Was bin ich? Frauen singen deutsch, erste Person Singular / Fritzi Ernst, Stefanie Schrank, Mausis oder Nichtseattle

07.01.2025open: Ex & PopWDR 3Klaus Walter —   –  Details

Stefanie Schrank

Sie tragen Nichtpopstarnamen wie Fritzi Ernst, Stefanie Schrank, Mausis oder Nichtseattle. Sie singen (meistens) auf Deutsch, tun das aber nichtidentisch, wie fremd in der eigenen Sprache. Ich und die Wirklichkeit 2025: Keine Schule, keine Bewegung.

Ich bin so dumm, ich steh im Bett, ich pfeif´ auf deine Regeln. Ich schminke mich und mache mir die Haare. Ich übe, leise zu gehen und zu sprechen, damit es so einfach aussieht, als wäre es mir egal. Ich möchte kein Eisbär sein, ich möchte eine Zukunft. Ich bin die Katze von Jesus, ich bin die Spielerfrau. Mein Gott wie die Zeit vergeht, ich bin immer noch auf dem Nachhauseweg. Ich hatte in meinem Leben noch nie solche Angst. Ich bin immer so fleißig und trotzdem irgendwie reichts nicht. Ich umarme fremde Leute, ich verliere meine Freunde, ich erkenn´ sie nicht mehr wieder, ich höre hunderttausend Lieder. Ich leg´mein Geld in Käse an. Ausgerechnet ich.

 

Songtexte aus der Gegenwart. Ständig sprechen und singen diese Künstlerinnen (generisches Femininum, der eine oder andere Mann ist mitgemeint) in erster Person Singular, Ich & Ich & Ich. Sie haben also einiges gemeinsam, aber sie möchten vermutlich nicht in einen Topf geworfen werden, oder in eine Schule gesteckt (HH? Berlin? Seattle). Schon gar nicht Teil einer Jugendbewegung sein. Paradoxerweise bekommen diese Erste-Person-Einzahl-Künstlerinnen hier aber erst in der Mehrzahl eine gewisse Aufmerksamkeit. Und interessanterweise trumpft die Musik dieser Ichs nicht egoshootermäßig auf, sondern bleibt eher zurückhaltend, als wollte sie sich verstecken.

 

Lauter Ich-Zufälle oder Symptome einer Gesellschaft der Singularitäten, über die der Soziologe Andreas Reckwitz schon 2017 einen Bestseller geschrieben hat? Der Titel ist längst ein geflügeltes Wort, auch eine Art sprichwörtliche Allzweckdiagnose. Also: Was bin ich 2025? Ein heiterer (?) Liederkranz, Jahrzehnte nach «Ich will nicht werden was mein Alter ist» (Ton Steine Scherben). «Ich und die Wirklichkeit» (DAF), «Fütter dein Ego» (Einstürzende Neubauten), «Ich-Maschine» (Blumfeld) und, essenziell: «Ich» (Lassie Singers). 154 Jahre nach Rimbaud. Ist Ich eine Andere?

 
 

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