Der langweilige Horizont

02.04.2023NewsnmzMoritz Eggert —   –  Details

Moritz Eggert

Am Ende von Steven Spielbergs neuem Film «The Fabelmans» gibt es eine wunderbare Szene, die ich hier aus inhaltlichen Gründen spoilern muss: — Der junge Fabelman (=Spielberg) besucht die Hollywood-Studios und bekommt die überraschende Gelegenheit, sein Regieidol John Ford im Büro zu besuchen. Der alte Mann lässt ihn erst einmal lange warten, zündet sich umständlich eine Zigarre an und fordert dann den schüchternen jungen Sam Fabelman (=Spielberg) auf, zwei Cowboy-Bilder an der Wand anzuschauen. «Hast du Ahnung von Kunst? Dann sag mir, was du siehst.» Ungeduldig unterbricht er den stotternden jungen Mann, als dieser ihm die Bilder zu konkret beschreibt. «Das interessiert mich alles nicht. Schau nochmal hin. Wo ist der verdammte Horizont?». Sam stellt fest, dass dieser bei dem einen Bild am unteren Bildrand, beim zweiten Bild am oberen Rand ist. «Und das ist alles, was Du wissen musst: Wenn der Horizont unten ist, ist es interessant. Wenn der Horizont oben ist, ist es interessant. Wenn der Horizont in der Mitte ist, ist es langweilig. Und nun hinaus mit Dir!». — Mir hat diese Szene vor allem deswegen so gut gefallen, weil sie etwas auf den Punkt bringt, was ich meinen Studierenden auch immer wieder zu vermitteln versuche, wenn auch ohne Zigarre und mit etwas mehr Geduld. Für mich geht es hier um das Konzept des Besonderen, das in der Kunst immer eine Rolle spielt. Was bedeuten die unterschiedlichen Horizonte in der Ästhetik von Bildern? Der Horizont am unteren Rand ist der Blick in die Ferne, in die Unendlichkeit. Der Horizont am oberen Rand ist der Blick von oben auf das Geschehen, der die dargestellten Personen in den Mittelpunkt rückt. Der Horizont in der Mitte aber ist das, was wir normalerweise sehen, der alltägliche Blick auf Augenhöhe. — Es hat schon einen Grund, warum wir auf Berge klettern, um zum Beispiel einen «besonderen» Ausblick zu genießen. Die Sicht vom Berggipfel ist nichts Alltägliches, sie ist ein echtes Erlebnis, weil sie nicht unserer normalen Perspektive entspricht. Nicht jeden Tag klettern wir auf einen Berg, daher bleiben uns die Momente auf dem Gipfel in Erinnerung. — Dasselbe erwarten wir von einem guten Konzert – nicht den Alltag, nicht das Normale, sondern das Außergewöhnliche, das wir im Gedächtnis behalten wollen. Ein gutes Konzert ist nicht einfach so da, sondern das Resultat langer Vorbereitung von Musikerinnen und Musikern, die sich bemühen, auf der Bühne alles zu geben. — Natürlich ist das eine Idealvorstellung, die oft an der Wirklichkeit scheitert. Als Publikum merken wir sofort, wenn zum Beispiel ein Orchester eher «Dienst nach Vorschrift» macht, anstatt sich leidenschaftlich auf eine Interpretation einzulassen. Das mag daran liegen, dass für die Orchestermusiker ein Konzert auch ein bisschen Alltag ist, aber sie wissen genau, dass es immer für alle besser ist, wenn auch Hingabe dabei ist. Denn die heiligste Regel des Betriebs ist nicht zu Unrecht «The Show must go on» – man gibt alles, egal wie man sich fühlt und egal unter welchen Umständen. — Dasselbe muss aber auch für die dargebotenen Werke gelten. Und da unterschätzen viele Komponierende, dass man als Hörerin durchaus merkt, wenn «der Horizont in der Mitte» ist, wenn also etwas einfach nur «gut» aber eben nicht besonders ist. Das hat mit Stilistik und Ästhetik nichts zu tun, sondern geht auf den Grund der Sache. — Für das Komponieren bedeutet das, dass man sich nicht schnell zufrieden geben darf. Klar, mit Erfahrung kriegt man schnell etwas hin, das niemanden enttäuschen wird und nach technischen Gesichtspunkten «ok» ist. Aber das reicht nicht. Der Schritt zum Kunstwerk ist das Quäntchen Besonderheit. Wenn es fehlt, ist das Ergebnis alltäglich – man ist nicht gestört, aber auch nicht begeistert. Warum sind zum Beispiel Bach oder Haydn so unglaublich gut? Weil sie in der Lage waren, selbst in der Routine, selbst in der hundertsten Kantate oder der 100. Symphonie, immer noch den besonderen Moment zu suchen, den außergewöhnlichen Blick auf die Dinge, der unvergessen bleibt.

