Peter Brötzmann – Der explosive Klassiker des europäischen Jazz starb 82-jährig

23.06.2023NewsDer StandardLjubisa Tosic —   –  Details

Peter Brötzmann

Die Emanzipation des frei improvisierten Jazz begann in den USA – damals, 1960, als Altsaxofonist Ornette Coleman dem Stil mit der Einspielung Free Jazz den Namen gab. In dem Begriffspaar verbarg sich, jedoch nicht unbedingt bei Coleman, dem Konzeptualisten, nicht weniger als die expressive Pulverisierung musikalischer Rahmenbedingungen, die in der Szene folgen sollte. — Die harmonische Gebundenheit an ein tonales System wurde aufgegeben wie auch rhythmische Konventionen und die Rollenverteilung Solist/Begleiter. Kollektive Spontankommunikation im Geiste der Unmittelbarkeit erfasste auch etablierte Innovatoren wie Saxofonist John Coltrane. Dessen expressive Monologe zeigten ab Mitte der 1960er einen Improvisator in Grenzbereichen des Ausdrucks. — Diese Form der Ausdrucksentfesselung konsequent und radikal zum lebenslangen Spielprinzip erkoren zu haben oblag allerdings einem Grübler aus Deutschland. Peter Brötzmann, 1941 in Remscheid geboren, hob das «Power Play» mit der Einspielung Machine Gun zum Inbegriff einer unverwechselbar ruppigen Ästhetik, die auch den Zorn über die Verhältnisse in Deutschland in den 1960ern zu spiegeln schien. Die Kollegen aus den USA waren wichtige Impulsgeber. Brötzmann pflegte Kontakte zu Größen wie Eric Dolphy und Don Cherry, der ihm schließlich auch den Spitznamen «Machine Gun» verpasst hatte.

 
 

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Machine Gun: Free-Jazz-Meister Peter Brötzmann ist tot

23.06.2023NewsThe Rolling StoneMarkus Schneider —   –  Details

Peter Brötzmann

Peter Brötzmann hat den europäischen Free Jazz geprägt wie kaum ein anderer. Nun ist der Saxophonist und Komponist im Alter von 82 Jahren gestorben.

 

Peter Brötzmann, der mit seinem radikalen, einfallsreichen Jazz-Stil die Spielmöglichkeiten des Genres auf dem alten Kontinent maßgeblich veränderte, ist gestorben. Das melden am Freitag (23. Juni) übereinstimmend mehrere Medien. Mit seinen extravaganten Free-Jazz-Ausbrüchen prägte er sogar ein eigenes Verb: «brötzen». Ex-US-Präsident Bill Clinton, ebenfalls passionierter Saxophonist, aber mit weniger Talent beschenkt, nannte ihn einmal «einen der Größten».

 

Geboren 1941 in Remscheid, begann Peter Brötzmann zunächst Klarinette zu lernen. Nach der Schule absolvierte er ein Kunststudium und arbeitete als Grafiker; dabei wurde er tief geprägt von der Fluxus-Bewegung. Nebenher spielte er in verschiedenen Bands Klarinette und Tenorsaxofon. Bereits Anfang der 1960er-Jahre gelang ihm mit seinen Alben «For Adolphe Sax» und vor allem «Machine Gun» der Durchbruch. «Machine Gun» ging auf einem Spitznamen zurück, den ihm der verdutzte Don Cherry einmal für sein muskulös-schrilles Saxophonspiel gab. Beide Platten erschienen im Eigenverlag, weil Brötzmann die Kontrolle über sein Werk wahren wollte. — Zuvor ließ er sich von Miles Davis, John Coltrane und anderen Jazz-Größen inspirieren, als sie durch Deutschland tourten. Brötzmann bildete mit Peter Kowald und dem schwedischen Schlagzeuger Sven-Åke Johansson ein Trio, spielte mit Carla Bley und Cecil Taylor und blieb stets der Vorstellung treu: Nur Veränderung bringt Fortschritt.

