07.05.2024 – News – Berliner Zeitung – Cornelia Geißler — – Details
Volker Braun
In der Volksbühne Berlin kamen am Vorabend des Geburtstags Freunde des Dichters zusammen und trugen aus seinem Werk vor. — Zum Geburtstag soll man nicht zu früh gratulieren, deshalb bekam Volker Braun am Montagabend im Roten Salon der Volksbühne keinen Blumenstrauß. Und niemand hielt eine Rede. Dennoch war es ein Abend für ihn, anlässlich seines 85. Geburtstags am folgenden Tag. — Als Festgesellschaft versammelten sich in zwei Grüppchen Autorinnen und Autoren, Schauspieler und Schauspielerinnen auf der Bühne, Jutta Hoffmann, Hermann Beyer und Corinna Harfouch zum Beispiel, auch Ann Cotten, Kerstin Hensel und Erdmut Wizisla. — «Wann sag ich wieder mein und meine alle» war das Programm überschrieben. Das ist die letzte Zeile aus dem Gedicht «Das Eigentum» von 1990. Es wurde am Montag zweimal vorgetragen – in der arabischen und in der englischen Übersetzung, kraft- und klangvoll hörte sich das an, weniger melancholisch als der berühmte Beginn des Originals: «Da bin ich noch: mein Land geht in den Westen./ KRIEG DEN HÜTTEN FRIEDE DEN PALÄSTEN./ Ich selber habe ihm den Tritt versetzt.» Volker Braun ist Zeitgenosse, aber kein Chronist. Er schaut auf die laufenden Vorgänge und verbindet sie mit vergangenen. Er ist geschichtsgewärtig. — Gerahmt wurde das Programm durch zwei zehnminütige Ausschnitte aus der Hörspielfassung von Volker Brauns «Werktagen», den Arbeits-, Traum- und Reisetagebüchern, die der MDR produziert hat. Die Stimme von Sylvester Groth kam über Lautsprecher in den Saal, und schon in der Kürze schwang so vieles mit, wie Volker Braun sich in seiner Dichtung in Dialog mit so vielen anderen begibt und zugleich in die politischen Auseinandersetzungen hineingerissen wurde, in der DDR damals und im vereinigten Land. Das Hörspiel ist nun in der Mediathek verfügbar. — «Selbst wenn ich Unmut brüte, schlüpft ein Lächeln», heißt es in Brauns Buch «Handstreiche» von 2019. So einer ist dieser Schriftsteller, er kann noch im Zorn heiter sein. Das klang auch aus der Auswahl der Texte, die von den Gästen vorgetragen wurden, Lyrik und Prosa aus sechs Jahrzehnten. Ermutigungen waren es. Er wolle nicht das letzte Wort haben, sagte Volker Braun, als die Gäste von der Bühne gingen und das Publikum sich schon zum Sekt wenden wollte, den der Suhrkamp-Verlag ausgab. Er las dann doch noch selbst ein Gedicht, «Letzte Worte» heißt es, gewitzt handelt es vom letzten Mahl des Philosophen Denis Diderot. Den Blumenstrauß des Abends trug seine Frau nach Hause. Annelie Braun hatte nämlich schon am Montag Geburtstag. —
SK-news