Timothy Brock: Musik zum Film «Der General» (Regie: Buster Keaton, Clyde Bruckman, USA 1926) (aufgenommen am 6. Mai im Großen Konzerthaussaal in Wien)
Am Höhepunkt von Buster Keatons Schaffen entstand 1926 sein Film «Der General». Die zu den teuersten Produktionen der Stummfilmära zählende Komödie stieß sie beim Publikum anfänglich nicht auf Interesse. Erst nach der Wiederentdeckung in den 1950ern änderte sich die Rezeption grundlegend, und «Der General» fand seinen festen Platz im Kanon von Keatons Meisterwerken. Als ironischer Kommentar zum historischen Ereignis eines Eisenbahnraubs während des amerikanischen Bürgerkriegs wird in einer wilden Verfolgungsjagd die Rivalität zwischen den Nord- und Südstaaten dargestellt. — 2005 legte der amerikanische Komponist Timothy Brock eine rasante Neuvertonung des Stummfilmklassiker vor, die das ORF Radio-Symphonieorchester Wien Anfang Mai im Wiener Konzerthaus zum besten gab. —
Die chinesische, in Wien lebende Komponistin, Elektronikmusikerin und Medienkünstlerin Hui Ye setzt sich in ihren intermedialen Arbeiten mit sozialer und gesellschaftlicher Identität auseinander und behandelt kulturelle Positionen entlang politischer und technischer Fragestellungen. Ihre Klang- und Videowerke reflektieren auf vielfältige Weise aktuelle Diskussionen darüber, was wir sein sollen und wer wir sein wollen. — Die 1981 in der südchinesischen Metropole Guangzhou (Kanton) geborene Hui Ye kam 2002 nach Wien und studierte u.a. an der mdw und am ELAK elektroakustische Musikproduktion sowie Komposition. Danach belegte sie an der Universität für Angewandte Kunst einen Studiengang zu Digitaler Kunst. — Diese profunde Ausbildung setzt Hui Ye mal in theoretisch strengen, mal in spielerischen Rahmung um: Es geht um Kommunikation, darum, wie wir uns und andere wahrnehmen und wie Hör- und Sichtbares sich transformieren lässt. So hat sich der Fokus ihres Schaffens in den letzten Jahren vom rein Akustischen immer mehr in Richtung Audiovision, Installation und Video verschoben.
2018 wurde Hui Ye mit dem Preis der Kunsthalle Wien ausgezeichnet. Sie erhielt Kompositionsaufträge vom Festival Carinthischer Sommer und vom Verein Platypus, und aufgeführt wurden ihre Werke bei Wien Modern oder dem Times Museum Guangzhou. Aktuell ist sie Stipendiatin der Kunst-Hochschule Braunschweig. Hui Ye engagiert sich in der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ) und ist Mitbegründerin des queer-feministischen Kollektives asiatischer Künstler:innen Mai Ling. — Derzeit arbeitet sie im Rahmen einer Shape+ Residency gemeinsam mit Yara Mekawei und Ulla Rauter an dem Projekt «Sonic Exegesis». Alle drei Künstlerinnen interessieren sich für die Musikalität, die der Sprache innewohnt und haben ihre eigenen Übersetzungsmethoden entwickelt. Ausgangspunkt von «Sonic Exegesis» bilden zwei Auszüge aus dem Buch «Wie man verschwindet» des ägyptischen Künstlers und Autors Haytham El-Wardany, das sich mit dem Konzept des Zuhörens als eine Form von Protest beschäftigt, die im Alltag praktiziert werden kann. Im Rahmen unserer mehrstündigen Geburtstagssendung zum 30-jährigen Bestehen der Ö1 Sendereihe Zeit-Ton am 2. Juni im Studio 3 des Wiener Funkhauses und on air wird die Uraufführung von «Sonic Exegesis» stattfinden. — Shape+ ist die Plattform für spannende neue Projekte aus dem Bereich der Musik und audiovisuellen Kunst des Festivalnetzwerkes ICAS der International Cities of Advanced Sound, die 2014 vom musikprotokoll mitgegründet wurde. Sie wird durch das Programm «Creative Europe» der Europäischen Union gefördert. —
