Verliebt in eine Statue: den David von Michelangelo. Sinnlich und dynamisch. Der Bildhauer schlägt sie nur noch aus dem Marmor heraus. Beseelt und besessen von einer tiefen Liebe zum Stein. Ein göttliches Genie, doch innerlich zerrissen; auch als Maler, Dichter und Architekt. Was ist so schön, kühn und gleichzeitig schmerzvoll bei Michelangelo?
Gründung der EU — Geburtsstunde ohne Pathos — Vor 30 Jahren trat der Vertrag von Maastricht in Kraft – das offizielle Gründungsdokument der Europäischen Union. Die politische Bedeutung war groß, die öffentliche Wahrnehmung gering. Gefeiert wurde auch nicht. — Der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (l) und Bundesfinanzminster Theo Waigel (r) unterzeichneten am 7. Februar 1992 den Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion der Europäischen Gemeinschaft in Maastricht.
Dass der deutsche Jazz ein paar Probleme hat mit der Geschlechtergerechtigkeit hat, wissen wir nicht erst seit der Studie «Gender.Macht.Musik» aus dem Jahr 2020. In den Bands und auf den Bühnen, in den Gremien und an den Hochschulen: Frauen sind weiterhin eine Minderheit und müssen ringen um jeden Schritt nach vorn. — Dass der deutsche Jazz noch viel mehr Probleme mit der Diversität hat, ist das Thema von «Queer Cheer»: In Berlin fand sich 2022 das Kollektiv aus queeren Musiker:innen – zu Beginn als Quartett mit der Pianistin Julia Kadel, den Sängerinnen Friede Merz und Laura Winkler und dem Sänger Erik Leuthäuser. Mittlerweile wächst die Gruppe schnell, will für Vernetzung, Sichtbarkeit und für «safer spaces» sorgen und arbeitet für 2024 an einem Festival. — Sonderpreis der Jury beim Deutschen Jazzpreis 2023 für Queer Cheer — Dieser rasch wachsende Zuspruch hat viel zu tun mit dem Sonderpreis der Jury beim Deutschen Jazzpreis, den Queer Cheer in diesem Jahr bekommen haben. Weil das Projekt in den Augen der Jury einen Aufbruch signalisiert und ein Rangehen an Leerstellen. Und die haben viel mit der Erfahrung von Ausgrenzung zu tun: «Wir alle hatten gespürt, dass wir jeweils in einem Jazz-Kontext die einzige queere Person waren», so Erik Leuthäuser. — Im vergangenen Winter hatte der NDR in drei Sendungen der Geschichte queerer Menschen im Jazz nachgespürt: «All That Queer Jazz – Kleine Reise durch eine Subkultur». Erik Leuthäuser sagt: «Queere Menschen waren immer Teil des Jazz, aber offen zu sein, brachte Probleme. Und die gibt es heute immer noch.»
«Simply Existing Surface», das ehrgeizigste Projekt des diesjährigen Festivals, ist ein Auftragswerk für seine Band Zooid und Silke Eberhards Potsa Lotsa XL. Es führt tief in den eigenwilligen Klangkosmos des 79-jährigen Multisinstrumentalisten. — Im großen musikalischen Karneval der Tiere sind Zooide kaum vertreten. Stockstumm und sesshaft, wie sie sind, lässt sich weder ihr Ruf noch ihre Fortbewegungsart imitieren. Auch taugen die zumeist marin, in Kolonien lebenden Wesen nicht auf Anhieb als Sympathieträger. — Ob sie wie die Kelchwürmer oder die Catenuliden Plattwürmer miteinander verwachsen sind, wie die Flügelkiemer und Moostierchen in einer Wohnröhre zusammenleben oder wie beim Manteltier gar in einer extrazellulären Matrix, der Tunica, siedeln: Der Superorganismus, den sie bilden, ist ein Wunder, das sich erst intellektuell erschließt, und es hat den Altsaxofonisten und Flötisten Henry Threadgill mit seinem Quintett Zooid gebraucht, um ihnen zumindest metaphorisch einen Platz in der Musik zu verschaffen. — Dabei ist das modulare Denken, das die Kompositionen seiner letzten Jahre prägt, in dem Grenzgebiet von Neuer Musik und Jazz, das er seit seiner Chicagoer Zeit in den Kreisen der Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) an der Seite von Muhal Richard Abrams, Roscoe Mitchell oder Anthony Braxton kennengelernt hat, nichts Ungewöhnliches. Er hat es über die Jahrzehnte seines nunmehr 79-jährigen Lebens nur zu einer Sprache geführt, die das Beste aus beiden Welten in einem reich kolorierten Idiom zusammenführt: Das Unpersönliche der klangerzeugenden Verfahren und das Persönliche, das diese in den improvisierten Passagen durch die Solisten gewinnen, schaffen eine fruchtbare Spannung von Struktur und Ausdruck.
