Wie Merkel ihre Russlandpolitik sieht / Memoiren der Ex-Kanzlerin

21.11.2024ZeitzeichenWDR 3N.N. —   –  Details

Merkel / Putin

Ist Merkels Russlandpolitik mitverantwortlich für den Krieg in der Ukraine? In ihren Memoiren erklärt die Ex-Kanzlerin, weshalb sie einen schnellen NATO-Beitritt der Ukraine ablehnte. Und erinnert sich an manches andere ungewöhnliche Treffen.Es geht um denkwürdige Begegnungen in ihrer Amtszeit. Um den Papst, um Trump, um Ex-Kanzler Schröder – aber auch um ihre Russlandpolitik. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Memoiren geschrieben. Die Wochenzeitung Zeit hat nun Abzüge des Buches mit dem Titel «Freiheit» vorab veröffentlicht. Wohl der aktuellste Bezug darin: Merkel beschreibt, wie sie in ihrer Amtszeit den Wunsch der Ukraine nach einem schnellen NATO-Beitritt auszubremsen versucht, weil sie eine militärische Antwort Russlands befürchtete.Ihre Politik gegenüber Russland und der Ukraine wird Merkel in Kiew bis heute vorgehalten. Über den entscheidenden NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, als es um einen Plan für einen Beitrittskandidaten-Status der Ukraine und Georgiens ging, schreibt die heute 70-Jährige: «Ich verstand den Wunsch der mittel- und osteu ropäischen Länder, so schnell wie möglich Mitglied der NATO zu werden.» Aber: «Die Aufnahme eines neuen Mitglieds sollte nicht nur ihm ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern auch der NATO.»

Am Ende ein KompromissDabei sah Merkel Risiken auf der ukrainischen Halbinsel Krim. «Eine solche Verquickung mit russischen Militärstrukturen hatte es bislang bei keinem der NATO-Beitrittskandidaten gegeben. Außerdem unterstützte damals nur eine Minderheit der ukrainischen Bevölkerung eine Mitgliedschaft des Landes in der NATO», erinnert sie sich.Am Ende stand ein Kompromiss, der aber einen Preis hatte, wie Merkel schreibt: «Dass Georgien und die Ukraine keine Zusage für einen MAP-Status (Beitrittskandidatenstatus) bekamen, war für sie ein Nein zu ihren Hoffnungen. Dass die NATO ihnen zugleich eine generelle Zusage für ihre Mitgliedschaft in Aussicht stellte, war für Putin ein Ja zur NATO-Mitgliedschaft beider Länder, eine Kampfansage.»

»Biegen, biegen, biegen»In ihren Aufzeichnungen erinnert sich Merkel aber auch an ihr erstes Treffen mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Er befragte sie 2017 im Oval Office des Weißen Hauses nach ihrem Verhältnis zu Putin. «Der russische Präsident faszinierte ihn offenbar sehr», schreibt Merkel.Die anschließende Pressekonferenz machte das schwierige Verhältnis zwischen Merkel und Trump offensichtlich. Trump habe Deutschland Vorhaltungen gemacht, sie habe mit Zahlen und Fakten geantwortet. Trump habe alles aus der Perspektive des Immobilienunternehmers gesehen, der ein Grundstück haben wolle. — Bei ihrer Privataudienz bei Papst Franziskus wenige Monate später sprach Merkel ihre Sorge an, dass sich die USA unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen. «Ohne Namen zu nennen, fragte ich ihn, wie er mit fundamental unterschiedlichen Meinungen in einer Gruppe von wichtigen Persönlichkeiten umgehen würde. Er verstand mich sofort und antwortete mir schnörkellos: «Biegen, biegen, biegen, aber achten, dass es nicht bricht.»