Ö1 Jazz Treasures: Blood, Sweat & Tears 1972 live im Wiener Konzerthaus — Blood, Sweat & Tears anno 1972: eine gefeierte, in Umbruch befindliche Tentettbesetzung, die sich in einer ihrer kreativ spannendsten, experimentierfreudigsten Phasen befindet. Der neue Frontman Jerry Fisher hat keine Lust, die bekannten Hits zu singen und mit seinem Vorgänger, dem Kanadier David Clayton-Thomas, verglichen zu werden. Den Band-Kollegen kommt dies nur gelegen, ihnen steht der Sinn nach neuen musikalischen Abenteuern anstatt nach routiniertem Abspulen der alten Hits. — Davon zeugt das Konzert vom 14. Juli 1972 im gut 1800 Menschen fassenden Großen Saal des Wiener Konzerthauses, das der ORF einst aufgenommen hat – und das nun im Rahmen der Edition «Ö1 Jazz Treasures» auf einer Doppel-LP (samt Download-Code) erschienen ist. — Die Vergangenheit von Blood, Sweat & Tears, sie wird an diesem Abend des 14. Juli 1972 in einem Titel abgehandelt: «You›ve Made Me So Very Happy» aus der Hit-LP «Blood, Sweat & Tears» von 1968 wird als Zugabe intoniert, als kleines, einziges Zugeständnis an das enthusiasmierte Wiener Publikum. — Das übrige Programm ist neu und – im doppelten Sinn – unerhört. Teilweise handelt es sich um spannende Live-Versionen jener Kompositionen, die drei Monate später im Rahmen der LP «New Blood» veröffentlicht werden sollten. Einige der Stücke können indessen bis heute als Raritäten und Kuriosa im Repertoire von Blood, Sweat & Tears gelten. —
Die Variationen über Vincenzo Bellinis «Norma» sind der Ausgangspunkt der CD «Casta Diva – Operatic Arias», welche die gleichnamige Arie aus Bellinis Oper zum Thema macht. Die britische Trompeterin Matilda Lloyd, die nun seit zwei Jahren in Deutschland lebt, spielt hier zusammen mit der Britten Sinfonia unter der Leitung von Rumon Gamba. — Als Frau in der Welt der Blechbläser ist es Matilda Lloyd dabei wichtig, die Trompete, die oft noch als Militärinstrument gilt, in ihrer Vielseitigkeit darzustellen. Die komplette emotionale Palette der Trompete wird dabei auch in zwei schmerzlich schönen Romanzen hörbar: in Julias Liebeserklärung an Romeo aus Bellinis «I Capuleti e I Montecchi» und in der Tenorarie «Una furtiva lagrima» aus Donizettis «L›elisir d›amore». Dabei überzeugt die junge Instrumentalistin mit technischer Brillanz, Musikalität und Agilität. —
Lange schwankte die Habsburger Monarchie zwischen Schönheit und Abgrund. Nun ist der Erste Weltkrieg vorbei. Die Monarchie ist Geschichte, die Republik wird ausgerufen. Auch in der Kunst ist nichts mehr wie zuvor. Vier Hauptprotagonisten der Wiener Moderne – Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Kolo Moser – sterben noch im selben Jahr. — Der Komponist Gottfried von Einem wird geboren. In Budapest feiert Bela Bartoks «König Blaubart» Weltpremiere, die Frankfurter Oper bringt Franz Schrekers Stück «Die Gezeichneten». Schönberg und Hauer suchen neue Ordnung im System der zwölf Töne.
Die Kompassnadel der europäischen Gesellschaft richtet sich neu aus: Picasso wird klassizistisch, Mondrian hat seinen ersten Auftritt. — Karl Kraus legt sein Monumentalwerk «Die letzten Tage der Menschheit» vor. Die weltweit erste Radioübertragung eines Weihnachtskonzertes geht in die Geschichte des Hörfunks ein. In Salzburg ruft der Jedermann von Hugo von Hofmannsthal den Beginn der Salzburger Festspiele aus. Max Reinhardt führt Regie. Erich Wolfgang Korngolds Oper «Die tote Stadt» feiert Premiere. Die Handlung spielt zwar in Brügge, lässt sich aber ebenso auf Wien übertragen. Denn die «tote Stadt» eine, die vor allem in der Vergangenheit lebt und einen «Tempel der Erinnerungen» kultiviert.
An der Wiener Staatsoper steht Ernst Krenkes «Jonny spielt auf» auf dem Programm, begleitet von Protestkundgebungen der NSDAP. — Die Künstler der ausklingenden Wiener Moderne dienen als Seismographen des nahenden Unheils: Schönberg beendet seine Oper «Moses und Aron», Oskar Kokoschka bürstet seine Malerei gegen den Strich. Der Schriftsteller Joseph Roth schreibt in dieser Zeit des entfesselnden Antisemitismus seinen «Radetzkymarsch». Eine Metapher auf den menschheitsgeschichtlichen Rückschritt. 1938 finden dann in — Düsseldorf finden die Reichsmusiktage statt, Richard Strauss dirigiert das Eröffnungskonzert.