 
 

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Die Teutonische Axt: Eine Würdigung eines großen Saxofonisten

23.06.2023NewsBerliner ZeitungMarkus Schneider —   –  Details

Peter Brötzmann

Der große Free-Jazz-Saxofonist Peter Brötzmann ist gestorben. Wir erinnern uns mit einer Eloge, die wir zu seinem 70. Geburtstag gedruckt haben. Sie ist immer noch wahr. — Es bläst einen noch immer glattweg über den Haufen. 43 Jahre liegt die Veröffentlichung von Peter Brötzmanns «Machine Gun» (1968) zurück, aber das Album hat nichts von seiner mark- und beinerschütternden Wucht verloren. Wobei dieses zweite Album des am Sonntag siebzigjährigen Saxofonisten aus Remscheid nicht allein wegen seiner klanglichen Qualität von historischer Bedeutung ist, sondern natürlich auch als einer der großen, definierenden Meilensteine des europäischen Free Jazz. — Immerhin brachte Brötzmann zu den Octet-Aufnahmen – neben seinem Kern-Trio aus dem Bassisten Peter Kowald und dem Drummer Sven-Ake Johansson – auch die Saxofonisten Willem Breuker und Evan Parker mit, den Pianisten Fred van Hove sowie Han Bennink am zweiten Schlagzeug und Buschi Niebergall als zweiten Bassisten – Schweden, Belgier, Holländer, Briten und Deutsche, die seit 1966 auch zum Kreis der Free-Jazz-All-Stars des Globe Unity Orchestra gehörten, das Brötzmann und Alexander von Schlippenbach initiiert hatten. — Brötzmann kam als einer der ersten Europäer in der Fire Music von Albert Ayler, Archie Shepp und John Coltrane an, als Grenzgänger zwischen Fluxus-naher Kunst, die er in Wuppertal studiert hatte, und einer Variante des Jazz, in der er, unter dem Einfluss von Cage und Stockhausen sowie mit einem gewissen autodidaktischen Schwung, die modalen Hard-Bop-Grenzen technisch und ideell über Bord warf.

 

(…) — Aber Brötzmann ist weder nur Zerstörer noch grober Klotz, obwohl das sogar noch die borstige, kompakte Erscheinung suggeriert. Brötzmann entwickelte sein Idiom entlang der ästhetisch-politischen Befindlichkeiten der Sechziger: ein ikonoklastischer Befreiungsschlag, aber mit dem utopischen Horizont, neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Daher schwingt in seinem Spiel eben nicht nur Zorn und Revolte gegen Muff, europäische Tradition und US-Imperialismus. Sein massiver Ton ist auch eine raue, zärtliche Liebeserklärung ans musikalische Kollektiv und die Pioniere des Jazz, von Coleman Hawkins über Sonny Rollins bis zu Ayler, dem er, zusammen mit dem Bassisten William Parker, dem Drummer Hamid Drake und dem Elektro-Trompeter Toshinoro Kondo das Projekt Die Like A Dog widmete. — Es scheint zwangsläufig, dass er initial am Schisma mitwirkte, das 1968 zur Trennung des Improvisationsfestes Total Music Meeting vom Berliner Jazzfest führte. Als direkte Folge gründete er mit Jost Gebers, Peter Kowald und Alexander von Schlippenbach im Jahr darauf das Berliner Label Free Music Productions, zweifellos eine der einflussreichsten Institutionen des europäischen Free Jazz, die ihr betrüblich endgültiges Aus gerade mit einer angemessenen 12er-Box feiert. — 1967 verwies Brötzmanns erstes selbstproduziertes Album «For Adolphe Sax» denn auch nicht auf Politik oder Genre, sondern auf die Erfindung seines Instruments, also die Möglichkeit einer neuen Stimme. Peter Brötzmann gehört auch mit 70 noch zu ihren leidenschaftlichsten, respektvollsten und natürlich lautesten Aktivisten. — Dieser Text ist im Original in der Berliner Zeitung 2011 zu Peter Brötzmanns 70. Geburtstag erschienen. Am 22. Juni 2023 ist Peter Brötzmann verstorben.

