Alle Artikel in der Kategorie “Aus den Archiven

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Prigoschin will Wagner-Vormarsch auf Moskau stoppen

24.06.2023NewsZeit OnlineAlexander Eydlin —   –  Details

Wagner-Kämpfer mit Panzern

Jewgeni Prigoschin hat zugesichert, den Vormarsch seiner Einheiten auf Moskau aufzuhalten. Die Vereinbarung sei durch die Vermittlung des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko zustande gekommen, berichteten die staatlichen russischen Nachrichtenagenturen Ria Nowosti und Tass unter Verweis auf den Pressedienst Lukaschenkos. — Kurz darauf bestätigte der Wagner-Chef seine Zustimmung zu der Vereinbarung. Innerhalb eines Tages sei die Gruppe Wagner ihren «Marsch der Gerechtigkeit» bis auf 200 Kilometer vor Moskau gegangen, sagte er in einer Audiobotschaft. Dabei habe sie «keinen Tropfen Blut ihrer Kämpfer vergossen». — «Jetzt kommt der Moment, in dem Blut vergossen werden kann», sagte Prigoschin. Da die Gruppe Wagner ihre Verantwortung verstehe, «kehren wir unsere Kolonnen um». — Den Berichten der russischen Staatsagenturen zufolge hielten die Gespräche zwischen Lukaschenko und Prigoschin «im Laufe des ganzen Tages» an. Es sei eine «Übereinkunft über die Unzulässigkeit des Beginns einer blutigen Schlacht auf dem Territorium Russlands» erzielt worden. Prigoschin hatte vor seiner Bestätigung mehrere Stunden keine Audiobotschaften veröffentlicht. — Weder aus der Bestätigung Prigoschins noch aus den Meldungen der Staatsmedien geht hervor, welche Verpflichtungen die russische Regierung dafür eingehen will. In der Mitteilung von Lukaschenkos Büro ist von einer «absolut gewinnbringenden und zumutbaren Variante der Lösung der Situation mit Sicherheitsgarantien für die Kämpfer der Privaten Militärfirma Wagner» die Rede. In seiner Audiobotschaft sagte Prigoschin, die Gruppe Wagner habe man vor ihrem Putschversuch «auflösen» wollen.

 
 

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Festnahme von Prigoschin stand wohl unmittelbar bevor – doch der Wagner-Chef entschloss sich zur Attacke

24.06.2023NewsStern OnlineEllen Ivits —   –  Details

Jewgeni Prigoschin

Rebellion in Russland — —Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, hält in Rostow eine Videoansprache. — Als Jewgeni Prigoschin auf Rostow marschierte, flohen Verteidigungsminister Schoigu und Generalsstabchef Gerassimow aus der Stadt. Dort bereiteten sie sich offenbar auf die Festnahme des Wagner-Chefs vor.

 

Die russische Stadt Rostow erwachte am Samstag in einer bizarren Welt. Die Söldnertruppe Wagner hatte in der Nacht die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht – ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. «Der Generalstabschef ist geflohen», verkündete der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin um 7.30 Uhr Ortszeit. — Auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu hielt sich in der Nacht zu Samstag in der Stadt unweit der ukrainischen Grenze auf. Er floh ebenfalls. — Schoigu und der Generalstabschef Gerassimow sind in der Nähe der Front höchst seltene Gäste. Und nun waren beide in Rosrow, ausgerechnet in jener Nacht, als Prigoschin in eine offene Rebellion überging und Kurs auf Moskau nahm? — Für Beobachter kann dies kein Zufall sein. Ein Blick in die propagandistischen Telegram-Kanäle von Z-Bloggern gibt ihnen Recht.

 
 

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Putin mobilisiert Kräfte gegen den russischen Paramilitärchef

24.06.2023NewsThe New York TimesN.N. —   –  Details

Moskau Roter Platz

Präsident Wladimir V. Putin versprach, den, wie er es nannte, bewaffneten Aufstand von Jewgeni Prigoschin, dem Anführer der Wagner-Söldnergruppe, niederzuschlagen, der die Kontrolle über die südrussische Stadt Rostow am Don beansprucht hatte.