Schröder in der ElefantenrundeBedeutsam auch die Szene, mit der Merkel 2005 ins Amt kam. SPD-Kanzler Gerhard Schröder wollte in der Fernsehrunde am Abend der Bundestagswahl seine Niederlage nicht eingestehen. «Ich selbst saß da, als wäre ich gar nicht Teil des Ganzen, sondern als schaute ich mir zu Hause vor dem Fernseher die Szene an. Immer wieder sagte ich mir: Begib dich nicht mit den anderen in den Clinch, dann fängst du auch noch an, dich im Ton zu vergreifen.» (…)

 
 

SK-

Musik von Morgen – mit Father John Misty, Kim Deal und Soap & Skin

21.11.2024Nachtmix: Die Musik von MorgenBayern 2Angie Portmann —   –  Details

Father John Misty

Das neue Album von Father John Misty trägt den rätselhaften Sanskrit-Titel «Mahashmashana», großer Krematorienplatz, und ist ein Werk voller Kontraste. Opulente orchestrale Songs stehen da neben funky Bläsern, Noise- und Bluesrock. Das Spektrum könnte nicht diverser sein, die Melodien nicht größer. Kim Deal (The Breeders, The Pixies) macht dagegen sehr konsequent, was sie schon immer am besten konnte und wofür sie alle bewundern, von Kurt Cobain bis zu Olivia Rodrigo, klassischen Alternative-Rock nämlich. Und das jetzt endlich, nach vier Jahrzehnten, auch solo! Das ehemalige österreichische «Wunderkind» Soap&Skin war schon immer etwas zurückhaltend. Auf ihrem neuen Album «Torso» versteckt sie sich hinter den Songs anderer und covert u.a. ihr Vorbild Cat Power. Und zehn Jahre nach ihrem letzten Album sind auch Tarwater wieder da. «Nuts of Ay» heißt das 13. Album des Berliner Duos, für das es, laut Ronald Lippok und Bernd Jestram, keinerlei Konzept gegeben habe. Stattdessen sei es über die Jahre langsam gewachsen wie ein bunt schimmerndes Korallen-Riff. Außerdem mit dabei: Bibio, Ki!, Gwen Dolyn (eine Hälfte der Tränen), Papa M, Bibiza und FEH.

 
 

SK-

Wir leben in einem nervösen Zeitalter / Oliver Rathkolb, Historiker

21.11.2024Im GesprächÖ1Renata Schmidtkunz —   –  Details

Oliver Rathkolb

‹Wir leben in einem nervösen Zeitalter “ Renata Schmidtkunz im Gespräch mit dem Historiker Oliver Rathkolb — Oliver Rathkolb ist einer der bekanntesten Zeithistoriker Österreichs. Als Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und Autor zahlreicher Bücher hat Rathkolb maßgeblich dazu beigetragen, das Verständnis für österreichische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu vertiefen. Oliver Rathkolb ist ein überaus aktiver Forscher und sucht wie kaum ein anderer den öffentlichen Diskurs. Geboren wurde er 1955 in Wien, wuchs aber in Gmünd in Niederösterreich auf, wo er auch maturierte. Er studierte Rechtswissenschaften und Geschichte und promovierte in Jus und Philosophie. Von 1984 bis Mai 2005 arbeitete er im Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft, dessen Co-Leiter er später wurde. Fast gleichzeitig war er der wissenschaftliche Leiter der Stiftung des Bruno Kreisky-Archivs. 2005 wurde er Mitbegründer des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit, ein Thema, das ihn bis heute interessiert. So, wie ihm auch der Diskurs mit seinen Studierenden immer wichtig war und ist. Rathkolbs Forschungsschwerpunkt war und ist europäische Zeit-Geschichte im 20. Jahrhundert. Er ist ein Übersetzer der Vergangenheit in die Gegenwart. Für seine Forschung und seine Lehre wurde er mehrfach mit großen Preisen ausgezeichnet. Nun wird er emeritiert. Im Gespräch mit Renata Schmidtkunz erklärt er, vor welchen Herausforderungen Demokratien weltweit stehen, warum viele Menschen Verantwortung an “starke” Persönlichkeiten abgeben wollen und was die wichtigen Erkenntnisse in seiner wissenschaftlichen Laufbahn waren.

 
 