 
 

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Grenzen der Improvisation: Zum Tod von Peter Brötzmann

23.06.2023NewsNZZChristoph Wagner —   –  Details

Peter Brötzmann

Als frei improvisierender Berserker avancierte Peter Brötzmann zu einem der berühmtesten deutschen Jazzmusiker weltweit. Am Donnerstag ist er im Alter von 82 Jahren verstorben. — — Peter Brötzmann (2018) war ein kompromissloser Jazzrevolutionär, der im Spätwerk aber zu leiseren Tönen fand. – Er war ein deutscher Free Jazzer mit internationaler Reputation. Wo immer der Saxofonist Peter Brötzmann als furioser Improvisator auftrat, um Kraft und Lautstärke in den Dienst emotionaler Grenzerfahrungen zu stellen, waren die Säle voll. Der Wuppertaler galt als Berserker, der musikalische Barrieren niederriss und die freie, atonale Improvisation auf die Spitze trieb.

 

 
 

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Peter Brötzmann ist im Alter von 82 Jahren gestorben

23.06.2023NewsThe QiuetusChristian Eede —   –  Details

Peter Brötzmann

Die Legende des Free Jazz starb friedlich im Schlaf zu Hause in Deutschland — Peter Brötzmann, der Pioniermusiker, der mit seinem Saxophonspiel zu einer Schlüsselfigur des europäischen Free Jazz wurde, ist im Alter von 82 Jahren gestorben. — Die Nachricht von seinem Tod wurde von seinem Label Trost sowie seiner Mitarbeiterin Heather Leigh bestätigt, die sagten, er sei am Dienstagabend (20. Juni) friedlich im Schlaf zu Hause in Wuppertal, Deutschland, gestorben. — Brötzmann wurde 1941 in Remscheid, Deutschland, geboren. Er studierte bildende Kunst und begann bereits als Teenager Musik zu machen. Er brachte sich das Saxophon- und Klarinettenspiel autodidaktisch bei und ließ sich von US-Jazz-Ikonen wie John Coltrane und Miles Davis inspirieren. — Mitte der 60er Jahre begann Brötzmann als Teil eines Trios mit dem Kontrabassisten Peter Kowald und dem Schlagzeuger Sven-Åke Johansson zu spielen. Er lehnte die vorherrschenden rhythmischen und melodischen Zwänge eines Großteils der damaligen Jazzmusik ab und entschied sich für einen experimentelleren Weg im Free Jazz. Seine erste Soloplatte, For Adolphe Sax , erschien 1967, ein Jahr später folgte eines seiner beliebtesten Werke, Machine Gun . — In den 70er Jahren folgten weitere Aufnahmen, sowohl solo als auch mit verschiedenen Kollaborateuren, wobei Brötzmann bekanntermaßen damit experimentierte, sein Saxophon zu spielen, während es einmal in einem Fluss versunken war. In den 80er Jahren gründete er zusammen mit Ronald Shannon Jackson, Bill Laswell und Sonny Sharrock die Jazz-Supergroup Last Exit. — Brötzmann veröffentlichte im Laufe seiner Karriere mehr als 50 Platten und arbeitete mit Künstlern wie Cecil Taylor, Keiji Haino, Derek Bailey und Mats Gustafsson zusammen. Seine letzte Soloplatte in voller Länge, Philosophy Of Sound , erschien 2020.

