24.03.2025 – Jazz – Frankfurter Rundschau – Staffan Lindberg — Paula Völkner — – Details
Staffan Lindberg
Trump attackiert die Demokratie in den USA. Der Chef des Instituts Varieties of Democracy gibt eine düstere Vorhersage. Eine «Schlüsselinstitution» steht im Fokus. — Washington, D.C. – «Die dritte Welle der Autokratisierung nimmt weiter zu»: Mit 91 zu 88 gibt es auf der Welt mehr autokratische als demokratische Staaten – 72 Prozent der Menschen weltweit leben in Autokratien. So lautet das Fazit des Demokratieberichts von Varieties of Democracy (V-Dem) über das Jahr 2024. V-Dem ist ein Forschungsinstitut mit Sitz an der Universität Göteborg, das jährlich einen Demokratie-Report für 202 Länder veröffentlicht.
Seit Donald Trumps Amtseinführung als US-Präsident steht die Demokratie in den Vereinigten Staaten unter Beschuss. Mit Blick auf Trumps zweite Amtszeit stellen sich die Autorinnen und Autoren des Berichts die Frage: «USA – Steht ein Zusammenbruch der Demokratie bevor?»
«Ausmaß der Ereignisse ist beispiellos»: Trump bedient sich «klassischen Strategien von Autokraten»«Das Ausmaß der Ereignisse in den USA ist beispiellos und erfordert einen genaueren Blick auf die scheinbar am schnellsten fortschreitende Autokratisierungsphase, die die USA in ihrer modernen Geschichte erlebt haben», heißt es in dem Bericht. Gegenüber der kanadischen Sender CBC wagt der Leiter des Projekts, Staffan Lindberg, mit Blick auf die USA eine düstere Prognose: «Wenn es so weitergeht, wird die Demokratie keine weiteren sechs Monate halten.» — Verglichen mit Trumps erster Amtszeit zeigen sich laut des Berichts seit seinem erneuten Amtsantritt deutliche Unterschiede. «Die Geschwindigkeit, mit der die amerikanische Demokratie unter Druck gerät, hat viele Beobachter überrascht», heißt es dazu. Als Beispiele nennen die Autoren des Projekts die «Ausweitung der Exekutivgewalt, die Untergrabung der Haushaltsbefugnisse des Kongresses, Offensiven gegen unabhängige und gegensteuernde Institutionen und die Medien sowie die Säuberung und Demontage staatlicher Institutionen». All das seien «klassische Strategien von Autokraten».
Experte «sehr beunruhigt» über Trumps «schnellen» Demokratie-Abbau in den USAGegenüber CBC verweist Lindberg auf das Vorgehen anderer Autokraten wie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo an oder dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Der Unterschied: Trump sei schneller. «Er versucht, in wenigen Monaten das zu erreichen, wofür sie acht bis zehn Jahre gebraucht haben. … Es ist sehr beunruhigend.» — Als eine elektorale Autokratie stuft V-Dem Ungarn in ihren jüngsten Bericht ein. «Es gibt Mehrparteienwahlen für die Exekutive, doch grundlegende Voraussetzungen wie Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie freie und faire Wahlen sind unzureichend», definieren die Autorinnen und Autoren des Berichts den Begriff. Das ist es, was Lindberg auch für die USA erahnt. Die USA zählen derzeit zu den freien Demokratien.
Die US-Demokratie unter Beschuss: Trump, das «Project 2025» und Viktor OrbánTrump und Orbán pflegen eine enge Beziehung. Über Jahre hat der ungarische Premier demokratische Institutionen in seinem Land angegriffen und die Demokratie abgebaut. Ab dem Jahr 2010 schuf Orbán sich unter anderem mit Gesetzen den Rahmen, um seine Macht zu sichern. Viele sehen in Trumps Politik nun Parallelen. Gegenüber Associated Press erklärte Kim Lane Scheppele, Professorin in Princeton, die in den 1990er Jahren am ungarischen Verfassungsgericht arbeitete, über Orbáns Politik: «Es hieß nicht Projekt 2025. Es hätte Projekt 2010 heißen können.» — Das «Project 2025» ist ein Fahrplan für einen republikanischen Präsidenten, um einen radikalen Staatsumbau zu erwirken. Hinter dem Projekt steht vor allem die nationalistisch-konservativen Heritage Foundation. Vor einigen Jahren habe Kevin Roberts, Leiter der Denkfabrik, laut eines Berichts der New York Times erklärt: «Das moderne Ungarn ist nicht nur ein Modell für konservative Staatskunst, sondern das Modell.» Parallelen zwischen der Politik von Trump und Orbán erscheinen vor diesem Hintergrund wenig überraschend. Mittlerweile setzt Trump viele der in dem radikalen Papier geplanten Maßnahmen um. Laut einer Analyse des Time Magazine von Ende Januar haben bis dahin fast zwei Drittel seiner Erlasse direkt oder teilweise aus dem «Project 2025» gestammt.
«Schlüsselinstitution» Justiz: «Steuern die USA auf einen Zusammenbruch der Demokratie zu?»Mit Blick auf den Demokratie-Abbau sei die Justiz eine «Schlüsselinstitution», heißt es in dem V-Dem-Bericht. In den USA solle man für die Beobachtung der weiteren Entwicklung vor allem die Gerichte im Auge behalten, erklärte auch Lindberg. «In den Ländern, die einen autoritären Abstieg gestoppt hätten, spielten die Gerichte eine Schlüsselrolle», zitiert CBC den Leiter des Instituts. Bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Donald Trump erste Schritte unternommen, die Legitimität von Gerichten und die Rechtsstaatlichkeit zu untergraben. — Zahlreiche Beispiele belegen, dass unter Trump demokratische Grundpfeiler in den USA unter Beschuss stehen. Der US-Präsident missachtet die Rechtslage, Anordnungen von Gerichten und Rechte des Kongresses. Der Bericht des Forschungsinstituts lässt die Frage offen: «Steuern die USA angesichts der anhaltenden Angriffe auf einen Zusammenbruch der Demokratie zu, oder nicht?» (pav)
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