 
 

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Der langweilige Horizont

02.04.2023NewsnmzMoritz Eggert —   –  Details

Moritz Eggert

Am Ende von Steven Spielbergs neuem Film «The Fabelmans» gibt es eine wunderbare Szene, die ich hier aus inhaltlichen Gründen spoilern muss: — Der junge Fabelman (=Spielberg) besucht die Hollywood-Studios und bekommt die überraschende Gelegenheit, sein Regieidol John Ford im Büro zu besuchen. Der alte Mann lässt ihn erst einmal lange warten, zündet sich umständlich eine Zigarre an und fordert dann den schüchternen jungen Sam Fabelman (=Spielberg) auf, zwei Cowboy-Bilder an der Wand anzuschauen. «Hast du Ahnung von Kunst? Dann sag mir, was du siehst.» Ungeduldig unterbricht er den stotternden jungen Mann, als dieser ihm die Bilder zu konkret beschreibt. «Das interessiert mich alles nicht. Schau nochmal hin. Wo ist der verdammte Horizont?». Sam stellt fest, dass dieser bei dem einen Bild am unteren Bildrand, beim zweiten Bild am oberen Rand ist. «Und das ist alles, was Du wissen musst: Wenn der Horizont unten ist, ist es interessant. Wenn der Horizont oben ist, ist es interessant. Wenn der Horizont in der Mitte ist, ist es langweilig. Und nun hinaus mit Dir!». — Mir hat diese Szene vor allem deswegen so gut gefallen, weil sie etwas auf den Punkt bringt, was ich meinen Studierenden auch immer wieder zu vermitteln versuche, wenn auch ohne Zigarre und mit etwas mehr Geduld. Für mich geht es hier um das Konzept des Besonderen, das in der Kunst immer eine Rolle spielt. Was bedeuten die unterschiedlichen Horizonte in der Ästhetik von Bildern? Der Horizont am unteren Rand ist der Blick in die Ferne, in die Unendlichkeit. Der Horizont am oberen Rand ist der Blick von oben auf das Geschehen, der die dargestellten Personen in den Mittelpunkt rückt. Der Horizont in der Mitte aber ist das, was wir normalerweise sehen, der alltägliche Blick auf Augenhöhe. — Es hat schon einen Grund, warum wir auf Berge klettern, um zum Beispiel einen «besonderen» Ausblick zu genießen. Die Sicht vom Berggipfel ist nichts Alltägliches, sie ist ein echtes Erlebnis, weil sie nicht unserer normalen Perspektive entspricht. Nicht jeden Tag klettern wir auf einen Berg, daher bleiben uns die Momente auf dem Gipfel in Erinnerung. — Dasselbe erwarten wir von einem guten Konzert – nicht den Alltag, nicht das Normale, sondern das Außergewöhnliche, das wir im Gedächtnis behalten wollen. Ein gutes Konzert ist nicht einfach so da, sondern das Resultat langer Vorbereitung von Musikerinnen und Musikern, die sich bemühen, auf der Bühne alles zu geben. — Natürlich ist das eine Idealvorstellung, die oft an der Wirklichkeit scheitert. Als Publikum merken wir sofort, wenn zum Beispiel ein Orchester eher «Dienst nach Vorschrift» macht, anstatt sich leidenschaftlich auf eine Interpretation einzulassen. Das mag daran liegen, dass für die Orchestermusiker ein Konzert auch ein bisschen Alltag ist, aber sie wissen genau, dass es immer für alle besser ist, wenn auch Hingabe dabei ist. Denn die heiligste Regel des Betriebs ist nicht zu Unrecht «The Show must go on» – man gibt alles, egal wie man sich fühlt und egal unter welchen Umständen. — Dasselbe muss aber auch für die dargebotenen Werke gelten. Und da unterschätzen viele Komponierende, dass man als Hörerin durchaus merkt, wenn «der Horizont in der Mitte» ist, wenn also etwas einfach nur «gut» aber eben nicht besonders ist. Das hat mit Stilistik und Ästhetik nichts zu tun, sondern geht auf den Grund der Sache. — Für das Komponieren bedeutet das, dass man sich nicht schnell zufrieden geben darf. Klar, mit Erfahrung kriegt man schnell etwas hin, das niemanden enttäuschen wird und nach technischen Gesichtspunkten «ok» ist. Aber das reicht nicht. Der Schritt zum Kunstwerk ist das Quäntchen Besonderheit. Wenn es fehlt, ist das Ergebnis alltäglich – man ist nicht gestört, aber auch nicht begeistert. Warum sind zum Beispiel Bach oder Haydn so unglaublich gut? Weil sie in der Lage waren, selbst in der Routine, selbst in der hundertsten Kantate oder der 100. Symphonie, immer noch den besonderen Moment zu suchen, den außergewöhnlichen Blick auf die Dinge, der unvergessen bleibt.