 
 

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Der Jazz-Saxophonist Peter Brötzmann ist tot

23.06.2023NewsBerliner ZeitungBLZ —   –  Details

Peter Brötzmann

Der Jazzmusiker Peter Brötzmann ist tot. Dies berichtet Deutschlandfunk Kultur unter Berufung auf seine Agentin. — Brötzmann galt als einer der Pioniere auf dem Gebiet des Free Jazz. Er spielte Saxofon, gelegentlich auch Klarinette, und verhalf insbesondere dem Basssaxofon zu neuer Aufmerksamkeit im Jazz. Aufgrund seiner markanten Spielweise und seine Art zu improvisieren gehörte er zu den international bekanntesten deutschen Jazzmusikern. «Ja, beim Improvisieren werde ich einiges los», gestand Brötzmann einmal in einem Interview. «Meine Art, Tenorsaxofon zu spielen, hat sehr viel damit zu tun, Licks und Töne verschwinden zu lassen. Ab in den Ofen damit!» — Brötzmann war einer der Gründer des Plattenlabels Free Music Production in Berlin. Bis in die 80er-Jahre trat er regelmäßig beim Total Music Meeting auf, später auch bei den Berliner Jazztagen, zu denen das Total Music Meeting ursprünglich als Gegenbewegung gegründet worden war. Wiederholt spielte er zusammen mit seinem Sohn, dem Progressive-Rock-Gitarristen Caspar Brötzmann. Das eigens in die Jazz-Sprache eingegangene Verb «brötzen» bezeichnet das einzigartige Saxophonspiel Peter Brötzmanns, der nun im Alter von 82 Jahren gestorben ist.

 
 

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Hey Brötzmann, mach einfach!

23.06.2023NewsZeit OnlineReinhard Köchl —   –  Details

Peter Brötzmann

Der legendäre Freejazz-Saxofonist Peter Brötzmann ist gestorben. Dieses Interview haben wir Anfang Juni mit ihm geführt. Wir veröffentlichen es nun zum Abschied von ihm. — Seit den Sechzigerjahren verwendete Peter Brötzmann das Saxofon als musikalisches Maschinengewehr und wehrte sich damit gegen Krieg, Rassismus und den Zeitgeist. Er gehörte zu den Paten des Freejazz, blieb jedoch lange Zeit Außenseiter und Missverstandener. Vielleicht gab er auch deshalb kaum Interviews. Anfang Juni jedoch wollte sich der da bereits geschwächte Brötzmann noch einmal Gehör verschaffen und sprach mit uns. Wir wollten das Interview in diesen Tagen veröffentlichen, nun hat es eine traurige Aktualität erlangt: Peter Brötzmann ist am Donnerstag im Alter von 82 Jahren gestorben. Wir haben den Wortlaut und Verlauf des Gesprächs nicht verändert, Brötzmann hat die Abschrift vor wenigen Tagen in exakt dieser Form autorisiert. — ZEIT ONLINE: Eigentlich beginnt man so kein Interview, aber die Frage sei angesichts Ihres Gesundheitszustands erlaubt: Wie geht es Ihnen? — — Peter Brötzmann: Ich plage mich seit etwa 20 Jahren mit COPD herum (einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, bei der sich die Atemwege entzünden und anhaltend verengen – Anm. d. Red.). Im Lauf der Covidjahre ist es schlechter geworden, was dazu geführt hat, dass ich vor einigen Monaten nach Konzerten in Warschau und London einen Totalzusammenbruch mit Intensivstation und all dem Scheiß erlitten habe. Seither bin ich zu Hause und versuche, mich zu erholen. Bloß wie die Zukunft aussieht, das weiß der Teufel. Um realistisch zu sein: Im Augenblick habe ich wohl keine. — ZEIT ONLINE: Wie meinen Sie das? — — Brötzmann: Na ja, so wie es aussieht, ist es mit dem Spielen vorbei. — ZEIT ONLINE: Sollten Sie damit recht behalten, ist also Catching Ghosts, das Album, das Sie im Oktober 2022 gemeinsam mit Majid Bekkas und Hamid Drake beim Jazzfest Berlin aufgenommen haben, das Finale eines bewegten Musikerlebens?