 

Präsident Wladimir W. Putin mobilisierte am Samstag russische Truppen, um einen, wie er es nannte, bewaffneten Aufstand des Söldnerführers Jewgeni W. Prigoschin niederzuschlagen , dessen Truppen die Kontrolle über die südrussische Stadt Rostow am Don beansprucht hatten und sich weiter nach Norden bewegten eine Autobahn in Richtung Moskau. — Während die Sicherheitskräfte im Südwesten Russlands und in Moskau zusammenrückten, wurden in der Stadt Elets, etwa 250 Meilen von der Hauptstadt entfernt, Militärkonvois gesichtet, von denen angenommen wird, dass sie zu den Wagner-Truppen von Herrn Prigozhin gehörten, wie aus einem am Samstag in den sozialen Medien veröffentlichten und von The bestätigten Video hervorgeht New York Times . Die Panzerkonvois waren von Rostow aus angereist, und die Gouverneure der Regionen entlang der russischen Hauptautobahn M-4 nach Moskau forderten die Bewohner auf, sich vom Korridor fernzuhalten. Videos zeigten Anzeichen aktiver Kämpfe entlang der Autobahn. — In einer kurzen Ansprache an die Nation am Samstagmorgen nannte Putin Herrn Prigozhin einen Verräter, der «unserem Land und unserem Volk einen Dolch in den Rücken versetzt» habe. Er sagte, dass militärische und zivile Funktionen in Rostow, einem wichtigen militärischen Knotenpunkt für Russlands Krieg in der Ukraine, «im Wesentlichen blockiert» worden seien, eine implizite Anerkennung gewisser Erfolge von Herrn Prigozhin, einem ehemaligen Verbündeten Putins, dessen Streitkräfte an der Seite der russischen Armee gekämpft haben Ukraine. — Die Konfrontation stellte die dramatischste Bedrohung für die Macht des russischen Präsidenten seit seiner Amtsübernahme im Jahr 1999 dar und ereignete sich zu einem entscheidenden Zeitpunkt im russischen Krieg in der Ukraine, wo die Streitkräfte Kiews eine Gegenoffensive zur Rückeroberung von Territorium gestartet haben. Moskau erklärte ein «Anti-Terror-Operationsregime» und gab den Behörden erweiterte rechtliche Befugnisse, obwohl russische Kriegsbefürworter ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck brachten , dass der Aufstand Moskaus Frontlinien in der Ukraine bedrohen könnte. — In einem Video, das am frühen Samstag aufgetaucht ist und von The Times bestätigt wurde, ist Herr Prigoschin in Begleitung bewaffneter Männer im Hof des russischen Militärhauptquartiers im Süden Russlands in Rostow zu sehen. «Wir blockieren die Stadt Rostow und gehen nach Moskau», sagt Herr Prigoschin und verlangt ein Treffen mit dem Generalstabschef des russischen Militärs und dem russischen Verteidigungsminister Sergej K. Schoigu.

 
 

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Die Glaubwürdigkeit des Kremls ist erschüttert / Dimitri Minic, russischer Armeespezialist

24.06.2023NewsLe MondeCédric Pietralunga —   –  Details

Dimitri Minic

Interview — — Wie erklären Sie sich die Meuterei, die Evgueni Prigojine, der Anführer der Wagner-Miliz, initiiert hat? Was sind seine Motive? — Erstens handelt es sich nicht um eine «Meuterei». Die Klarheit, die Prigojine gelegentlich – wie erst gestern – über Russlands Krieg in der Ukraine an den Tag legen kann, macht es sehr unwahrscheinlich, dass er seiner eigenen Darstellung von den «bösen Bojaren» [dem russischen Verteidigungsministerium] glaubte, die [Präsident Wladimir] Putin manipulierten und täuschten . Wir müssen Wagners jüngste Entwicklung dezentralisieren und nachzeichnen. Prigozhin hat wiederholt Militärführer, die Regierung und ihre Führer kritisiert, manchmal in zweideutigen Worten, die Zweifel am wahren Empfänger aufkommen lassen: Putin selbst. — Gleichzeitig zog sich die Schlinge um Prigozhin allmählich zu, denn mit dem Anfang Juni verkündeten Freiwilligengesetz wurden Soldaten privater Militärunternehmen gezwungen, einen Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterzeichnen, was Wagner eine Verwässerung der Arbeit drohte Armee] , ganz zu schweigen von den erheblichen Verlusten, die die Miliz in Bachmout in der Ukraine erlitten hat. Das Verteidigungsministerium anzugreifen, das offizielle Narrativ über die Gründe für die «Sondermilitäroperation» zu brechen, sich gegen das Freiwilligengesetz zu stellen: All das lief auf einen direkten Angriff auf Putin hinaus. — Dimitri Minic, Forscher am Russland-Eurasien-Zentrum des Französischen Instituts für Internationale Beziehungen, ist Spezialist für die russische Armee und Autor des Aufsatzes Russisches strategisches Denken und Kultur. Von der Umgehung des bewaffneten Kampfes bis zum Krieg in der Ukraine (Editions de la Maison des sciences de l›homme, April 2023).

