11.07.2023 – Jazz – Zeit Online – Christoph Dieckmann — – Details
Ernst-Ludwig Petrowsky
Ein grenzüberschreitender Künstler, ein philosophischer Kauz, eine Vaterfigur für viele: Der große Jazz-Saxofonist Ernst-Ludwig Petrowsky ist gestorben. — Ernst-Ludwig Petrowsky bei einem Auftritt im Jahr 2013 © imago images — Manche Abschiede beschließen ein Zeitalter. Am 22. Juni starb Peter Brötzmann, der Grande des westdeutschen Free Jazz. Am 10. Juli folgte ihm sein mecklenburgischer Gesinnungsbruder Ernst-Ludwig Petrowsky. Jazz ist wesenhaft antinational, Biografien sind es nicht. Diese beiden Saxofonisten begannen ihr Spiel kurz nach den fürchterlichsten Exzessen des Deutschtums, in zwei ideologisch verengten Staaten. In der kollektivistischen DDR war «Luten» Petrowsky eine Ikone unbeugsamen Eigensinns. — Geboren wurde er 1933 in Güstrow. Erste Meriten erwarb der Autodidakt im Orchester von Eberhard Weise. In den Sechzigerjahren prägte er das Manfred Ludwig Sextett, eine Geburtsstation nachmals prominenter Jazzer. Die Truppe machte auch Tanzmusik; dann bildete sie den Kern der Modern Jazz Big Band des Trompeters Klaus Lenz. Petrowsky separierte eine Kernband, die Hardbop mit Assoziationen von Ornette Coleman, Archie Shepp, Eric Dolphy spielte. Petrowskys Ensemble Studio 4 gastierte 1968 beim Jazzfestival Montreux. Der Avantgardist erklang erst später: 1971 gründete er mit dem Posaunisten Konrad Bauer, dem Pianisten Ulrich Gumpert und dem Schlagzeuger Günter Sommer das Free-Quartett Synopsis. Zum Durchbruch wurde ihr gefeiertes Konzert beim Warschauer Jazz Jamboree 1973.
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