24.02.2024 – Diagonal – Ö1 – Nicole Dietrich — – Details
Tunnel Szene
Tunnel: Beim einen Loch geht›s rein, beim anderen wieder raus. Der Weg dazwischen verspricht Abkürzungen, Geheimnisse und so manch Phobie. Anschl.: Diagonals Feiner Musiksalon — In der erwachsenen Menschenwelt zeugen die unterirdischen Bauwerke von den Triumphen und Niederlagen der modernen Tunnelbautechnik und führen im geologisch optimalen Fall direkt geradeaus. In der kleinen Welt der Modelleisenbahn befeuern sie das freudsche Fort-Da-Spiel. In der Tierwelt verzweigen sie sich oft, dienen als Nester, Verstecke und geschickt gegrabene Fluchtwege. Im Untergrund keimen aber auch die Kriegs- und Verteidigungsstrategien; wer denkt nicht an das Tunnelsystem im Gazastreifen, wo Waren, Menschen und Waffen unter der Erdoberfläche transportiert und geschmuggelt werden? Unter Tage ist wenig Platz, Grauzonen und Zwischenräume sind spärlich – von A nach B, Freund oder Feind, Licht an, Glück auf. Wen wunderts, dass mit «Tunnelblick» in der Psychologie die bornierte Variante von Fokussierung gemeint ist? Von Hinterhalten und verkehrstechnischer Ökonomie, gefräßiger Bohrtechnik und spektakulären Alpendurchquerungen erzählen Tunnels ebenso wie von den Ängsten, Fantasien und Geheimnissen, die diese befremdlichen «Unorte» nähren. Das Licht am Ende ist nicht garantiert. Spätestens, wenn das Handy aussetzt oder das Autoradio rauscht, wird zwar klarer, wo man ist, aber nicht immer, wohin er führt er, der Durchstich ins Irgendwo. Diagonal bohrt nach.
SK-try-2024