 
 

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Ich gehe davon aus, dass Prigoschin das nicht überleben wird / Russland-Experte über Wagner-Aufstand

24.06.2023NewsFocus OnlineAnna Schmid —   –  Details

Stefan Meister

In Russland tobt ein Aufstand. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hat mit seinen Männern bereits die Stadt Rostow besetzt, jetzt dringt er angeblich nach Moskau vor. Russland-Experte Stefan Meister glaubt nicht, dass der Söldnerboss das überleben wird. — Die Fernsehansprache, die Wladimir Putin am Samstagmorgen hält, ist eindringlich. Er spricht von einem «Stoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes», von «Verrat am eigenen Land, am eigenen Volk». — Obwohl er seinen Namen nicht ein einziges Mal nennt, ist klar, an wen sich Putin in seiner Rede richtet: Jewgeni Prigoschin, den Chef der berüchtigten Gruppe Wagner. Er galt lange als Vertrauter des russischen Präsidenten. Doch am Samstagmorgen änderte sich das. — Prigoschins Männer besetzten militärische Einrichtungen in der südrussischen Stadt Rostow am Don, wo sich das Hauptquartier des russischen Militärbezirks Süd befindet. Sein Ziel sei Moskau, sagte er selbstbewusst. — — Obwohl er seinen Namen nicht ein einziges Mal nennt, ist klar, an wen sich Putin in seiner Rede richtet: Jewgeni Prigoschin, den Chef der berüchtigten Gruppe Wagner. Er galt lange als Vertrauter des russischen Präsidenten. Doch am Samstagmorgen änderte sich das. — «Wir wollen nicht, dass das Land weiter in Korruption und Betrug lebt» — Als Grund für den Aufstand nannte Prigoschin einen angeblichen Luftangriff auf ein Lager der Wagner-Truppen, bei dem mehrere seiner Söldner getötet wurden. Der 62-Jährige behauptet, die russische Armee wäre verantwortlich für die Attacke. — Doch eigentlich ist das nur die Spitze des Eisbergs. Prigoschin kritisiert die russische Militärführung seit Monaten. Dem Verteidigungsministerium warf er regelmäßig falsche Taktik vor und behauptete, es herrsche «Chaos». Beamte bezeichnete er als «parfümierte Sesselpupser». — Bemerkenswert ist, dass sich Prigoschins Kritik bisher vor allem gegen Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow richtete – Putin sparte er aus. — Nun hielt er jedoch auch dem Kremlchef vor, sich schwer zu irren, wenn er die Wagner-Söldner als Verräter deklariere. «Wir wollen nicht, dass das Land weiter in Korruption, Betrug und Bürokratie lebt», betonte Prigoschin auf Telegram. — Kadyrow mischt sich in Auseinandersetzung ein — Kampfhandlungen gibt es offenbar bereits. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf einen Reporter, dass Militärhubschrauber das Feuer auf einen Konvoi der Wagner-Söldner in der Nähe der Stadt Woronesch eröffnet hätten. — Außerdem kündigte der Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, die Entsendung seiner eigenen Truppe an – zur Unterstützung des Kremls. — «Kämpfer des Verteidigungsministeriums und der Nationalgarde der Republik Tschetschenien sind bereits in die spannungsgeladenen Gebiete aufgebrochen», schrieb er am Samstag auf Telegram. «Wir werden alles tun, um die Einheit Russlands zu bewahren und ihre Staatlichkeit zu schützen.» — Für Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist es keine Überraschung, dass sich Kadyrow in den Konflikt einschaltet. «Er hat sich schon früher von Prigoschin distanziert. Gegenüber Putin zeigte er sich loyal», sagt der Politologe zu FOCUS online. — «Putin ist auf jeden Fall geschwächt» — In jedem Fall zeigt der Wagner-Aufstand, dass der russische Staat das Gewaltmonopol zumindest in Teilen verloren hat. Das liegt laut Meister auch an der Teil-Privatisierung des Krieges. — Schließlich sind Söldner der Gruppe Wagner in der Ukraine im Einsatz. Und die Gruppe Wagner ist nunmal eine private Sicherheitsfirma. — Für den Politologen ist klar: «Reagiert Putin nicht, bringen die Sicherheitskräfte die Situation nicht zeitnah unter Kontrolle, kann das den Präsidenten zunehmend unter Druck setzen. Er ist auf jeden Fall geschwächt, hat zu spät reagiert und Prigoschin zu lange gewähren lassen.» — mit dpa —

