Dirty Dozen – Fremdgänger: 12 Jazzsolisten im Pop – Alkohol (1984) – Herbert Grönemeyer, Charlie Mariano

25.08.2011Play Jazz: ClipNDR InfoClaudia Schober —   –  Details

Herbert Grönemeyer

Dirty Dozen: Herbert Grönemeyer – Alkohol
von Claudia Schober

Es gab Zeiten in den 80er- und 90er-Jahren, da wurde fast jeder Rock- und Popsong mit einem Saxofon-Solo garniert – verlässlich, aber nicht immer schön. Die meisten Saxofonisten hielten sich dabei an die gängigen Klischees – viele verwendeten nicht mehr als fünf Töne, blieben harmonisch immer innerhalb der einfachen Strukturen der Popmusik und setzten auf Effekthascherei. Viele dieser Soli sind ziemlich furchtbar, seelenlos und ohne Bezug zu den Songs.
Gerade deshalb ist Charlie Marianos Solo über Herbert Grönemeyers Titel «Alkohol» eine erfrischende Abwechslung. So kann ein Saxofon-Solo im Rock und Pop also auch klingen!

Tief im Westen … gelingt der Durchbruch

1984 erschien Grönemeyers Album «4630 Bochum» – 4630 lautete damals die Postleitzahl von Bochum. Für Grönemeyer war das Album der Durchbruch. Bis dahin war er zwar als Schauspieler durch seinen Auftritt in «das Boot» bekannt geworden, seine musikalische Karriere steckte aber noch in den Kinderschuhen. Das änderte sich mit «Bochum» – immerhin 79 Wochen war das Album in den Charts und in Deutschland erfolgreicher als Michael Jacksons «Thriller».
 

Alkohol
von der CD 4630 Bochum Text und Komposition: Mrotzek / Hamm Label: Before Grönland (EMI) 568-1 46905 2, ASIN: B000023Y1M Preis: 14,15 Euro (unverbindlich)

Auf dem Album sind viele von Grönemeyers größten Hits wie «Männer», «Flugzeuge im Bauch», der «Mambo» und natürlich «Bochum» und «Alkohol», die bis heute fest in Grönemeyers Repertoire sind. Nur eine Sache fehlt leider: das ursprüngliche Saxofonsolo von Charlie Mariano in «Alkohol».

Ein Weltmusiker der ersten Stunde

Viele Pop-Fans werden Marianos Saxofon und seinen Sound kennen, ohne dass sie es wissen. In den 80ern spielte er nicht nur bei Herbert Grönemeyer sondern auch bei Konstantin Wecker und Nena. Seine Karriere begann Anfang der 50er-Jahre in den USA, in der Band von Stan Kenton und an der Seite von Dizzy Gillespie und McCoy Tyner.
Später folgte eine zweite Karriere in Europa – als einer der Weltmusiker der ersten Stunde. Egal ob beim United Jazz und Rock-Ensemble, in Eberhard Webers Band «Colours» oder mit indischen Solisten – Mariano hauchte jeder Musik seinen unverwechselbaren Atem ein. Ohne auf irgendwelche Klischees zu achten, konnte er sich auf jeden Stil und jedes Genre einlassen und blieb dabei trotzdem immer er selbst.
2009 starb Charlie Mariano im Alter von 85 Jahren. In seiner langen Karriere hat er auf mehr als 300 Alben mitgewirkt. Er war freundlich, offen und vielseitig – das machte ihn zu einem der gefragten Musiker – weltweit.

Die instrumentale Sicht aufs Thema

Der Song «Alkohol» hat eine einfache Melodie und lebt vor allem vom Text: «… graue Zellen in weicher Explosion, Sonnenaufgangs- und Untergangsvision». Die Strophe und der Refrain kommen mit lediglich vier verschiedenen Dreiklängen aus – bis zum Saxofonsolo. Dann fängt Charlie Mariano an, seine Geschichte zu dem Song zu erzählen.
Passend zum Text zerrt das Saxofon ein wenig an den Nerven, ganz so als ob man mit einem Kater aufwacht. Er geht fast soweit, dass es weh tut. Die Harmonien werden schlagartig interessant: Sus-Akkorde, Septimen und Nonen bilden einen völlig neuen Klang. Und Mariano bricht auch die Form des Songs auf: Nachdem Grönemeyer bereits wieder den Refrain singt, steigt das Saxofon erneut ein, reibt sich an dem monotonen Gesang und hebt ab, fängt an zu schweben.

»Tears of sound»
Niemand spielte so ausdrucksstark wie Charlie Mariano – mit einer unbeschreiblichen Offenheit und Neugierde. Und vor allem seinem ganz speziellen Sound. Charles Mingus bezeichnete Marianos Stil einmal als «tears of sound», also «Tränen aus Klang» – und genau diese Tränen, die fließen auch hier.

Seit gut 30 Jahren ist Herbert Grönemeyer als Sänger dem Publikum bekannt.

 
 

SK-xxhehi