… sondern auch mit Victoria de los Angeles und Gerald Moore, sowie in eigens für dieses Pasticcio zusammengespannten Kombinationen: Johann Strauß trifft Bela Bartok, Niccolo Paganini den Blues-Sänger Robert Johnson (nach einer Idee von Michael Köhlmeier) und Franz Liszt auf Django Reinhardt
Münchner Philharmoniker & Philharmonischer Chor München, Dirigentin: Mirga Grazinyte-Tyla. Talise Trevigne, Sopran; Okka von der Damerau, Mezzosopran. Gustav Mahler: Symphonie Nr. 2 c-Moll, «Auferstehungssymphonie» (aufgenommen am 12. September im Rahmen des «Musikfest Berlin 2023»)
Mitte September waren die Münchner Philharmoniker unter der «federleichten und zugleich unerhört präzisen» (Der Tagesspiegel) Leitung der aus Litauen stammenden Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla mit Gustav Mahlers «Auferstehungssymphonie» beim Musikfest Berlin zu erleben. — «Es klingt alles wie aus einer anderen Welt herüber. Und ich denke, der Wirkung wird sich niemand entziehen können. Man wird mit Keulen zu Boden geschlagen und dann auf Engelsfittichen zu den höchsten Höhen gehoben» – so beschrieb Gustav Mahler seine «Zweite» im Uraufführungsjahr 1895 in einem Brief. Über sechs Jahre, so lange wie an keinem anderen Werk, hat er an ihr gearbeitet. Für seine Suche nach Trost angesichts der großen Fragen unserer Endlichkeit – Warum hast du gelebt? Warum hast du gelitten? – hat Mahler keinen Aufwand gescheut: Zum üppig besetzten Orchesterapparat samt Fernorchester gesellen sich noch ein großer Chor und zwei Solistinnen. Wenn der Chor im Finale schließlich im dreifachen Pianissimo von der Gewissheit der Auferstehung raunt, dann «durchleuchtet ein allmächtiges Liebesgefühl uns mit seligem Wissen und Sein», so Mahler in einem Brief an seine Schwester Justine. — (Sarah Schulmeister)
Vicco von Bülow alias Loriot war Zeichner und Dichter, Kabarettist und Filmemacher, Regisseur, Musiker, Ehrendoktor der Universität Wuppertal und ein begnadeter Interpret seiner selbst. — Bereits 1954 erscheint sein erster Cartoonband mit dem Titel «Auf den Hund gekommen». Heute umfasst sein Werkverzeichnis weit über 50 Bücher. Er arbeitete für den «Stern», die Illustrierte «Quick», er schrieb Theaterstücke, Sketches, nahm Schallplatten auf und für seinen Song «Ich wünsch mir eine kleine Miezekatze» erhielt er 1973 sogar die «Goldene Schallplatte». — Geboren wurde der stets vornehm und ein wenig süffisant wirkende Loriot am 12. November 1923 als Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow als Sohn einer preußischen Offiziersfamilie in Brandenburg an der Havel. Was wunder, dass manche Deutsche den noblen Humanisten sogar für den idealen Bundespräsidenten hielten. — Er habe, sagt der Rhetorikprofessor Walter Jens über seinen Bruder im Geiste, er habe den Deutschen immerhin gezeigt, dass man «tiefsinnig und zugleich verwundert lächeln kann». Und Ruedi Bettschart vom Schweizer Diogenes-Verlag gesteht sogar: «Ich habe keine Bibel im Hause, aber ich habe die Loriot-Bücher stets griffbereit.»
Deutschlands berühmtester Humorist Loriot wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden. Eine Hommage in den Hörbildern. (WH Koproduktion RBB/ORF 2003)
Der Tod, das muss ein Wiener sein, sang Georg Kreisler 1969. Eine Feststellung, die seither wie eine Wahrheit behandelt wird. Wien und der Tod scheinen untrennbar miteinander verbunden. Das schlägt sich in einer Stadt, die so sehr von der Musik geprägt ist, auch im musikalischen Umgang nieder. Geprägt auch dadurch, dass lange Jahre in den Kindergärten der Bundehauptstadt ganz selbstverständlich eine Lobeshymne auf einen Alkoholiker gesungen wurde, der die Wiener im Jahre 1679 während der Pestepidemie mit anstößigen Liedern aufheiterte und sogar eine Nacht in einer Pestgrube verbrachte. Und weil der liebe Augustin auch dort weitersang, wurde er wieder herausgeholt und überlebte. Und bewies damit: der schwarze Tod ist nicht so schlimm – zumindest in Wien. — Andererseits sind es nicht sehr viele Wienerlieder, die sich mit dem Tod befassen, gemeinsam ist ihnen aber oft der Zugang: dem Ende wird ironisch und lakonisch begegnet, wirklich ernst genommen wird der Tod nicht. «Opus» mit einer Spurensuche u.a. am Friedhofshain in Währing und im Volksliedwerk in Ottakring.
