27.01.2023 – News – taz – Regine Müller — – Details
❍
L’Ècole des Sables
Ohne Ehrfurcht vor der Legende — Strawinskys Werk schockiert noch heute. Bausch erfand dazu bereits 1975 ihre wohl packendste Choreografie, die bis heute – im Gegensatz zu «Café Müller» – als zeitlos gelten darf. Zumal die Tän ze r:In nen der École des Sables sich mit schonungsloser Radikalität dieser Arbeit ausliefern, ohne in Ehrfurcht vor der Legende zu erstarren. — Im Gegenteil, ganz unverblümt rau, sozusagen mit Street Credibility geht das athletisch muskulöse Ensemble mit äußerster Präzision ans Werk, da wird nichts parfümiert mit Erinnerungen an klassische Tanz-Traditionen. Brutal und zugleich unendlich sensitiv wird das Unvorstellbare, das Menschenopfer umkreist. Dumpfe Gewalt, Raserei der Massen, Ekstase der Lebensenergie: All das bricht einer Naturgewalt gleich aus dem Ensemble heraus. Phänomenal. So sollte es weitergehen.
— In Wuppertal interpretieren die Tän ze r:in nen der École des Sables aus Senegal Pina Bauschs «Frühlingsopfer». Ein Stück Tanzgeschichte lebt weiter.
Das Café Müller gibt es in Wuppertal längst nicht mehr. Einst trafen sich dort die Ensemblemitglieder von Pina Bauschs Tanztheater. Das Café war verlängerter Probenraum und Lebensort der Compagnie, die immer mehr war als nur ein Tanz-Ensemble. Und ein Ort, der sich zur Bühne zurückverwandelte, denn vor 45 Jahren gab die Choreografin einem ihrer Stücke den Titel «Café Müller». Das reale Café Müller ist verschwunden, Pina Bauschs legendäre Choreografie lebt weiter. — In einer Neueinstudierung eröffnet sie nun einen dreiteiligen Abend, der sich als Beitrag zur Vorbereitung des Bausch-Zentrums versteht und gemeinsam von der Pina Bausch Foundation und dem Tanztheater Wuppertal veranstaltet wird. Seit Bausch 2009 völlig überraschend starb, stellten sich drängende Fragen nach der Zukunft ihres Erbes und ihrer Compagnie, es gab Turbulenzen und Krisen, derweil die Compagnie mit Bauschs Kreationen weiter um den Erdball tourte.
Im September 2022 hat der französische Choreograf Boris Charmatz die Leitung des Tanztheaters übernommen, vorher hatte es binnen fünf Jahren drei Intendanzen gegeben. Von Charmatz verspricht man sich einerseits eine Lösung der Frage nach zeitgenössischen Impulsen, die ein fruchtbares Verhältnis zum großen Erbe finden, und zum anderen eine Konsolidierung.
SK-