 
 

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Putin schwört, die ‹Rebellion› zu stoppen, während Wagner-Söldner Militärstandorte besetzen

24.06.2023NewsThe Washington PostRobyn Dixon, Dalton Bennett u.a. —   –  Details

Wagnertrupp in Rostow

Der russische Präsident Wladimir Putin verwies auf eine Bedrohung für sein Land und sagte, er habe dem Militär befohlen, einen Aufstand unter Führung des Wagner-Söldnerboss Jewgeni Prigoschin niederzuschlagen. Prigoschin behauptete am frühen Samstag, er habe die Kontrolle über den russischen Militärkommandostützpunkt in Rostow am Don im Süden übernommen. Unterdessen sagte der Gouverneur der Region Woronesch weiter nördlich, dass dort eine «Anti-Terror-Operation» des Militärs im Gange sei. Das britische Verteidigungsministerium sagte, dass Wagner-Einheiten durch die Region Woronesch «nördlich vorrückten», «mit ziemlicher Sicherheit mit dem Ziel, nach Moskau zu gelangen». — Ein hochrangiger westlicher Geheimdienstmitarbeiter sagte, Prigoschins Rebellion stelle einen irreparablen Bruch mit Putin dar und er müsse jetzt erkennen, dass es für ihn keine Rückkehr zu dem Status und Reichtum gebe, den er über Jahrzehnte mit Unterstützung des Kremls angehäuft habe. Für Prigoschin gebe es «keinen Weg zurück», sagte der Beamte. «Er hat es übertrieben.» — Infolgedessen muss Prigozhin nun um sein eigenes Leben kämpfen, um die russischen Streitkräfte abzuwehren. «Jemand muss zuerst blinzeln», sagte der Beamte unter der Bedingung der Anonymität und verwies auf die Sensibilität der Situation. «Aber Sie wissen genau, was mit denen passieren muss, die [Putin] als Verräter bezeichnet.» — Derselbe Beamte sagte, dass Putins Berufung auf die bolschewistische Revolution von 1917 die Ernsthaftigkeit signalisiere, mit der er den Bruch Prigoschins betrachte. Putin, der sich selbst als gelehrter Historiker bezeichnet, «würde sich nicht ohne Grund auf das Jahr 1917 berufen – es sagt viel darüber aus, wie sie die Risiken wahrnehmen.»

 
 

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Putin schwört ‹entschlossenes Handeln›, da Wagner-Chef Anspruch auf Teil eines wichtigen Militärkomplexes erhebt

24.06.2023NewsThe New York TimesVictoria Kim und Anton Troianovski —   –  Details

Rostow am Don

Hier ist das Neueste zur Pattsituation zwischen Prigozhin und dem russischen Militär. — Präsident Wladimir W. Putin kündigte am frühen Samstag «entschlossene Maßnahmen» an, um den, wie er es nannte , bewaffneten Aufstand des Söldnerführers Jewgeni W. Prigoschin niederzuschlagen, dessen Streitkräfte die Kontrolle über die südrussische Stadt Rostow am Don übernommen hatten und nach Norden vordrangen Moskau. — In einer fünfminütigen Ansprache an die Nation bezeichnete Herr Putin den Aufstand von Herrn Prigozhin als Verrat und als «einen Stich in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes». Herr Putin sagte, dass die militärischen und zivilen Funktionen Rostows «im Wesentlichen blockiert» worden seien, und nannte die Situation «schwierig». Dies war offensichtlich eine Anerkennung einiger Erfolge von Herrn Prigozhin, der am Samstagmorgen sagte, seine Streitkräfte hätten das südliche Militärhauptquartier der russischen Streitkräfte in der Stadt übernommen. — Herr Prigozhin – ein langjähriger Verbündeter von Herrn Putin und heftiger Kritiker der militärischen Führung Moskaus, der Russlands Angriff auf die Ostukraine mitgeholfen hat – wies den Vorwurf des Hochverrats zurück und sagte in einer Audiobotschaft, dass seine Truppen «Patrioten von uns» seien Heimat.» — — In ganz Westrussland wurden Sicherheitskräfte zusammengezogen, als Regionalgouverneure die Bewohner aufforderten, sich von den Straßen fernzuhalten, und in Moskau wurde ein «Anti-Terror-Operationsregime» ausgerufen, das den Behörden erweiterte rechtliche Befugnisse einräumte. Die Konfrontation stellte die dramatischste Bedrohung für die Macht des russischen Präsidenten dar, seit er 1999 die Führung übernommen hatte.

