Auszeichnung sorgt «The Whale» für viel Kritik. Fat Shaming ist dabei nur ein Vorwurf.
Wie David Holmes vom House-DJ zum Hollywood-Komponist wurde — Er schrieb den Soundtrack zur Blockbuster Trilogie Ocean›s 11+12+13. Die mit reichlich Stars besetzte Gaunerkomödien-Serie lebt auch von den Sounds des aus Nord-Irland stammenden Musikers David Holmes. Der 1969 in Belfast geborene Produzent, DJ und Komponist kommt aus der Dance-Szene: er legte schon mit 15 auf Raves auf, begann bald mit Eigenproduktionen, die nicht allein auf den Dancefloor abzielten. Sein episch angelegtes Debüt-Album trug den Titel «This Film›s Crap Let´s Slash The Seats» (1995) und bewegte sich zwischen Techno, TripHop und Krautrock. Nachdem gleich das erste Lied der ersten Platte auf einem Soundtrack landete («Pi»), dauerte es nicht mehr lange, bis der erste Auftrag für einen eigenen Score herein flatterte: 1998 durch Danny DeVito für den Soderbergh-Film «Out of Sight». Soderbergh verpflichtete ihn danach für die Ocean›s-Trilogie. Holmes remixte U2 oder Primal Scream, produzierte Noel Gallagher und legt noch immer auf. Auch eine eigene Film-Firma unterhält er, komponierte für Oscar-Regisseur Steve McQueen und heimste diverse Auszeichnungen ein – unter anderem mit Kollege Keith Ciancia für ihre Arbeit zu «Killing Eve». Mit ihm und Sängerin Jade Vincent hat Holmes 2015 die eigene (Studio-) Band «Unloved» gegründet, die nach französischem 60›s- und Psychedelic-Pop klingt. Auch wenn es mal kein Soundtrack ist, klingt es bei ihm trotzdem nach Film. —
«Ich stolpere aus dem Bett, schlepp mich in die Küche und geb mir eine Tasse mit ein wenig Antrieb für den Tag». Schonungslos beschreibt Dolly Parton den täglichen Kampf um Selbstmotivation, angesichts eines Jobs, der kaum ernähren kann. Das Lied Lo Zoccolare aus dem späten 18. Jahrhundert erzählt von den Mühen der Holzpantoffel-Hersteller in Neapel. — George Brassens, der Arbeiterdichter aus dem Süden Frankreichs, beschreibt das harte Leben der Kohlearbeiter der Auvergne, fern ihrer Heimat. Die Sorgen und Mühen der Arbeiterinnen und Arbeiter, die hier in Liedern beschrieben werden, scheinen austauschbar. Aber diese Volkslieder, — Chansons und Songs über die Jahrhunderte sind mehr als Beschreibungen von Schicksalen im Maschinenraum des Kapitalismus. Sie sind Lieder der Rebellion und des Selbstbewusstseins.
U.a. mit George Brassens, Dolly Parton, Bob Dylan, Romano Zanotti. —
Es gibt Stimmen, die sich in unser Gedächtnis einprägen. Stimmen, die wir mit dem Medium Radio assoziieren und die Geschichten in unseren Köpfen und Herzen hinterlassen, die wir nicht mehr vergessen. Axel Corti war eine dieser Stimmen, der man sich nur schwer entziehen konnte. Akribisch in der Recherche, präzise in der Sprache und dem Publikum in bedingungsloser Intensität zugewandt, widmete er sich in seinem Radiofeuilleton DER SCHALLDÄMPFER den großen Themen der Weltgeschichte ebenso wie den scheinbaren Nebenschauplätzen des österreichischen Alltags.
Ältere Semester werden sich an Rickie Lee Jones› Debut Album anno 1979 erinnern. Die Single «Chuck E.›s In Love» war ein großer Hit und ihre eigene Art Jazz, Blues & Pop zu verbinden stieß damals auf große Resonanz. Zu der Zeit war sie die Lebensgefährtin von Tom Waits. Obwohl man ihr damals einen exzessiven Lebenswandel nachsagte, hat sie seitdem in stoischer Regelmäßigkeit weiter Platten produziert. — Ihr neues Album «Pieces Of Treasure» ist eine Kollektion von Musical-Tunes und Jazz Standards, deren Kern Rickie Lee Jones bloßlegt, sie von der Gala-Treppe schubst und ihnen eine neue Wahrhaftigkeit gibt. Wie sie dabei vorgegangen ist, darüber sprach Rickie Lee Jones mit Goetz Steeger
Oft verkannt und zugleich mythisch verklärt, zählte Bix Beiderbecke zu den Pionieren. Ein Mann, der schon «cool» klang, lange bevor der Cool Jazz aufkam. In den Worten des Trompeters Enrico Rava war Bix «der erste großartige weiße Jazzmusiker». Der frühe Tod des Kornettisten ließ das Ausnahmetalent zur Legende werden. — Joachim-Ernst Berendt bezeichnete den Tagräumer mit melancholischem Ton als «Novalis des Jazz». Schon der Name des gebürtigen Amerikaners lässt aufhorchen: Leon Bismarck Beiderbecke – seine Vorfahren stammen aus Mecklenburg und Pommern. «Bix», wie ihn bald jeder nennt, wird zu einem wichtigen Solisten des frühen Jazz und der Vorläufer weißer Swing-Orchester. Dann engagiert ihn Amerikas erfolgreichster Bandleader der 20er, Paul Whiteman. Hin und her gerissen zwischen den Wertvorstellungen des Jazz und der Klassik wächst Beiderbeckes Unzufriedenheit, zusätzlich genährt durch die Selbstzweifel eines Mannes, der stets nach Perfektion strebt und immer mehr dem Alkohol verfällt. Bix stirbt mit gerade einmal 28 Jahren…
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