Bernhard Vogel / Ein Maschinist der Macht

03.03.2025NewsZeit OnlineMartin Machowecz —   –  Details

Bernhard Vogel

Bernhard Vogel ist tot – ein Mann, der die CDU und das Land kannte wie kaum einer sonst. Und dessen Rat Friedrich Merz jetzt gut gebrauchen könnte.

Der Vogel war eigentlich ein Fuchs. Bernhard Vogel, der an diesem Montag verstorbene frühere Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz, war sogar ein sehr klassischer Fuchs. Einer von der Sorte, wie es sie früher in der Politik vielleicht noch öfter gab als heute. Ein Stratege, ein frecher. Einer, von dem all seine Nachfolger wussten: Sie können ihn beständig um Rat fragen. Aber sie konnten sich zugleich nie ganz sicher sein, ob er nicht auch noch etwas Zweites im Schilde führt, von dem sie nun wahrlich nicht erfahren würden. Weil er immer schon drei Winkelzüge weiterdachte, und weil er das auch nicht verbarg; sein Lächeln verriet es. — Bernhard Vogel ist ein Unikat gewesen, als Maschinist der Macht und des Machbaren: Ministerpräsident nicht nur in zwei deutschen Bundesländern, in Rheinland-Pfalz (1976 bis 1988) und Thüringen (1992 bis 2003). Sondern damit eben auch: als Ministerpräsident in Ost und West; als Mann, der das Land schon zusammenführte, als alle noch dachten, es sei doch längst eins (später stellte sich heraus: Der Weg, eins zu werden, war weit.). Bernhard Vogel war einer dieser Westdeutschen, die in den Osten gingen, nicht um Unfrieden zu stiften oder um noch mal Karriere zu machen ohne Reue. Nein: Er war einer, der gerufen wurde in wirklich höchster Not. Ganz nebenbei war er auch einer, der Spannungen aushielt, politische Gegensätze. Wie konnte es anders sein, mit dieser Geschichte, schon familiär: Er in der CDU. Sein Bruder Hans-Jochen in der SPD, nicht minder erfolgreich, als Regierender Bürgermeister von Berlin und Bundesminister in mehreren Ämtern, als Vorsitzender der heiligen SPD in Willy Brandts direkter Nachfolge. — Zurück zu Bernhard, und damit in den Osten. 1992 hatten sich die Ostdeutschen in Thüringen zerstritten. Josef Ducha war als Ministerpräsident zurückgetreten, nach Stasi-Vorwürfen und irrwitzigsten Gerüchten um seine Verwicklungen in der DDR. Die Thüringer Union stand vor dem Zusammenbruch, einige Protagonisten, die später noch Schlagzeilen machen sollten – etwa Christine Lieberknecht – übten sich fröhlichst in erbitterten Machtkämpfen. Der Thüringer CDU-Chef Willibald Böck, so erzählte es Vogel einmal, rief unvermittelt bei ihm, Vogel, an, am 24. Januar 1992: Ob er bereit sei, nach Erfurt zu kommen? Er müsse Regierungschef werden! «Ich habe sehr ausweichend geantwortet», so Vogel Jahre später in der ZEIT. «Am Wochenende, am späten Sonntagabend, habe ich mit Helmut Kohl telefoniert, der wiederum aber nicht wollte, dass ich in Thüringen Ministerpräsident werde. Das war mir recht.» Am folgenden Montag, Vogel war in München im Restaurant, sei eine urbayerische Kellnerin an Vogels Tisch gekommen. Sie habe gefragt: «Heißt hier oanna Vogel?» «Das konnte ich ja nun nicht leugnen», erinnerte sich Vogel. «Sie führte mich daraufhin zum Telefon, und da war Helmut Kohl am Apparat.»

Sofort nach Thüringen Was Kohl, der Bundeskanzler, wollte? Einen Sinneswandel verkünden. Hören wir es uns an in Bernhard Vogels Worten, später in der ZEIT: «Bernd, sagte er, ich sitze hier mit den Verantwortlichen aus Thüringen im Kanzleramt; unter anderem dem Landesparteichef Böck, der Ministerin Christine Lieberknecht, dem zurückgetretenen Ministerpräsidenten Josef Ducha . Man habe intensiv beraten – der einzige Kandidat, auf den man sich einvernehmlich einigen könne, sei ich. Fahr sofort nach Thüringen.» Und dagegen habe er sich nicht wehren können, gegen den Kanzler zumal, erzählte Vogel, von sich begeistert, ja: schelmisch grinsend. (…)

Politik ist die Kunst des Möglichen, nicht die des Unmöglichen, sagte Vogel. «Aber es ist auch falsch, zu jammern. Politiker kann man nur mit Leidenschaft werden. Wer Geld verdienen will, sollte lieber den Beruf eines Sparkassendirektors anpeilen. Der ist nicht ganz so belastend und finanziell interessanter.» — Er warte nicht auf den Tod, sagte Vogel 2024. «Aber ich weiß, dass er nicht mehr lange wartet.» — Was kommt danach? — «Nach meinem Verstand die Gefahr, dass es zu Ende ist. Nach meinem Glauben das ewige Leben.»

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