 
 

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Das große Depeche Mode-Interviewspecial mit Martin Gore zu ‹Memento Mori›

02.04.2023Elektro BeatsradioeinsOlaf Zimmermann —   –  Details

Depeche Mode

Das in der Depeche Mode – Diskografie 15. Album «Memento Mori» ist das erste, dass Martin Gore und Dave Gahan ohne das Gründungsmitglied Andrew «Fletch» Fletcher eingespielt haben. radioeins-»elektro beats»-Moderator Olaf Zimmermann hatte nach 35 Jahren wieder Gelegenheit mit Martin Gore ein exklusives Interview zu führen. Das steht auch im Mittelpunkt dieses Specials. —

Es geht u.a. um persönliche Erinnerungen an das Ostberlin-Konzert 1988, die Zusammenarbeit mit Richard Butler, viele spannende Geschichten zu den einzelnen neuen Songs, die Vorliebe für modulare Synthesizer, den Plattentitel, Marta Saloni (zuständig für Programmierung, Engineering und den Mix), Klaus Schulze und vieles andere mehr.

 

 
 

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Traditionelle Lieder aus Serbien – Bojana und Neboj a Brdari

02.04.2023Musik der WeltBR-KlassikN.N. —   –  Details

Bojana und Neboj a Brdari

Konzertmitschnitt vom 21. September 2022 vom Todo Mundo World Music Festival in Belgrad

Bojana und Neboj a Brdari — Ein Schmelztiegel ganz verschiedener Musikkulturen und Musiktraditionen ist Belgrad, wo es seit 2012 das Weltmusikfestival «Todo Mundo» gibt. Im Mittelpunkt unseres Konzertmitschnitts vom 21. September 2022 stehen die Geschwister Brdari mit der Sängerin Bojana und ihrem Bruder, dem Flötisten Neboj a. Außerdem dabei ein junges Quartett mit Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug: Grigorije Avramovi , Pavle Petrovi , Amir Pilavd i und Dejan Krsti .