 
 

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Wuppertaler Jazzmusiker Peter Brötzmann gestorben

23.06.2023NewsWDR 3N.N. —   –  Details

Peter Brötzmann

Der Wuppertaler Jazz-Saxofonist und Klarinettist Peter Brötzmann ist tot. — Er starb im Alter von 82 Jahren. Peter Brötzmann war international einer der bedeutendsten deutschen Jazzmusiker. Bekannt war er für seine markante und energetische Spielweise, die im Free Jazz auch als «brötzen» bezeichnet wird. Geboren wurde Peter Brötzmann 1941 in Remscheid. Als Autodidakt begann er mit 16 in einer Dixieland-Kapelle Klarinette zu spielen. Später wechselte er zum Tenor-Saxofon. Seinen Durchbruch hatte Peter Brötzmann Ende der 60er Jahre mit seinem Album «Machine Gun». Im Verlauf seiner Karriere spielte er in zahlreichen Konstellationen weltweit. Vom Soloformat über Duos, Trios, bis hin zu seinem Chicago Tentet und noch größeren Formationen.

 
 

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Peter Brötzmann, Legende des Free Jazz, ist im Alter von 82 Jahren gestorben

23.06.2023NewsThe GuardianBen Beaumont-Thomas —   –  Details

Peter Brötzmann

Der für sein wildes, aber dennoch ausdrucksstarkes Spiel gefeierte Saxophonist starb friedlich im Schlaf zu Hause in Deutschland — — Peter Brötzmann, der Saxophonist, dessen kraftvoller und emanzipierter Spielstil ihn zu einer zentralen Figur des europäischen Jazz machte, ist im Alter von 82 Jahren gestorben. — Die Nachricht wurde von seinem Label Trost und seiner Mitarbeiterin Heather Leigh bestätigt, die sagten, er sei am Dienstagabend friedlich im Schlaf zu Hause in Wuppertal, Deutschland , gestorben.

 
 

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DER UNBEUGSAME FREE JAZZER / Zum Tod von Peter Brötzmann

23.06.2023NewsBR-KlassikRoland Spiegel —   –  Details

Peter Brötzmann

»Brötzen» – dieses Verb wurde nach Saxophonist Peter Brötzmann benannt. Ein Wort, das so klingt, wie seine Musik: unnachgiebig und kompromisslos. Der deutsche Free Jazzer ist nun im Alter von 82 Jahren gestorben.

 

Fans eher traditioneller Jazzklänge haben einen wie ihn stets gemieden. Der am 6. März 1941 in Remscheid geborene Bildende Künstler und Musiker Peter Brötzmann war für sie gleichsam der Teufel persönlich. Er spielte das Saxophon so ungestüm, dass es schier zu bersten schien, Musik war bei ihm lange Zeit der pure Exzess. Er war 1966 Gründungsmitglied des «Globe Unity Orchestra», das mit befreiten Tönen die Welt umarmen wollte. Und er gründete drei Jahre später auch das bedeutende deutsche Free-Jazz-Label «Free Music Production» mit. — PETER BRÖTZMANN: DER VATER DES DEUTSCHEN FREE JAZZ — Verehrer nannten ihn liebevoll den «Vater des deutschen Free Jazz». Doch weit über die Bundesgrenzen hinaus hatte dieser Musiker aktuelle Entwicklungen mitgeprägt. Geschätzt und verehrt wurde er auch in den USA und in Japan. Peter Brötzmanns Klang und seine unnachgiebige musikalische Haltung haben sogar den deutschen Wortschatz bereichert. Um ein Verb: «brötzen». Ein Wort, das man nicht nachschlagen muss, wenn man die Musik dieser deutschen Free-Jazz-Ikone hört. — WILD, UNGESTÜM, AUFBEGEHREND — Einer wie er klang nie harmlos. Seine Musik war wild, ungestüm, aufbegehrend, rau-ungeschliffen, energiegeladen, ausdrucksgierig und wahrhaftigkeitsversessen. Jeder Ton ein Statement. Es war Musik mit viel Puste und gehörig Lust am Sound. Und diese Lust ließ bis zum Ende nicht nach. «Ich bin ein ganz alt gewordener Jazzmusiker. Ja.» Das hat Peter Brötzmann über sich selbst gesagt. «Jazzmusiker» sprach er dabei so aus, wie es die nach dem Zweiten Weltkrieg mit dieser Musik großgewordene Generation grundsätzlich tat: «Jatzmusiker». Ein Bürgerschreck war er. Ein – auf den ersten Blick zumindest, auf den zweiten dann nicht mehr – Holzfäller-Typ mit Bürstenhaar und einem Buschwerk von Bart. Und zugleich einer, der überraschend sanft wirkte, wenn er sprach. Die Stimme: leicht aufgeraut, ja. Aber kein Beton-Organ. Sondern ein Sound, der leise ausschwang. — Ich hab›s immer noch gerne, wenn ich einen Trommler hinter mir habe. Wenn es losgeht und das Horn vibriert. Das ist schon ein gutes Gefühl.