 
 

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Direktflüge raus aus Moskau ausverkauft / Krise in Russland

24.06.2023NewsSpiegel OnlineHenrik Bahlmann, Ann-Dorit u.a. —   –  Details

Wagner Söldner

Verlassen die Russen angesichts der Bedrohung durch die Wagner-Söldner die Hauptstadt? Direkte Flugverbindungen nach Tiflis, Astana und Istanbul sind jedenfalls nicht mehr zu bekommen. — — Der Machtkampf in Russland eskaliert weiter: Der Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin forderte Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Generalstabschef Waleri Gerassimow heraus. Wenn sie nicht zu ihm kämen, würden die Wagner-Söldner bis nach Moskau marschieren, erklärte Prigoschin. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete die Aufständischen als »Verräter«.

18:42 — Ukrainisches Verteidigungsministerium spottet über Wagner-Aufstand — Das ukrainische Verteidigungsministerium hat mit Spott auf den Aufstand der russischen Söldnertruppe Wagner gegen die Militärführung in Moskau reagiert. Es frage sich, »warum die russischen Soldaten noch in ihren schlammigen Schützengräben sind, anstatt ihren Kameraden auf beiden Seiten des Konflikts zu Hilfe zu eilen«, schrieb das Ministerium am Samstag auf Twitter. »Das wäre bei Weitem sicherer, als sich der ukrainischen Armee entgegenzustellen«, hieß es weiter.

17:46 — In Moskau hat Bürgermeister Sobjanin für Montag einen arbeitsfreien Tag angekündigt, um die »Risiken zu minimieren«. Seit Putins Ansprache am Morgen ist Prigoschin das Thema auf den Straßen und in Parks, es werden Nachrichten über Prigoschins Truppen ausgetauscht, seine Chancen diskutiert. Es sei weniger Verkehr unterwegs auf den Straßen als sonst samstags, berichtet eine SPIEGEL-Mitarbeiterin. Auch wenn der Rote Platz abgesperrt ist, einzelne Militärfahrzeuge im Zentrum zu sehen sind, das Leben gehe in weiten Teilen der Metropole erst einmal ruhig weiter wie bisher.

15:42 — Gouverneur bestätigt: Wagner-Söldner inzwischen in Lipezk — Russische Militärbloggern hatten darüber berichtet (siehe Eintrag von 13:27 Uhr), nun meldet sich der Gouverneur der Region zu Wort: Es würden »alle notwendigen Maßnahmen« ergriffen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, heißt es im Telegram-Kanal von Igor Artamonow: »Die Situation ist unter Kontrolle. Es kommt zu keinen Ausfällen im Betrieb kritischer Infrastruktur.« Bewohnerinnen und Bewohner wird »dringend empfohlen«, ihre Häuser nicht zu verlassen.

15:29 — Putin soll Moskau verlassen haben — Ein russisches Regierungsflugzeug, das von Präsident Wladimir Putin benutzt wird, soll um 14.16 Uhr Ortszeit vom Moskauer Flughafen Wnukowo in Richtung St. Petersburg abgeflogen sein und dann vom Radar verschwunden sein. Offenbar haben die Piloten aufgehört, Daten zu übermitteln, als sich das Flugzeug vom Typ Iljuschin etwas südlich der russischen Stadt Twer befand. Dies berichten mehrere Medien unter Berufung auf Daten des Trackingdienstes Flightradar. Putins Sprecher Dmitri Peskow bestritt nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass, dass der Präsident die Hauptstadt verlassen habe.

15:29 — Putin telefoniert laut Kreml mit Erdo an — Der russische Staatschef Wladimir Putin hat nach Kremlangaben mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo an telefoniert. Erdo an unterstütze den Umgang der russischen Regierung mit dem Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, teilte das russische Präsidialamt mit. Eine Stellungnahme der türkischen Seite gab es zunächst nicht.

