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Ich spürte, dass ich mein Leben der Musik verschreiben sollte / Rolf Kühn

29.09.2019NewsZeit OnlineReinhard Köchl —   –  Details

Rolf Kühn

Rolf Kühn fährt in einem blauen Sportwagen vor, parkt seinen Flitzer vor dem früheren Rias-Gebäude in Berlin-Schöneberg und steigt beschwingt aus. Eleganter Schal, Jeansjacke, schwarzes Poloshirt, erhaben, zeitlos souverän. Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag am 29. September spielt Kühn noch immer Konzerte, reist, probt, sitzt am Computer, kümmert sich weitgehend selbst um alle notwendigen Dinge des Künstlerlebens, plant weit voraus. Er gilt als einer der besten Jazzklarinettisten der Welt. Was hinter ihm und vor ihm liegt, darüber wollen wir mit ihm sprechen, generationenübergreifend, weil Rolf Kühn den Austausch mit jungen Leuten liebt. Wir, das sind der ZEIT-ONLINE Autor Reinhard Köchl (61) und seine Tochter Theresa (23). — Rolf Kühn, einer der besten Jazzklarinettisten der Welt, wird 90. Er spielt einfach immer weiter. Ein Gespräch über sein Leben und den Jazz in der DDR, BRD und den USA — Kühn: Oh ja! Am 12. August 1961, einen Tag bevor die DDR die Mauer hochzog, hatte mich Joachim in West-Berlin besucht. Ich fuhr ihn kurz vor Mitternacht mit dem Auto in den Osten zum Bahnhof. Wir verabschiedeten uns, er stieg in den Zug, ohne zu wissen, dass wir uns für längere Zeit nicht mehr sehen würden. Nur ein paar Stunden später haben sie alle Übergänge geschlossen. Ich habe mir viele Vorwürfe gemacht. Es ging ja eigentlich nur um ein paar Stunden! Wenn ich gewusst hätte, was da passiert, hätte ich ihn unter Garantie nicht weggelassen! In meiner Wohnung wäre Platz für uns beide gewesen. Aber kein Mensch hat damals in Berlin gemerkt, was die vorhatten. 1966 ergab sich die Chance, Joachim über einen internationalen Wettbewerb für junge Pianisten nach Wien zu locken. Inständig bat ich Friedrich Gulda, der das Ganze organisierte, ihn einzuladen. Das muss ich dem Fritz wirklich hoch anrechnen: Obwohl er meinen Bruder nicht kannte, hielt er Wort. Joachim kam, gewann den Zweiten Preis, und setzte sich gleich darauf in den Zug in die Bundesrepublik, genauer gesagt nach Hamburg.

 
 

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