 

Peter Brötzmann — HARTE SCHALE, WEICHER KERN — Dieser Ungezähmte – immerhin fünf Jahrzehnte lang der wohl wildeste Mann des deutschen Jazz – war sensibel. Ein Mann wie ein Baum, mit den rücksichtsvollsten Umgangsformen, die man sich vorstellen konnte. Das schlug sich auch musikalisch nieder. Ganz fein abgetönt klang seine Musik in zarten Momenten. Doch lange Zeit war der deutsche Free-Jazz-Saxophonist Peter Brötzmann schlicht auch einer der Lautesten im Lande. Wie ein Nebelhorn klang da das Saxophon. Sogar richtig martialisch konnte seine Musik werden.

 
 

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Saxofonist Peter Brötzmann ist gestorben

23.06.2023NewsZeit OnlineAlexander Eydlin, Pauline Pieper u.a. —   –  Details

Peter Brötzmann

Er war einer der renommiertesten Jazzmusiker Deutschlands. Nun ist der Saxofonist Peter Brötzmann im Alter von 82 Jahren gestorben. — Der Jazzmusiker Peter Brötzmann ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren. Dies berichtet Deutschlandfunk Kultur unter Berufung auf seine Agentin. — Brötzmann war ein Pionier auf dem Gebiet des Free Jazz. Er spielte Saxofon und gelegentlich auch Klarinette und verhalf insbesondere dem Basssaxofon zu neuer Aufmerksamkeit in der Welt des Jazz. Mit seiner markanten Spielweise gehörte Brötzmann zu den international bekanntesten deutschen Jazzmusikern. — — Brötzmann wurde am 06. März 1941 in Remscheid geboren. Er studierte in Wuppertal Bildende Kunst. Als Autodidakt brachte er sich Saxofon und Klarinette bei und spielte neben dem Studium in verschiedenen Bands.

 

Ab Anfang der Sechzigerjahre konzentrierte er sich auf die Musik. 1968 veröffentliche er das Album Machine Gun, das zu einem Klassiker im Bereich des experimentellen Jazz wurde. Brötzmann trat mit wechselnden Besetzungen auf und tourte durch die USA und Japan. Das Album Last Home nahm er gemeinsam mit seinem Sohn, dem Progressive-Rock-Gitarristen Caspar Brötzmann, auf.