15:00 — Geheimdienstchef erklärt Aufstand für gescheitert — Derweil erklärt der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR den Aufstand bereits für nicht erfolgreich. Es sei klar, dass der Versuch einer Destabilisierung der Gesellschaft und einer Anzettelung zu einem brudermörderischen Bürgerkrieg gescheitert sei, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Tass Sergej Naryschkin.

14:36 — Direktflüge aus Moskau ausverkauft — In den sozialen Netzwerken wurde schon spekuliert, dass die Moskauer Elite angesichts der heranstürmenden Wagner-Söldner die Stadt verlässt. Auf der Plattform Flightradar24 waren diverse Privatflüge aus Russland heraus getrackt. Unser Kollege Alexander Chernyshev hat sich die aktuelle Entwicklung von Flugtickets angeschaut und herausgefunden: Tickets für direkte Verbindungen von Moskau nach Tiflis, Astana und Istanbul gibt es nicht mehr.

14:28 — Sicherheitskräfte in Moskau bereiten sich offenbar auf Wagner-Söldner vor — Moskau bereitet sich offenbar auf einen Sturm der Wagner-Söldner vor. Wie die russische Zeitung »Vedemosti« veröffentlichte nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters Bilder von Polizeistellungen im Südwesten der russischen Hauptstadt. Demnach sind auch Polizisten an der Stelle zu sehen, an der die Autobahn M4, auf der die Wagner-Söldner unterwegs sind, Moskau erreicht.

14:08 — Prigoschin: Kein Schuss für Übernahme des Hauptquartiers in Rostow — Bei der Übernahme des Hauptquartiers des Südlichen Militärbezirks in Rostow haben die Wagner-Söldner nach Angaben ihres Chefs Jewgenij Prigoschin keinen Schuss abgesetzt. In einer Sprachnachricht, die von seinem Pressedienst bei Telegram veröffentlicht wurde, sagt Prigoschin, dass seine Männer von Artillerie und Hubschraubern beschossen worden seien. Er sagt in der Sprachnachricht auch, dass er glaube, die Unterstützung der russischen Menschen für einen »Marsch der Gerechtigkeit« zu haben.

13:59 — Bewohner aus Rostow am Don berichten dem SPIEGEL, dass Hunderte Menschen unterschiedlichen Alters im Zentrum der südrussischen Stadt unterwegs sind. Viele seien neugierig und würden umherlaufen und schauen, wo die teils maskierten Bewaffneten stünden. Die Stimmung in der Stadt sei ruhig. Wenn Kritik auf der Straße laut würde, würden sich ältere Menschen äußern: »Was macht ihr? Habt ihr nicht die Ansprache von Putin gehört?« Es sind Flaggen auf den Rostower Straßen zu sehen, darunter auch solche mit dem rot-gelb-schwarzen Wagner-Logo. Ein Student berichtete dem SPIEGEL, dass Wagner-Kämpfer Flaggen ihrer Söldnertruppe von einem Lastwagen aus an Passanten verteilt hätten. In einigen Geschäften würden die Menschen beginnen, sich mit Konserven, Brot und Kartoffeln einzudecken.

13:19 — Berichte über russische Luftangriffe auf Wagner-Söldner — Es gibt Berichte über Luftangriffe der russischen Streitkräfte auf die aufständischen Wagner-Söldner. Bei Telegram schreibt ein der Gruppe nahestehender Account davon, demnach habe der »Bürgerkrieg offiziell begonnen«. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet unter Berufung auf einen Reporter, dass Militärhubschrauber das Feuer auf einen Konvoi der Wagner-Söldner in der Nähe der Stadt Woronesch eröffnet hätten. Die Autobahn M-4, die auch durch Woronesch führt, ist eine direkte Verbindung von Rostow nach Moskau. Fotos zeigen Militärfahrzeuge mit Wagner-Kämpfern auf der Autobahn.

12:45 — Tote nach Raketenangriff auf Kiew — Im Ukrainekrieg rückt der Fokus plötzlich nach Russland. In der Ukraine selbst gibt es jedoch weiterhin russische Angriffe. Wie die Kiewer Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden in der Nacht auf Samstag bei einem Raketenangriff auf ein Wohnhochhaus der Haupstadt drei Menschen getötet und elf weitere verletzt. Der Angriff war einer der folgenschwersten auf Kiew in den vergangenen Wochen und Monaten.