 

Dieses Programm ist abwechslungsreich und zugleich typisch für die Region des Balkans. Bojana und Neboj a Brdari treten seit ihrer Kindheit gemeinsam auf, arbeiten mit bekannten serbischen Musikerinnen und Musikern zusammen und geben den traditionellen Volksliedern aus Serbien, Montenegro, Bosnien Herzegowina und Nord-Mazedonien eine erfrischend neue Anmutung. Beim Todo-Mundo-Festival in Belgrad waren sie mit innigen oder extrovertiert fröhlichen Stücken und Liedern in behutsamen Arrangements zu erleben: atemberaubend virtuos oder mit lang getragenen Tönen, vokal oder rein instrumental. Neboj a Brdari spielte zwei traditionelle Flöten: die Frula, eine im ländlichen Raum Serbiens verbreitete Holzflöte mit sechs Löchern, gespielt von den Schäfern beim Hüten ihrer Herde. Und die Kaval-Flöte, ebenfalls eine Hirtenflöte mit einem bisweilen erdigem Klang. Zusammen mit Bojana Brdari s oft sehr direkt geführten Bruststimme entstanden faszinierende eigenwillige Melodien. —

 
 

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Ryuichi Sakamoto / Oscar-gekrönter japanischer Komponist – stirbt im Alter von 71 Jahren

02.04.2023NewsThe New York TimesWilliam Robin —   –  Details

Ryuichi Sakamoto

Mr. Sakamoto, dessen Arbeit mit dem Yellow Magic Orchestra die elektronische Musik beeinflusste, komponierte Partituren für «The Last Emperor» und «The Revenant». — Ryuichi Sakamoto, einer der prominentesten Komponisten Japans und Gründer der einflussreichen Techno-Pop-Band Yellow Magic Orchestra, die Filmmusik für Filme wie «The Last Emperor», «The Sheltering Sky» und «The Revenant» geschrieben hat, starb am Dienstag. Er war 71. — Seine Instagram-Seite gab das Datum seines Todes bekannt , enthielt jedoch keine weiteren Details. Herr Sakamoto sagte im Januar 2021, dass er die Diagnose Rektumkrebs erhalten habe und sich einer Behandlung unterziehe. — Ebenso vertraut mit futuristischem Techno, Orchesterwerken, Videospiel-Tracks und intimen Klaviersoli, schuf Mr. Sakamoto Musik, die eingängig, emotional und tief auf die Klänge um ihn herum abgestimmt war. Neben der Veröffentlichung zahlreicher Soloalben arbeitete er mit einer Vielzahl von Musikern verschiedener Genres zusammen und erhielt einen Oscar, einen BAFTA, einen Grammy und zwei Golden Globes. — Sein Yellow Magic Orchestra, das Ende der 1970er und Anfang der 80er Jahre die Charts stürmte, produzierte eingängige Hits wie «Computer Game» auf Synthesizern und Sequenzern, während es gleichzeitig westliche Vorstellungen von japanischer Musik persiflierte. —

 
 

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Jeder taumelt für sich allein – Alexei Salnikows Gripperoman «Petrow hat Fieber» ist eine lässig-kunstvolle Allegorie auf die orientierungslose russische Gesellschaft

02.04.2023NewsNZZJörg Plath —   –  Details

Alexei Salnikow

Mitte der nuller Jahre liegt ganz Swerdlowsk im Fieber, bleibt aber keineswegs liegen. Die Grippe hindert kaum jemanden, wie üblich durch die Stadt zu treiben. Alexei Salnikow hat einen turbulent-morbiden Roman über das ganz normale anormale Russland verfasst. — Petrow schluckt, was er kriegen kann: Aspirin, Analgin, Paracetamol, Antigrippin, Selonka, Corvalol, Valocordin, Clonidin und noch einiges mehr – und spült es mit Tee und Wodka hinunter. Schliesslich hat Alexei Salnikow, so die innovative Gattungsbezeichnung, einen «Gripperoman» verfasst. In «Petrow hat Fieber» liegt ganz Swerdlowsk, am Ural gelegen, Mitte der nuller Jahre im Delirium, bleibt aber nicht liegen. Die Grippe hindert kaum jemanden, wie üblich durch die Stadt, ach was: durchs Leben zu treiben. Sogar eine Leiche hält es nicht im Wagen des Bestattungsunternehmens, sie verschwindet einfach.