 

 
 

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Sie nannten ihn Machine Gun – Freejazzsaxofonist Peter Brötzmann gestorben

23.06.2023Newstaz onlineJulian Weber —   –  Details

Peter Brötzmann

Peter Brötzmann galt als radikalster Vertreter des europäischen Freejazz. Sein Energyplaying holte aus dem Saxofon maximale Power. — Freie Improvisation, so hat es einmal der US-Komponist Frederic Rzewski beschrieben, ist wie Müll wegbringen. Was sich angesammelt hat, wandert sofort in die Tonne. Der Platz wird für Neues gebraucht, damit es weitergeht. Ein Vergleich, der Peter Brötzmann gefällt. — Er lacht herzhaft, ein kerniges Lachen, energiegeladen wie sein Saxofonspiel. «Ja, beim Improvisieren werde ich einiges los. Meine Art, Tenorsaxofon zu spielen, hat sehr viel damit zu tun, Licks und Töne verschwinden zu lassen. Ab in den Ofen damit!» — Seit fast 50 Jahren lässt Brötzmann Saxofontöne verschwinden. Sein spontanes, auch brachiales Spiel wider die Erwartungen hört auf den Namen Freejazz, und Brötzmann gehört hierzulande zu seinen Pionieren. Den Schritt vom Jazz zum Freejazz könne man nicht an einem Datum oder Ereignis festmachen, sagt er bescheiden. — Von innen aushöhlen — Und doch waren Brötzmann und seine Freunde Mitte der Sechziger federführend beim Aufbrechen der festgefahrenen musikalischen Formensprache des Jazz. Sie ignorierten Instrumentenhierarchien, traten im Kollektiv auf, was die Intensität der Performance erhöhte und die Songkonventionen von innen aushöhlte. Freejazz war beides, eine soziale und eine musikalische Umwälzung. — Und Brötzmann, der damals mit den Besten spielte, tut das heute noch. Er ist keinen Jota von seiner Linie abgewichen, was ihm in jüngster Zeit sehr viele neue junge Fans weltweit beschert hat. Brötzmann war ein Bilderstürmer, und er ist es immer geblieben. Einer, der zahlreiche stilbildende Freejazzalben aufnahm. Einer, der aber auch aus jedem künstlerischen schwarzen Loch wieder heil herausgefunden hat. Der in puncto Ausdrucksweise niemals Kompromisse gemacht hat. — Begonnen hat das alles in Wuppertal, wo der 1941 Geborene seit Jahrzehnten lebt und heute umgeben von Kunstwerken, Büchern und seinen Blasinstrumenten zwei Stockwerke eines schmalen Häuschens im Stadtteil Elberfeld bewohnt, unweit der Schwebebahn. Im Hinterhof liegt ein kleines Studio, in dem er malt und musiziert. In den frühen Sechzigern besuchte Brötzmann die Wuppertaler Werkbundschule. — Vom Fluxus lernen — Ursprünglich wollte er Maler werden, dann studierte er Grafik. In einer Galerie lernte er den Fluxuskünstler Nam Jun Paik kennen und wurde dessen Assistent. Nach Happenings reparierte Brötzmann etwa Paiks präpariertes Klavier. Von dem Koreaner lernte Brötzmann, wie wichtig es ist, in allen Belangen künstlerische Unabhängigkeit zu bewahren, was ihn später in seiner Haltung als Musiker bestärkte. — Im Mutterland des Jazz, den USA, symbolisierte Jazz Mitte der Sechziger das Prinzip Freiheit. Der Kampf der US-Bürgerrechtsbewegung gegen die Segregation übertrug sich auch auf die musikalische Ästhetik. — Diese Signale wurden in Deutschland verstanden, wenngleich den jungen Musikern der damals allgegenwärtige Hard-Bop-Sound musikalisch zu zahm erschien. «Freejazzmusiker wie Ornette Coleman und Albert Ayler lagen uns näher», so Brötzmann, der auch Konzerte mit diesen Erneuerern organisierte. Nächtelang hing er etwa mit Eric Dolphy ab, hörte zu, fragte, lernte. Der Trompeter Don Cherry gab ihm den Spitznamen «Machine Gun».

 
 

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