11.02.2025 – News – ARD Tagesschau – Manfred Berg — – Details
Trump US
Der Historiker Manfred Berg sieht in den USA Anzeichen für einen “administrativen Putsch”. Im Interview erläutert er, wie Trump eine beispiellose Verfassungskrise auslöst und eine kleine Gruppe den Staat zu ihrem Instrument macht.tagesschau.de: Mitarbeiter der neuen Einrichtung für Regierungseffizienz DOGE verschaffen sich Zugang zu US-Ministerien und -Behörden, erhalten Zugriff auf sensible Datensätze und schließen Einrichtungen von heute auf morgen. Was beobachten wir gerade in den USA?Manfred Berg: Es sieht so aus, als handele es sich um eine Art administrativer Putsch. Ob eine neue Regierung so etwas überhaupt darf – ob das nun die Entlassung eines Großteils von Beamten ist oder die Schließung von ganzen Behörden -, ist völlig umstritten und wird vor Gericht landen. Aber die Frage ist, ob Trumps Administration überhaupt bereit ist, Gerichtsurteile zu akzeptieren.tagesschau.de: Das Vorgehen zum Beispiel von DOGE ist nicht rechtlich gedeckt?Berg: DOGE gibt es in dem Sinne als Behörde gar nicht. Normalerweise muss es für die Gründung einer Behörde oder eines Ministeriums einen Gesetzesakt des Kongresses geben, was nicht der Fall ist.DOGE ist ein ad hoc geschaffenes Gebilde, das unter Elon Musks Aufsicht mit sehr brachialen Methoden die Umgestaltung des Regierungsapparats im Sinne der Trump-Administration vorantreiben soll. Die rechtlichen Einzelheiten werden jetzt Gerichte klären müssen.
“So etwas nennt man dann Verfassungskrise”tagesschau.de: Es gibt schon jetzt mehr als 40 Klagen gegen das Vorgehen der Musk-Truppe. Was geschieht, wenn die US-Regierung Richtersprüche einfach ignoriert?Berg: Es gibt einen berühmten, immer wieder zitierten Präzedenzfall aus dem frühen 19. Jahrhundert, als Präsident Andrew Jackson sich geweigert hat, ein Urteil zu respektieren und sagte: “Der Supreme Court hat ein Urteil gefällt. Nun soll er es auch durchsetzen.”Das Prinzip der Gewaltenteilung beruht aber darauf, dass die Gewalten gegenseitig ihre Autorität anerkennen, die Exekutive die Urteile von Gerichten durchsetzt und sich daran hält. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, gibt es keine Gewaltenteilung mehr. So etwas nennt man dann Verfassungskrise.Trumps Leute behaupten, der Präsident sei nicht an Gerichtsentscheidungen gebunden. Man muss deutlich sagen: So regieren Diktatoren. Ob Trump tatsächlich Gerichtsentscheidungen ignorieren wird, insbesondere des Supreme Courts, ist noch nicht wirklich entschieden. Aber klar ist: Die Trump-Administration spielt mit dem Feuer.
“Das System wird überwältigt”tagesschau.de: Von Vizepräsident J.D. Vance stammt der Satz, die Justiz habe nicht das Recht, die legitime Macht der US-Exekutive zu kontrollieren. Überschreiten die Richter ihre Befugnisse?Berg: Genau das tun sie nicht. Das ist eine frivole Behauptung. Die Exekutive unterliegt dem Recht und der Verfassung, und sie ist an die Entscheidungen der Gerichtsbarkeit gebunden. Die USA waren der Pionier der Normenkontrolle seit dem frühen 19. Jahrhundert. Der Supreme Court hat die letzte Entscheidung darüber, ob ein Gesetz oder eine Exekutiv-Maßnahme der Verfassung widerspricht. Und wenn der Supreme Court das feststellt, ist sie ungültig.Diese Verfassungskrise provoziert die Trump-Administration im Augenblick. Sie vertraut dabei auf zwei Dinge. Zum einen auf die plebiszitär-populistische Parole, dass Trump nur den Willen des Volkes umsetze. Das ist für die Öffentlichkeit bestimmt.Zum anderen vertraut sie institutionell darauf, dass das System überwältigt wird und paralysiert ist. Die Gerichte entscheiden nicht so schnell, wie Trump Dekrete unterschreibt und wie Musk seine Leute in die Ministerien schickt. Am Ende kann es einfach dazu führen, dass die Administration vollendete Tatsachen schafft. Das gesamte normative System von checks and balances steht damit zur Disposition. (…)
SK-news