 
 

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Claudio Monteverdi: Il ritorno d’Ulisse in patria

02.04.2023OpernabendÖ1Claudio Monteverdi —   –  Details

Georg Nigl

Live-Übertragung aus der Wiener Staatsoper mit Georg Nigl (Ulisse), Kate Lindsey (Penelope), Josh Lovell (Telemaco), Hiroshi Amako (Eurimaco/Anfinomo), Jörg Schneider (Ira/l umana fragilità), Helene Schneidermann (Ericlea/l umana fragilita) — Concentus Musicus Wien; Dirigent: Pablo Heras-Casado — Der Mensch als Spielball der drei Mächte Liebe, Schicksal und Vergänglichkeit – so könnte man kurzgefasst die Handlung von Claudio Monteverdis Oper «Il ritorno d›Ulisse in patria» zusammenfassen. — Das 1640 uraufgeführte Werk auf einen Text von Giacomo Badoaro basiert auf dem 13. bis 23. Gesang aus Homers Odyssee. Penelope beklagt ihr Schicksal und beschwört den fernen Ulisse (Odysseus) heimzukehren. Trotz seiner langwährenden Abwesenheit hat sie dem Ehegatten stets die Treue gehalten und die sie bedrängenden Freier verschmäht. Dank der Gunst der Götter ist es Ulisse nach vielen Jahren der Irrfahrten endlich gestattet, nach Ithaka zurückzukehren. Er wird von seiner Frau nicht sogleich erkannt; erst nach mehreren Prüfungen ist Penelope von der Identität des Heimgekehrten überzeugt – Ulisse und Penelope sind wieder glücklich vereint. — Wie die zwei Jahre später uraufgeführte Oper «L›incoronazione di Poppea» entstammt auch die «Heimkehr des Odysseus» der letzten, der venezianischen Schaffensperiode von Monteverdi; der damals 73-jährige Komponist hat zu dieser Zeit als Kapellmeister am Markusdom gewirkt. Einige Werk aus jener Periode, insbesondere Schöpfungen für die Bühne, sind bis heute verschollen – und lange Zeit hatte man auch geglaubt, die Partitur der Oper «Il ritorno d›Ulisse in patria» sei unwiederbringlich verloren – nur Abschriften des Librettos lagen vor, nicht aber die Musik. — Doch dann hat man eine einzige überlieferte Partitur aufgefunden, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Beständen der ehemaligen Schlafkammerbibliothek von Leopold I. in Wien. Diese, manche Abschnitte der Libretti nicht umfassende Abschrift enthält zwar nur die Melodie- und Gesangslinien mit beziffertem Bass, nicht aber eine Instrumentierung, doch immerhin: die Wissenschaft hat Monteverdis Autorenschaft als zweifelsfrei anerkannt – das Werk konnte nach mehr als zwei Jahrhunderten wieder zum Klingen gebracht werden. — Weshalb sich gerade in Wien in den kaiserlichen Beständen eine Partitur der Oper erhalten hat, ist bis heute ein Rätsel geblieben – Hinweise auf eine Aufführung in Wien im späten 19. Jahrhundert gibt es nicht, auch keine Belege, dass Aufführungen möglicherweise in der Kaiserstadt geplant waren, dann aber nicht stattgefunden haben. — In der Wiener Hof- bzw. Staatsoper am Ring ist Monteverdis «Heimkehr des Odysseus» bisher noch nie zur Aufführung gebracht worden; im Rahmen des Monteverdi-Zyklus, in dem man in den vergangenen beiden Spielzeiten die «Krönung der Poppea» und «Orfeo» erleben konnte, folgt nun die Erstaufführung des Werks an dieser Bühne – wieder mit dem Concentus Musicus als Gastorchester im Graben, unter der musikalischen Leitung von Pablo Heras-Casado. Die Inszenierung obliegt Jossi Wieler und Sergio Morabito.

 
 

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Oswald Eggers Sphäre der Farbenwelt – Triumph der Farben

02.04.2023KunstradioÖ1Peter Blau —   –  Details

Oswald Eggers

Triumph der Farben von Oswald Egger mit Brigitta Falkner, Franziska Füchsl, Daniela Strigl, Oswald Egger, Händl Klaus, Bodo Hell, Benedikt Ledebur — Spielt, was trudelt, bunter als bunt, etwas hoch? Und treibt und überspielt eine Herde Farben, deren Rufnamen pointiliert, in Schwärmen bildender Tüpfelchen und Pünktchen, treideln, stieben und versprühen?