SK-

Griechisches Feuer: Agnes Baltsa – zum 80.Geburtstag

21.11.2024Stimmen hörenÖ1Chris Tina Tengel —   –  Details

Agnes Baltsa

Mezzosopranistin mit eigenstem Ton für Tragödie und Komödie. — Ein einziger in die Binsen gegangener Spitzenton, so lautet die Erzählung, beendete auf spektakuläre Weise die Zusammenarbeit zwischen Herbert von Karajan und Christa Ludwig. Sogleich folgte der Auftritt der Nachfolgerin: Agnes Baltsa! Die junge Griechin, strahlend, charismatisch, hatte an der Wiener Staatsoper bereits Furore gemacht, unter anderem in den zur Verfügung stehenden Hosenrollen von Mozart bis Strauss, speziell auch als Romeo in Bellinis «I Capuleti e i Montecchi». Herbert von Karajan erklärte Baltsa zur «bedeutendsten dramatischen Mezzosopranistin der Zeit» und ließ sie vorrücken zu Donna Elvira («Don Giovanni»), Carmen, Eboli («Don Carlo»), Amneris («Aida»). Und auch in Karajans Vokalquartett für Konzertaufgaben hatte Agnes Baltsa ab diesem Zeitpunkt einen fixen Platz. Die nicht ausbleibenden Vergleiche mit Maria Callas verlockten zu Ausflügen ins Sopranregister, eine Norma (die Titelpartie!) mit Karajan im Plattenstudio blieb hingegen Projekt. «Nebenbei» sang Agnes Baltsa die ihr seit langem vertrauten Rossini-Opernpartien weiter, gustierte im Belcanto-Fach, ließ Santuzza («Cavalleria rusticana») als quasi antike Tragödin erstehen und legte Orlofsky («Die Fledermaus») apart exotisch an. Viele Opernfans haben das Baltsa-Timbre im Ohr, wann immer sie eine andere Sängerin als Dorabella («Così fan tutte») oder als Dalila («Samson et Dalila») hören. Ist Agnes Baltsa je von der Bühne abgegangen? Eine Kundry, eine Klytämnestra eroberte sie sich noch spät. So präsent das alles scheint, lädt der 80.Geburtstag der Sängerin doch auch zu Wiederentdeckungen ein: vom Gluck-»Orpheus» über den Idamente neben Luciano Pavarottis Idomeneo bis zum «Lied von der Erde» von Gustav Mahler.

 
 

SK-

Jakob Bros

21.11.2024JazztimeBR-KlassikRalf Dombrowski —   –  Details

Jakob Bros

Die Aufnahme ist eigentlich zehn Jahre alt und lagerte in Jakob Bros persönlichem Archiv. Sie war ihm ein Bedürfnis gewesen, eine Art Conclusio der Arbeit mit Lee Konitz, die den dänischen Gitarristen und die amerikanische Saxophonlegende bereits dreimal im Studio zusammengebracht hatte. Mit Verzögerung erscheint sie nun und ist eines der Gitarrenhighlights dieses Jazzherbsts. Für ein weiteres muss man gar nicht so weit reisen, sondern nur den Wahl-Münchner Philipp Schiepek spielen lassen, mit Nylonsaiten und dezent agierendem Trio. Sein Kieler Kollege Arne Jansen wiederum präsentiert sich gerne in Kleinbesetzungen, im Duo oder Trio mit wechselnden Partnern. Drei von vielen Jazz-Gitarren für den Herbst.

 
 

SK-

100 Songs: Geschichte wird gemacht (3) Suzanne Vega – Tom’s Diner (USA, 1987)

20.11.2024RadiokollegÖ1Stefan Niederwieser —   –  Details

Suzanne Vega

Vor 30 Jahren wurde MP3 geboren. Karlheinz Brandenburg schrieb 1988 an der Uni Erlangen an seiner Dissertation über Verfahren für hochwertige Musikcodierung. Mit Schallplatten um rund tausend D-Mark verfeinerte er die Umwandlung in digitale Signale, die sich über eine Telefonleitung übertragen lassen sollen. An einem Musikstück biss sich die Codierung allerdings die Zähne aus: Suzanne Vegas «Tom›s Diner». Der A-Capella-Song über einen Vormittag in einem New Yorker Restaurant war unter Hifi-Liebhabern sehr beliebt, um Lautsprecher zu testen. Nach zwei Jahren der Experimente war es so weit und das MP3-Verfahren ausgereift. Das MP3-Format konnte sich als Standard gegen teils übermächtige Konkurrenz durchsetzen, letztlich ebnete es Filesharing den Weg, mobilem Musikhören und Musik-Streaming. Suzanne Vega erfuhr im Jahr 2000 davon, dass sie als Mutter des MP3 Formats galt. Der Song selbst erzählt in wenigen Zeilen von Romantik und Entfremdung mitten in der Großstadt. Ein Remix wurde im Oktober 1990 zur ersten gesamtdeutschen Nummer Eins.