«Der Feuerwehrmann» von Wolf Wondratschek. Es liest Peter Simonischek in einer Aufnahme aus dem Jahr 2007. — Die verpflichtende Anwesenheit eines Feuerwehrmanns bei größeren öffentlichen Veranstaltungen ist Ausgangspunkt einer Erzählung Wolf Wondratscheks. «Der Feuerwehrmann» erschien 2005 in dem vielgelobten Band «Saint Tropez und andere Erzählungen». Der Titelheld schiebt Abend für Abend Dienst in einem Konzertsaal und lässt die dort gebotene klassische Musik verständnislos über sich ergehen. Bis eines Abends die Klänge Mozarts unvermittelt in ihn «eindringen» und in seinem Leben keinen Stein auf dem anderen lassen . — Der im vergangenen Mai verstorbene Peter Simonischek hat die Erzählung vor etwa 15 Jahren spontan nach einem Studiotermin im Wiener Funkhaus für den befreundeten Autor eingelesen. In der Sendung ist sie zum ersten Mal zu hören.
Mara Aranda und «Sefarad» in den Herzen von Marokko, Türkei und Griechenland — Der Name Mara Aranda steht für die Verbindung von großer Leidenschaft und großer Kenntnis in der historischen Recherche mit großer Leidenschaft und großem Können im künstlerischen Schaffen. Die 1968 geborene Sängerin und mittlerweile auch Direktorin des «Centro Internacional de Música Medieval» (mit Hauptsitz in Arandas Heimatstadt Valencia) hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem einen Namen gemacht mit der Wiederentdeckung und Wiederbelebung des musikalischen Erbes der sephardischen Juden, die bereits ab dem 14. Jahrhundert von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden und unter anderem in Marokko und im osmanischen Reich Zuflucht fanden. Fès, Thessaloniki und Istanbul wurden ab dem Spätmittelalter zu blühenden Zentren sephardischer Kultur, in der auch Christentum und Islam deutliche Spuren hinterlassen haben. — Auf bislang drei (aus einer geplanten Serie von fünf) Alben hat Mara Aranda Beispiele für die reichen sephardischen Musiktraditionen in den jeweiligen Ländern versammelt: «Sefarad en el corazón de Marruecos» (2016), «Sefarad en el corazón de Turquía» (2019) und zuletzt «Sefarad en el corazón de Grecia» (2023). Dabei legt sie ein besonderes Augenmerk auf die Frauen, die mit ihrem Gesang diese Traditionen von Generation zu Generation weitergegeben haben.
Musik aus dem RadioKulturhaus: Die kolumbianische Grande Dame des Klaviers – Teresita Gómez. — «Mein Bach ist nicht deutsch. Mein Bach hat sicher etwas Schwarzes». Die Pianistin Teresita Gómez ist eine legendäre Figur in der klassischen Musikszene Kolumbiens. Zu ihrem 80. Geburtstag gab sie – erstmals seit Jahrzehnten – in Österreich ein Konzert. — Ihre Lebensgeschichte ist so außergewöhnlich wie ihr Klavierspiel: Als Säugling vor den Toren des Palastes der «bellas artes» in Medellín ausgesetzt, ist Teresita Gómez zur bedeutendsten klassischen Interpretin Kolumbiens geworden – und zu einer der wichtigsten Künstlerinnen in der Region. Als Adoptivtochter eines Pförtnerehepaars wuchs sie in den 1940er Jahren umgeben von klassischer Musik auf. Schon mit vier Jahren wiederholte sie nach Gehör den Unterricht, den die Mädchen aus wohlhabenden Familien erhielten. Als Studentin an der Nationalen Universität kämpfte die Künstlerin mit ihrem Engagement und ihrem authentischen Klavierspiel gegen die konservativ und rassistisch ausgerichtete Prägung ihres Landes an. — In der «Mit.Schnitt»-Teilwiedergabe zu Allerheiligen ist Gómez neben Bach und Chopin mit Werken von Luis A. Calvo, Adolfo Mejía und Fulgencio García zu hören.
L›Orfeo Barockorchester & Domkantorei St. Pölten, Dirigent: Valentin Kunert. Christina Gansch, Sopran; Johannes Bamberger, Tenor; Günter Haumer, Bariton. Joseph Haydn: «Die Schöpfung», Oratorium Hob. XXI/2 (aufgenommen am 10. September in der Domkirche St. Pölten im Rahmen des Festivals Musica Sacra 2023) — In seinem Alterswerk «Die Schöpfung» zieht Joseph Haydn die Summe seines Könnens. Johann Sebastian Bachs Kontrapunkt, Georg Friedrich Händels Pracht und Wolfgang Amadeus Mozarts Melodik verschmelzen in der Schöpfungsgeschichte zu einer grandiosen Synthese. Von der naiven Tonmalerei bis zur progressiven Vorstellung des Chaos vor der Entstehung der Welt reicht Joseph Haydns musikalischer Kosmos. Mit der «Schöpfung» wurde am 10. September die heurige Jubiläumsausgabe des niederösterreichischen Festivals Musica Sacra feierlich eröffnet.
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