Wie eine fortschreitend oskulierende Wolke in Form von Worten und Formen ohne Worte, ein Gewölle von Zerstreuungen und Häufungen selbstüberwälzter Vorwärtswellen. Im Chor oder einzeln vortorkelnde Stimmenverbindungen, die untereinander freigespielt wortwörtlich über- und untertreiben dabei. — Z.B. im Halma-Spiel können Wort für Wort lange Sprungfolgen entstehen, mit denen man mit einem einzigen Spielzug (oder Atemzug) in beständigem Wechsel der Töne und Konstellation das ganze Spielfeld (oder eben Hörfeld) überqueren kann. Das Ohr vermag jetzt Anordnungen und darin Anbahnungen und Vokallinien für ausgedehnte Sprungfolgen herauszuhören, Mitlaut, und mit vortreibenden Verwirbelungen im Wortfeld semantischer Höfe – ins Offene verbinden.

 

Ab und an berühren und vereinigen sie sich, verflechten sich dort und hier miteinander und splittern sich auf ihrem weiteren Vor- und Fortlauf wieder auf: Plötzliche, sofort wieder zerfallende, geborgte Bedeutungen disparat. — Wie angerufene Augenblicksgötter, Farbbezeichnungen und deren Verklitterungen als Litanei der Phänomene, ausgemalt verbüschelt, liquidiert: Schon die sporadischen Paare aus Färbungen und Namen, mit Ahnungen und Annahmen, akklamieren im Appell einer stillschweigenden Übereinkunft den Triumph der Farben, oft in klackslauter Interjektion, wechselständig Sätze überüberspringend, oft verdoppelnd. — Vokabelstränge, Verflochtenheiten, Häufungsgruppen und mannigfaltige Zusammenverklammerungen eigenloser, bildhaftiger, exempeliger Farbtonabfolgen: als Perlenschnur von Bildern, deren Ton-Verknotungen nicht konsekutiv erfolgen, sondern vielsilbiger, ausmalender. Reihum haben die Stimmen je einen Spielzug (ausdrücklich, um im Stillen zu versilben). Einen Wortlaut, eine Satzaussage, als eigene Welt der Form nach, als Welt in der Welt, die zwischen den Wörtern vergeht und den Stillen und Pausen. — Geschweige davon erhellen sich die Farben ausgesprochen, ephemer, aus aparten Spontannamen in Und-los atmenden, Ton in Ton einschwingenden Hörräumen einer undulierenden, inneren Geometrie der Vorgänge, die sich auszumalen wissen, was nicht gesagt ist: Wort für Wort ist nach und nach alles in allem ein Bild.

 
 

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Philosophin Isolde Charim über Narzissmus

02.04.2023GedankenÖ1Peter Blau —   –  Details

Isolde Charim

Der aus der griechischen Mythologie stammende Narziss, dieser von unstillbarer Selbstverliebtheit gepeinigte und von grenzenloser Selbstbewunderung getriebene Mensch, der mit Vorliebe zwischen Hybris und Vanitas seine Blüten treibt, kommt immer wieder in neuen Gewändern daher: in dem nach Anerkennung heischenden Selfie-Kult, in der zunehmende Selbstverständlichkeit, die eigene Befindlichkeit und die persönlichen Bedürfnisse zum Mittelpunkt und Maß aller Dinge zu machen, in der manipulativen Egozentrik populistischer Politiker oder auch in der ständigen Forderung nach Selbstoptimierung: Du musst mehr werden, als du bist, du musst zu deinem Ideal werden. Was aber bedeutet es für die Gesellschaft, wenn dieses antigesellschaftliche Prinzip zur – gesellschaftlich akzeptierten – herrschenden Ideologie wird?