 
 

Audioplayer

SK-xxhehitt

Ein Mann hat einige der berühmtesten Bilder des letzten Jahrhunderts aufgenommen / Harry Benson

20.11.2024NewsThe Washington PostMark Jenkins —   –  Details

Ali Hits George und die Beatles

Harry Benson, 94, hat die Beatles, US-Präsidenten und das britische Königshaus fotografiert. Eine Pop-up-Galerie in der Innenstadt zeigt mehr als 150 seiner Fotos. — Harry Benson, «Ali Hits George und die Beatles», 1964 — Auf einem der bekanntesten Fotos von Harry Benson ist ein Schlag zu sehen: Beim ersten Besuch der Beatles in den Vereinigten Staaten im Jahr 1964 täuscht der damals als Cassius Clay bekannte Boxer vor, George Harrison zu schlagen, und alle vier in einer Reihe aufgestellten Pilzköpfe geben vor, den Aufprall zu spüren. — Zwei viel intimere Benson-Bilder dokumentieren jedoch Küsse. Der Fotograf sprang über die Bar eines Nachtclubs, um die innige Umarmung eines Paares in Berlin, sieben Jahre nach dem Fall der Mauer, aus dem besten Winkel einzufangen. Ein paar Jahre zuvor fotografierte Benson Hillary Clinton, als sie sich vorbeugte, um ihren Mann zu küssen, der in einer Hängematte lag und kurz davor stand, Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden. — Alle drei Fotos sind Teil von « Harry Benson: Washington, DC «, einer Retrospektive mit über 150 Benson-Bildern, die in einer Pop-up-Galerie neben der Capital One Arena zu sehen sind. Präsentiert wird die Ausstellung vom Sportunternehmen Monumental Sports & Entertainment aus Washington, D.C., zusammen mit dessen Gründer Ted Leonsis, seiner Frau Lynn Leonsis und dem Investor Jeff Skoll. — Der in Glasgow, Schottland geborene Benson kam im Februar 1964 zum ersten Mal in die USA, als Mitglied der Beatles-Entourage. (Er hatte die Band bereits im Vormonat in Paris fotografiert.) Er verließ die USA praktisch nie und wurde ein erfolgreicher Fotograf für Life, Time, People und andere Publikationen. Heute ist er 94 und lebt abwechselnd in New York und Florida. — Benson hat viele Schwarzweißfilme belichtet, aber auch in Farbe fotografiert. Viele der Porträts des Fotografen glorifizieren, andere, wie das Foto der Clintons, verleihen den Menschen menschliche Züge. Die meisten Bilder in dieser Auswahl sind gestellt und formell oder zumindest halbformell. Manchmal arbeitete Benson jedoch auch spontaner und dokumentierte Bürgerkriege und Antikriegsproteste sowie andere Ereignisse, die für Schlagzeilen sorgten.
Benson war dabei, als Robert F. Kennedy 1968 in Los Angeles ermordet wurde, und schuf körnige und eindringliche Bilder. Ein paar Monate zuvor fotografierte er ein kleines Mädchen, das traurig und nervös mit dem Finger im Mund auf den Sarg von Martin Luther King Jr. starrte. 1981 besuchte er ein Flüchtlingslager in Somalia und beobachtete ein Feld provisorischer Zelte, die aus der Ferne im Dunst zu verschwinden schienen. — Solche Bilder gibt es in dieser Sammlung allerdings nur wenige. Wenn der Titel der Ausstellung Washington, D.C. erwähnt, bezieht er sich auf politische Persönlichkeiten und einige Journalisten, die durch die Watergate-Affäre berühmt wurden. Benson hat jeden amerikanischen Präsidenten von Dwight D. Eisenhower bis Joe Biden fotografiert (nicht immer während ihrer Amtszeit), sowie andere Politiker und Mitglieder ihrer Familien. Aber es gibt keine Bilder von normalen Washingtonern und kaum einen Blick auf die Stadt selbst. — Ironischerweise wurden von einem von Bensons Motiven, Paul McCartney, viel eindrucksvollere Straßenszenen des Washington der 1960er Jahre fotografiert. Einige dieser Bilder wurden kürzlich in einem Buch mit dem Titel «Eyes of the Storm» veröffentlicht, und eine Wanderausstellung der Bilder läuft derzeit im Portland Art Museum in Oregon. — Harry Benson: Washington, DC: Ikonische Fotografien für die Hauptstadt der Nation (…) «–

— –

 
 

SK-news