Österreich vereinigt sich Mitte März auch politisch mit dem Deutschen Reich. Der Erste Weltkrieg hat den Schaffensrausch unterbrochen, der zweite hat ihn radikal beendet. «Ein Volk, eine Nation, Ein Führer» rufen die Anhänger der braunen Partei. «Tod den Juden» hallt durch die Straßen. Sigmund Freud schreibt nur zwei Wörter in sein Tagebuch: «Finis Austria». —
Als die Rockmusik in den 60ern groß wurde, wusste der Jazz nicht mehr weiter. Weil die Trends nun woanders gesetzt wurden, weil die Fans nun woanders aufliefen und nicht zuletzt, weil die Dollars nun woanders gemacht wurden – und das waren plötzlich unvorstellbare Mengen an Dollars. Die westliche Welt hatte sich dramatisch weitergedreht und nun musste sich auch der Jazz drehen. — Jazzrock war eine Befreiung, eine mächtige Bewegung. Jazzrock war der Versuch, die Routine der Traditionen mit der rebellischen Widerständigkeit der Rockmusik aufzuladen. Jazzrock begann mit dem psychedelischen Funk von Miles Davis› «Bitches Brew». Jazzrock, das waren bahnbrechende Alben und die schiere elektronisch verstärkte Wucht, die der Rock jener Tage zu entfesseln wusste. Jazzrock, das waren aber auch Gurus und esoterische Sinnsuche, war Größenwahn, waren selbstverliebte Instrumental-Exkurse auf Wolke Sieben und am Ende war es oft sinnfreie Egomanie. —
Nach dem Tod des AFP-Journalisten Arman Soldin im Osten der Ukraine hat Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen eingeleitet. Soldin war am vergangenen Dienstag nahe der umkämpften Stadt Bachmut durch russischen Raketenbeschuss getötet worden. — Die nationale Antiterrorstaatsanwaltschaft teilte mit, das Zentralbüro der Polizei zur Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Hassverbrechen führe die Ermittlungen. Aus Ermittlungskreisen hieß es, die Ermittlungsbehörde stelle derzeit ein Team zusammen, das den Tatort in der Ukraine untersuchen und die genauen Umstände des Todes klären soll. — «Er ist gefallen, weil er daran glaubte, dass die Pflicht, zu informieren, vor nichts zurückschrecken darf», sagte Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne. Die Presse habe eine große Bedeutung «für unsere Bürger und für unsere Demokratie». — Soldin hatte seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine aus dem Kriegsgebiet berichtet, oft unmittelbar von der Front. Seit September 2022 lebte der Journalist dauerhaft in der Ukraine.
Eine Aufnahme vom 13. März 2023 in der Tafelhalle Nürnberg — Silke Eberhard: Altsaxophon, Jürgen Kupke: Klarinette, Patrick Braun: Tenorsaxophon, Klarinette, Nikolaus Neuser: Trompete, Gerhard Gschlößl: Posaune, Johannes Fink: Cello, Taiko Saito: Vibraphon, Antonis Anissegos: Klavier, Igor Spallati: Bass und Kay Lübke: Schlagzeug.
Der gute Ratschlag ist immer der gleiche: Mach dein Ding! Es ist die zentrale Herausforderung für Kreative, und so manche sind vorbildlich am Start, mit wilden Orchestern, schrägen Ideen oder ungewöhnlichen Instrumenten. Mit Musik von Monika Roscher, Matthew Herbert, Driss El Maloumi, Flamenkora und vielen mehr. — Ein Pferdeskelett, im Ernst? Matthew Herbert war fasziniert, als er es auf Ebay entdeckte, fotografisch präsentiert wie ein skurriles Xylophon. Er ersteigerte die Knochen, drückte sie einem Nachbarn in die Hand, der daraus Instrumente baute, worauf dann Shabaka Hutchings flötete oder Seb Rochford trommelten. Influencerinnen in Kutten? Monika Roscher hatte eine Idee für 8 Prinzessinnen auf der Suche nach dem Licht. Es wurde eine Big-Band-Komposition daraus und ein rätselhaftes Video mit viel Fantasy im optischen Stammbaum. Flamenco, Senegal und Jazz? Was nach einer Produzentenidee klingt, begegnete Volker Goetze, Ali Boulo Santo Cissoko und Alejandro Moreno wie nebenbei als musikalische Verwandtschaft. Drei von vielen aktuellen Möglichkeiten, der eigenen Stimme zu vertrauen.
Celloklänge kommen der menschlichen Stimme nahe, und der Cellist Matthieu Saglio setzt noch eins obendrauf: «Voices». Das Album lädt Vokalist:innen aus aller Welt zur gemeinsamen Klangsuche ein. Dazu stellt Babette Michel weitere Celloklangkunst vor. — Matthieu Saglio zeigt, dass es in der Kunst genug Raum für die verschiedenen Kulturen der Welt gibt. Deshalb verbindet sich der Cellist u.a. mit der kosmopolitischen Sängerin Natascha Atlas und dem aserbaidschanischen Mugham-Sänger Alim Qasimov. Die Cello-Reise führt auch zu Vincent Segal, der mit dem Koraspieler Ballaké Sissoko, dem Saxophonisten Emile Parisien und dem Akkordeonisten Vincent Peirani musiziert. Außerdem zu Abel Selaocoe, der mit dem Cello den Genrebegriff hinterfragt. Zu Vincent Courtois, der neue Musik zum Stummfilmklassiker «Finis Terrae» kreiert hat. Und zur kroatischen Cellistin Asja Valcic, die auf «Fractal Beauty» musikalische Muster von großer Schönheit entwirft.
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