Die Philosophin und Publizistin Isolde Charim (63) ortet in dieser Entwicklung eine der wesentlichen Ursache für die fortschreitende Spaltung unserer Gesellschaft. Umso mehr stellt sich ihr die Frage, was uns dazu bringt, uns freiwillig den – so auch der Titel ihres aktuellen Buchs – «Qualen des Narzissmus» zu unterwerfen? Wie kommt es, dass «die Menschen für ihre Knechtschaft kämpfen, als sei es für ihr Heil», wie es der niederländische Philosoph Spinoza bereits im 17. Jahrhundert formulierte. Diese Frage, so Charim, gelte es zu allen Zeiten neu zu stellen, erst recht jedoch in Zeiten von Krisen und Verunsicherungen. — Im März wurde Isolde Charim mit dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet. Die Jury lobte sie in ihrer Urteilsbegründung als «eine präzise Beobachterin und Analytikerin der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrem Heimatland Österreich und darüber hinaus. Isolde Charim sucht nicht nach leicht erklärbaren Symptomen gesellschaftlicher und kultureller Phänomene (…), sondern nach deren schwer zu erkennenden Ursachen.»

 
 

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Der Bluespionier Muddy Waters – Pionier des elektrischen Blues

02.04.2023SpielräumeÖ1Klaus Wienerroither —   –  Details

Muddy Waters

Am 4. April jährt sich der der Geburtstag des aus Rolling Fork, Mississippi stammenden Sängers und Gitarristen McKinley Morganfield alias Muddy Waters zum 110. Mal. — Der 1984 verstorbene Waters gilt als einer der Pioniere des Chicago Blues und damit auch als einer der Gründerväter des späteren Rock ›n› Roll und der Rockmusik im Allgemeinen. Nicht zuletzt geht der Bandname der «Rolling Stones» auf Muddy Waters zurück. Sein konsequenter Einsatz der elektrischen Gitarre (sein Handwerk hat Muddy Waters ursprünglich auf der akustischen Gitarre als Interpret von Country Blues gelernt) ist eine Initialzündung für die «elektrifizierte» Musik, die nicht zuletzt durch die angehobene Lautstärke um die Welt ging. Und bis jetzt wurde noch nicht einmal Muddys Ehrfurcht gebietendes Stimmorgan erwähnt. Sehr bald konzentrierte sich Waters mehr auf den Gesang als auf das Gitarrenspiel und gilt als einer der stilbildenden Vokalisten des 20. Jahrhunderts. Die «Spielräume Spezial» würdigen einen der Großen der Musikgeschichte.

 
 

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Montserrat Caballé in Opern von Bellini

02.04.2023Ö1Michael Blees —   –  Details

Montserrat Caballé

Ausschnitte aus den Vinzenco Bellini-Opern «Norma», «Il Pirata», «La Sonnambula», «I Puritani» und «Adelson e Salvini».

 

Sie hat zu den bedeutendsten Opernsängerinnen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezählt – und dank zahlreicher berühmter Aufnahmen wird ihre singuläre Stimme nie in Vergessenheit geraten: die im April 1933, vor 90 Jahren geborene, im Oktober 2018, vor fünf Jahren verstorbene spanische Sopranistin Montserrat Caballé. Ihr großes Repertoire hat von Händel bis Richard Strauss gereicht, mit besonderen Schwerpunkten bei Verdi und den Veristen, aber auch im Belcanto-Repertoire bei Donizetti und Bellini. Von letzterem war sie eine bedeutende Interpretin der Norma und der Imogene in «Il Pirata»; für beide Rollen, die als die schwersten des Belcanto-Repertoires gelten, hatte sie die notwendige Lyrik und Agilität, aber auch dramatische Expansionskraft. In Konzerten hat Montserrat Caballé ihre bemerkenswerte Phrasierungskunst und ihre betörende piano-Kultur auch in Arien aus «La Sonnambula» und aus «Adelson e Salvini» präsentiert, zwei Bellini-Opern, die nicht zu ihrem Bühnenrepertoire gezählt haben, wie auch die Elvira in «I Puritani» und die Adalgisa in «Norma», die sie für Studio-Aufnahmen unter Riccardo Muti bzw. Richard Bonynge einstudiert hat.

 
 

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