12:18 — Selenskyj schreibt über großes russisches »Chaos« — »Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst«, schreibt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Wagner-Aufstand in Russland bei Twitter. Lange habe Russland seine Propaganda genutzt, um die »Schwäche und Dummheit seiner Regierung zu verschleiern«, schreibt er weiter. »Jetzt ist das Chaos so groß, dass es keine Lüge mehr verbergen kann.« Und: »Die Schwäche Russlands ist offensichtlich. Schwäche in vollem Ausmaß.« 11:47 — Prigoschin widerspricht Putin — In einer aktuellen Sprachnachricht hat Wagner-Chef Prigoschin seinem ehemaligen Verbündeten Putin eine Fehleinschätzung der Lage vorgeworfen. »Der Präsident irrt sich schwer«, sagt Prigoschin in der Tondatei, die bei Telegram veröffentlicht wurde. »Wir sind Patrioten unserer Heimat.« Russland solle nicht länger mit Korruption, Lügen und Bürokratie leben müssen. Putin hatte die Aufständischen um Prigoschin in einer Fernsehansprache als »Verräter« bezeichnet (siehe Beitrag um 9.05 Uhr).

11:28 — Kadyrow stellt sich auf Putins Seite — Die eine Privatarmee stellt sich gegen Putin, die andere versammelt sich hinter dem Kremlchef: Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow steht nach eigenen Angaben bereit, um den Aufstand der Wagner-Kämpfer niederzuschlagen. Der Putin-Verbündete nannte das Vorgehen wie bereits zuvor Putin einen »Dolch im Rücken«. Die russischen Soldaten sollten sich nicht provozieren lassen, erklärte Kadyrow bei Telegram.

11:04 — Putin musste in seiner kurzen TV-Ansprache einräumen, dass die Lage in Rostow am Don »schwierig« sei. Dass auch in Moskau, dem Gebiet Moskau und in anderen Regionen Anti-Terror-Maßnahmen eingeleitet wurden, zeigt wie angespannt die Lage ist. Putin versuchte in seiner Ansprache zu signalisieren, dass er die Lage unter Kontrolle habe. Er habe noch in der Nacht mit allen Kommandeuren seiner Armee gesprochen, erklärte er, rief zur Einigkeit auf. Das Vorgehen der Wagner-Truppen bezeichnete er als »Dolchstoß« und verglich die Situation mit der vom Oktober 1917, sprach von »Verrat« und »Hochverrat«. Prigoschin, dessen Namen er nicht ein einziges Mal nannte, und den Aufständischen drohte er »baldige Bestrafung« an. Die russischen Streitkräfte hätten den Befehl erhalten, »entschlossen« gegen »diejenigen vorzugehen, die den bewaffneten Aufstand organisiert haben«, man werden »hart« gegen sie vorgehen. — Doch wie sich die einfachen Soldaten nun verhalten werden, ist ungewiss. — In Moskau begreifen viele Menschen erst jetzt nach Putins Rede den Ernst der Lage.

10:56 — Wagner-Söldner: »Bald haben wir einen neuen Präsidenten« — In einem der Telegram-Kanäle, die Prigoschins Söldner-Gruppe zugeschrieben werden, wird erstmals der russische Präsident direkt bedroht. »Pypa (Anmerkung der Redaktion: abfällig für Putin) hat die falsche Wahl getroffen. Schlecht für ihn. Bald haben wir einen neuen Präsidenten«, heißt es in dem Kanal mit Namen »AP Wagner«. Dies könnte darauf hindeuten, dass Prigoschins Ambitionen über einen Sturz der Verantwortlichen im Verteidigungsministerium hinausgehen.

10:55 — Es gibt erste Bilder aus Rostow, die Wagner-Söldner auf den Straßen der Stadt zeigen: 10:48 — Moskauer Außenministerium: Russen sollen sich hinter Putin stellen — Das russische Außenministerium hat die russische Bevölkerung dazu aufgerufen, sich hinter Kremlchef Putin zu stellen. Der Aufstand der Wagner-Söldner zielt offenbar auf Moskau ab, der Gouverneur der Region Woronesch, die zwischen Rostow und Moskau liegt, erklärt laut der Nachrichtenagentur Ria, dass die russischen Streitkräfte die notwendigen Maßnahmen durchführten.

