30.06.2023 – News – Focus Online – Benjamin Reuter – The Washington Post — – Details
Walerij Saluschnyj
Der Generalstabschef der Ukraine, Walerij Saluschnyj, gibt der Washington Post ein Interview, in dem großer Ärger über die Lage im Krieg deutlich wird. Er äußert sich darin auch über Leopard-Panzer, die er als Zielscheiben beschreibt.
Das hatte sich die Reporterin der US-Zeitung «Washington Post» sicher auch etwas anders vorgestellt, als sie den Chef des ukrainischen Generalstabs, Walerij Saluschnyj, in seinem Büro in Kiew besuchte. — Statt eines aufgeräumten Gesprächs wurde Isabelle Khurshudyan mit einer Wutrede konfrontiert. Gegen wen genau sich Saluschnyjs Ärger richtet, wird nicht ganz klar, aber eingrenzen lässt es sich: Gegen die Regierungen im Westen, die so zögerlich bei ihren Waffenlieferungen sind und gleichzeitig offensichtliche militärische Wunder vom ukrainischen Militär erwarten. Namen nennt der General keine. — Über großflächige Rückeroberungen sagt er: «Ohne eine vollständige Ausrüstung sind diese Pläne eigentlich überhaupt nicht durchführbar. Aber sie werden durchgeführt. Ja, vielleicht nicht so schnell, wie es die Teilnehmer der Show, die Beobachter, gerne hätten, aber das ist ihr Problem.» — Während die wichtigsten westlichen Unterstützer Kiews niemals eine Offensive ohne Luftüberlegenheit starten würden, habe die Ukraine immer noch keine modernen Kampfflugzeuge erhalten. Aber es werde erwartet, dass sie rasch Gebiete von den russischen Besatzern zurückerobere.
«Es ist keine Show, bei der die ganze Welt zuschaut und Wetten abschließt oder so etwas. Jeder Tag, jeder Meter wird mit Blut gespendet», sagt er über die Gegenoffensive. — «Es kotzt mich an» , antwortet er, wenn er auf die eher langsamen Fortschritte der ukrainischen Truppen an der Front angesprochen wird. — Seine Truppen müssten mindestens so viele Artilleriegeschosse abfeuern wie der Feind, aber wegen der begrenzten Ressourcen seien sie manchmal um das Zehnfache unterlegen .
Über sein Verhältnis zum US-Generalstabschef Mark Milley sagt er: «Wir sind rund um die Uhr in Kontakt. Manchmal rufe ich an und sage: ‹Wenn ich in einer Woche nicht 100.000 Geschosse besorge, werden 1000 Menschen sterben. Versetz dich in meine Lage.‹ Aber es ist nicht Milley, der entscheidet, ob wir Flugzeuge bekommen oder nicht. Es ist nur so, dass in der Zeit, in der diese Entscheidung getroffen wird, jeden Tag eine Menge Menschen sterben – eine Menge. Nur weil noch keine Entscheidung getroffen wurde.» — Über die zerstörten Leopard-Panzer sagt er: «Wir haben die Leoparden nicht, damit sie bei Paraden mitfahren oder damit sich Politiker oder Prominente mit ihnen fotografieren lassen. Sie sind hier, um Krieg zu führen. Und ein Leopard auf dem Schlachtfeld ist kein Leopard, sondern eine Zielscheibe.» — Auf die Debatte um die Lieferung von Kampfjets angesprochen, sagt er: «Sagen wir einfach, die Zahl der Flugzeuge, die in der Nähe unserer westlichen Grenzen im Einsatz sind, ist doppelt so hoch wie die Zahl der russischen Flugzeuge, die unsere Stellungen verwüsten. Warum können wir nicht wenigstens ein Drittel davon von dort hierher verlegen?» Und weiter: «Ich brauche keine 120 Flugzeuge. Ich werde nicht die ganze Welt bedrohen. Eine sehr begrenzte Anzahl würde ausreichen. Aber sie werden gebraucht. Weil es keinen anderen Weg gibt. Weil der Feind eine moderne Generation von Flugzeugen einsetzt. Es ist, als ob wir jetzt mit Pfeil und Bogen in die Offensive gehen würden.» — Über die jetzt nach Belarus verlegten Wagner-Truppen sagt er: «Ich habe viele Ängste, und Wagner ist eine davon. Und sie ist nicht die einzige. Wenn wir jetzt anfangen, darüber zu reden, dreht sich mein Kopf. … Unsere Aufgabe ist es, uns auf die schlimmsten und wahrscheinlichsten Szenarien vorzubereiten. Und wir werden versuchen, die möglichen Folgen dessen, was sein könnte, zu minimieren.»
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