Vergesst das ‹Köln Concert› – Keith Jarrett

16.10.2018NewsSüddeutsche ZeitungReinhard Köchl —   –  Details

Keith Jarrett

Der Jazzpianist Keith Jarrett sollte in Venedig den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk bekommen. Überraschend sagte er ab. Jetzt lässt er sein Album “La Fenice” sprechen. — Nicht selten bietet das Seelenleben eines Künstlers Stoff für Dramen, wahlweise mit oder ohne Happy End. Vor allem, wenn derjenige mit geradezu missionarischem Exhibitionismus jede Gefühlsregung, den ganzen über die Jahre angesammelten Schmerz, seine Selbstzweifel, all die Angst in einsamen Stunden, die daraus resultierenden depressiven Schübe, aber auch die Augenblicke verhaltenen, manchmal sogar überschwänglichen Glücks regelmäßig in der Öffentlichkeit ausbreitet. — Wie der Jazzpianist Keith Jarrett gerade drauf ist, das weiß seit Jahrzehnten eigentlich jeder, der sich für ihn interessiert. Seine Musik, die Titel und Beigeschichten seiner Liveaufnahmen übermitteln zuverlässig den gerade aktuellen emotionalen Pegelstand. Wie ein Regenradar zeigen sie zurückliegende oder anstehende Hoch- und Tiefdruckgebiete an, warnen vor Hurrikans und geben manchmal sogar Erklärungen für vergangene Katastrophen. Natürlich ist das auch der Fall bei der neuesten Veröffentlichung La Fenice, aufgenommen im gleichnamigen Theater in Venedig am 19. Juli 2006, einem der heiligen Konzertsäle der klassischen Musik. — Das Album gehört zu den balanciertesten, reifsten, komplettesten, mithin nachhaltigsten Aufnahmen seiner umfangreichen Diskografie, entstanden auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Kein Vergleich zum Köln Concert, das als der meist verkaufte Jazztonträger aller Zeiten gilt. Jarrett selbst hasst das Köln Concert abgrundtief, heute mehr denn je, weil es seinem Anspruch von Perfektion nicht einmal im Ansatz genügt. Und weil es das Publikum mit seinen traumwandlerischen Wohlklangsfluten eher einlullt als fordert. Wer Keith Jarrett begreifen will, den Mann, der einfach spielt, anstatt zu komponieren, der komponiert, anstatt zu denken, sollte sich zuerst das jetzt erscheinende Venedig-Konzert von 2006 anhören. — Keith Jarrett, geboren 1945, lebt in New Jersey.

 
 

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Being Nico – Andrea Halter und Philip Stegers

14.10.2018SoundstoriesWDR 3Andrea Halter und Philip Stegers

Nico

Being Nico – Glamour und Absturz der Velvet-Underground-Sängerin — Von Andrea Halter und Philip Stegers — Technische Realisation: Sebastian Nohl und Simon Kamphans — Regie: Andrea Halter und Philip Stegers — Dramaturgie: Leslie Rosin — Produktion: WDR 2018

Sie war It-Girl, Femme fatale und einer der wenigen internationalen Popstars, die Deutschland je hatte. — Die Sängerin Nico gilt mit ihren grabestiefen Hymnen als Vorreiterin der Gothic-Musik. Mit The Velvet Underground erlangte sie Weltruhm. — Als Christa Päffgen 1938 in Köln geboren, wird Nico zunächst internationales Topmodel und Fellini-Schauspielerin. Sie bekommt ein Kind von Alain Delon, doch in ihrem Bohèmeleben ist kein Platz für eine klassische Mutterrolle. In New York wird Nico die Muse von Andy Warhol, der sie 1966 als Sängerin in der Kult-Band The Velvet Underground unterbringt. Ihr Liebhaber Jim Morrison ermuntert sie, eigene Songs zu schreiben. Auf dem Höhepunkt ihrer Bekanntheit bricht sie Ende der 1960er Jahre mit ihrem Image als blonde Kunstfigur, um als mystisch-morbide Chanteuse ihre eigene künstlerische Identität zu finden. Der Absturz ist vorprogrammiert. Bis zu ihrem Tod 1988 tingelt sie wenig erfolgreich mit einem Harmonium durch die Welt, um ihre Heroinsucht zu finanzieren. — Mit Luise Helm, Denis Moschitto und Laurenz Leky

 
 

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20.09.1893 – Schöpfer der Berliner Philharmonie – Hans Scharoun wird geboren

20.09.2018Kalenderblatt: ClipBR-KlassikMarkus Vanhoefer —   –  Details

Hans Scharoun

20.09.1893: Spätestens mit der Eröffnung der Berliner Philharmonie war sein Name in der Musikwelt in aller Munde. Der Architekt Hans Scharoun, der von den Zeitungen als wortkarger Nachtarbeiter und Nichturlauber charakterisiert wurde, war stets ein bescheidener Mensch geblieben.

 
 

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Nikolaus Harnoncourts Nachlass: Die verliebten Briefe gehen niemanden was an

16.09.2018NewsDie PresseMonika Mertl —   –  Details

Alice Harnoncourt

Will die graue Eminenz ebenso wenig spielen wie die graue Witwe: Alice Harnoncourt, Jahrgang 1930. — Alice Harnoncourt, Witwe von Nikolaus Harnoncourt, hat soeben aus dessen Nachlass ein zweites Buch herausgebracht. Ein Gespräch über das Aufräumen, die Inbrunst beim Unkrautjäten und den Dialog mit ihrem Mann, der niemals endet. — Immer am Samstag, wenn es auf Mittag geht, klettert Alice Harnoncourt auf den Dachboden ihres Hauses in Sankt Georgen im Attergau, um pünktlich um zwölf die Glocke im Türmchen auf dem Dach zu läuten: zwölfmal für Nikolaus, zwölfmal für ihren Sohn Eberhard, der 1990 bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall ums Leben kam, und zwölfmal für ihren Enkel Arthur, den Sohn ihrer Tochter Elisabeth, der nur wenige Monate nach Nikolaus‘ Ableben in New York tödlich verunglückte.

 
 

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