 
 

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Patriotische Kräfte besorgt / Russische Nationalisten befürchten demütigende Niederlage

24.06.2023NewsFrankfurter RundschauN.N. —   –  Details

Wagner Plakat

Welche Folgen hat der Wagner-Aufstand für den Krieg gegen die Ukraine? Eine Gruppe russischer Nationalisten sieht Russland am Rande einer Katastrophe. Immerhin gibt es auch warme Worte für Präsident Putin. Die kommen allerdings aus einer anderen Richtung. — Eine Gruppe russischer Nationalisten und Kriegsbefürworter um einen früheren Offizier des Inlandsgeheimdienstes FSB kündigt einen Plan zur Rettung des Vaterlandes an. Russland stehe am Rande einer Katastrophe, heißt es in einer Erklärung der Gruppe. Ein Bürgerkrieg könnte zu einer demütigenden militärischen Niederlage in der Ukraine führen. «Patriotische Kräfte» wollen sich demnach am Sonntag treffen, um über die Lage zu sprechen.

 
 

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So rücken die Wagner-Söldner auf Moskau vor / Grafikanalyse

24.06.2023NewsSpiegel OnlineAlexander Epp und Oliver Imhof —   –  Details

Rostow-Moskau

Wagner-Söldner vor einem Regierungsgebäude in Rostow am Don am 24. Juni 2023, daneben Karte der wichtigen Hauptverkehrsroute M-4 — Kämpfer der Wagner-Gruppe bahnen sich den Weg durch Russland, wie Videoaufnahmen und Fotos belegen. Der Kreml begegnet dem Aufstand mit harter Hand – die Kartenanalyse.

 
 

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Prigoschin und Wagner können Putins Macht nicht direkt herausfordern, aber sie entlarven seinen schwächelnden Einfluss

24.06.2023NewsThe GuardianKeir Giles —   –  Details

putin

Der Aufstand wird den Krieg nicht stoppen: Prigoschin teilt Putins Ziele in der Ukraine. Aber ein abgelenktes Russland ist gut für die Welt — Wieder einmal hat Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine eine Wendung genommen, die er nie erwartet hätte. Die kurze Rede des russischen Führers, in der er Jewgeni Prigoschin von der Wagner-Gruppe anprangerte, und die scheinbar bedeutende Meuterei zeigten, dass er weiß, wie gefährlich die Situation für ihn sein könnte – aber wenn er einen überzeugenden Plan hat, wie er damit umgehen soll, dann weiß er es Ich teile es nicht. — Putin verglich Prigoschins Aktionen mit den «Intrigen», die seiner Meinung nach 1917 die russische Armee und dann den Staat selbst zu Fall brachten . Er hat nicht unrecht – das ist nicht unähnlich der Art und Weise, wie russische Armeeeinheiten während dieses militärischen Zusammenbruchs massenhaft die Front verließen. — Putins trotzige Rhetorik, in der er verspricht, diesem Verrat energisch entgegenzutreten, folgt auf wochenlanges Schweigen über die zunehmende Konfrontation zwischen Prigoschin und dem regulären Militär Russlands. Sich auf die Geschehnisse von 1917 zu berufen, könnte bedeuten, dass Putin erkennt, dass er damit zu spät aufgehört hat und zugelassen hat, dass sich eine echte Herausforderung für die Stabilität seiner Macht in Russland entwickelt. — (…) — Diese Demonstration der Fragilität Russlands unterstreicht nur noch einmal, wie wichtig es ist, die Ukraine weiterhin uneingeschränkt zu unterstützen. Die Behauptung, dass Russland nicht besiegt werden kann und es daher besser ist, es nicht zu versuchen und stattdessen eine «Verhandlungslösung» der einzige Weg nach vorn sei, wurde durch diesen internen Konflikt umfassend torpediert. Für Russland ist dies jedoch ein vorübergehender Rückschlag – und eine dringend verstärkte Unterstützung für die Ukraine hat das Potenzial, eine dauerhafte Lösung herbeizuführen. — Ein abgelenktes, geschwächtes Russland ist eine gute Nachricht für alle anderen. Prigozhins Herausforderung an Moskau ist eine Konfrontation zwischen einem Psychopathen, der eine Bande mörderischer Krimineller anführt, und einem Mafiaboss, der im Kreml sitzt und Russlands Reichtümer unter seinen Kumpanen aufteilt. Wir wünschen beiden Seiten viel Glück. — Keir Giles arbeitet mit dem Russland- und Eurasien-Programm von Chatham House zusammen; Er ist der Autor von Russia›s War on Everybody

 
 

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