Zum Tod der Architekturgaleristin Kristin Feireiss: Botschafterin der Baukultur

22.04.2025NewsTagesspiegelFalk Jaeger —   –  Details

Kristin Feireiss

Sie holte die Architekturstars nach Berlin. Nun ist die Gründerin der weltweit bedeutendsten und am längsten existierenden privaten Architekturgalerie mit 82 Jahren verstorben.

Die erste Frage der Bewohnerin von «Mother’s House“, der postmodernen Inkunabel von Robert Venturi in Philadelphia, lautete bei unserem Besuch: «Wie geht es Kristin?“. Das war 1992. Seitdem war die Bekanntheit der Berliner Architekturgaleristin Kristin Feireiss international stetig weiter gestiegen. Weltweit wurde sie zu Vorträgen, Symposien und in Preisgerichte eingeladen, darunter die Jurys des renommierten Pritzkerpreises und der Biennale in Venedig. Die TU Braunschweig verlieh ihr die Ehrendoktorwürde und der Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz am Bande. — Begonnen hatte alles mit einer gescheiterten Idee. 1980 eröffnete die gebürtige Berlinerin in der Charlottenburger Grolmanstraße gemeinsam mit der Architektin Helga Retzer die Architekturgalerie Aedes. Damals hatte die Postmoderne ihre hohe Zeit – und mit ihr die Architekturzeichnung. Blätter von Oswald Mathias Ungers, Zaha Hadid und Hans Hollein wurden zum Gewinn versprechenden Handelsgut. Die beiden Frauen wollten mitmischen. Peter Cook, Giorgio Grassi und Rem Koolhaas galten die ersten Ausstellungen, allesamt prominente Namen. Doch die Idee, mit der Galerie Geld zu verdienen, erwies sich als Fehleinschätzung.

Bis zu 28 Ausstellungen pro Jahr — Aber die Freude an hochkarätigen Architekturausstellungen blieb. Als Helga Retzer 1984 unerwartet verstarb, machte Kristin Feireiss weiter. Sie organisierte schließlich bis zu 28 Ausstellungen pro Jahr. Seit den Anfängen sind über 500 Stararchitekten von Gehry bis SANAA, von Perrault bis Ando, von Coop Himmel(b)lau bis Ai Weiwei, von Graft bis Böhm bei Aedes aufgetreten. 411 Ausgaben der kleinen quadratischen Kataloge sind mittlerweile erschienen, eine bibliophile Reihe von internationalem Renommee. — Die Galerie zog 1988 in die S-Bahnbogen am Savignyplatz, nach der Wende an den Hackeschen Markt und 2006 auf den Pfefferberg nach Friedrichshain. Dort etablierte sich das Aedes Architecture Forum mit dem Aedes Metropolitan Laboratory (ANCB), das internationale Workshops und Symposien mit Hochschulen aus aller Welt veranstaltet. Ko-Direktor wurde 1994 Kristin Feireiss’ Partner Hans-Jürgen Commerell.

Ihre Lebensgeschichte hat die frühere Journalistin in einer lesenswerten Biografie niedergeschrieben. Nach dem Unfalltod ihrer Eltern 1948 war sie bei ihrem Onkel Josef Neckermann aufgewachsen und hatte keine glückliche Kindheit in der Familie des obsessiven Versandhausmagnaten verlebt, mit der sie später nichts mehr verband. Dennoch ist das Buch statt einer Abrechnung ein einfühlsames Familienepos, das Heikles nur zwischen den Zeilen verrät. Die Vorgeschichte aber erklärt ihre Prägung, Zielstrebigkeit und klare Haltung. — Es ist das Geheimnis ihres Erfol­ges, dass sie selbst mit schwierigen Baukünstlern locker umge­hen konnte und Protagonisten unterschiedlicher Positionen miteinander ins Gespräch brachte, denn es ging ihr um architektonische Kultur. Deshalb wurden von Anbeginn auch Arbeiten von Hochschulen und jüngeren Architekten ausgestellt, für die Aedes oft das Sprungbrett war. — Finanziert wurden alle Aktivitäten jeweils projektbezogen durch Sponsoren, Botschaften, Stiftungen, Eigenbeitrag der Architekten – ein mühsames Geschäft. Finanzielle Unterstützung durch den Berliner Senat gab es keine, obgleich der sich gerne mit der weltweit bedeutendsten und am längsten existierenden privaten Architekturgalerie schmückt. — 996 wurde Kristin Feireiss überraschend zur Direktorin des Niederländischen Architekturinstituts NAI in Rotterdam berufen. Sie lernte Holländisch, aktivierte ihr Netzwerk und zündete ein Feuerwerk an Ausstellungen. Fünf Jahre später sah sie dort ihre Mission erfüllt und hinterließ ein florierendes NAI, das noch lange von Besucherrekorden zehrte. — Kristin Feireiss war als Botschafterin der Architektur eine Institution. Wenn die Baukultur aus Berlin und Deutschland wieder etwas gilt in der Welt, so ist das auch ihr Verdienst. Am 20. April ist sie nach kurzer schwerer Krankheit im Kreis ihrer Familie mit 82 Jahren in Berlin verstorben.

 
 

SK-news