Der Opernmagier und seine Kammermusik – Zum 100. Todestag von Giacomo Puccini

28.11.2024Welt der MusikNDR KulturDagmar Penzlin —   –  Details

Giacomo Puccini

Giacomo Puccini ist berühmt für seine zwölf Opern: Fast alle haben sich zu Welthits entwickelt und bestimmen bis heute die Spielpläne. Weniger bekannt sind hingegen seine Stücke für Streichquartett und seine knapp 20 Klavierlieder. Die Instrumentalmusiken, die während seiner Studienjahre in Mailand entstanden sind, hat Puccini teilweise für seine Opern adaptiert, darunter auch das Capriccio sinfonico. Puccinis Examensarbeit gilt als das Werk, mit dem er seinen ganz eigenen Ton gefunden hat. Lieder schrieb der italienische Komponist hingegen bis fast an sein Lebensende. Sie bewegen sich im Spannungsfeld von Tradition und Moderne – so wie Puccinis Schaffen insgesamt. — Sproß einer traditionsreichen Musikerfamilie Giacomo Puccini wird am 22. Dezember 1858 in Lucca geboren. In der italienischen Stadt haben, beginnend mit Puccinis Ururgroßvater, seine Vorfahren als Musiker gewirkt – sei es als Dirigent der Stadtkapelle und Organisten der Domkirche oder als Leiter der städtischen Musikschule wie sein Vater. Der Weg des kleinen Giacomo scheint vorgezeichnet, zumal als sein Vater früh mit 50 Jahren stirbt. Der sechsjährige Giacomo soll so bald wie möglich dessen Ämter als Organist und Musikschul-Leiter übernehmen. — Puccini wird Chorknabe, lernt Geige und Klavier, hat Stimmbildung und besucht Musiktheoriekurse. 1871 folgt schließlich die Aufnahme in die Kompositionsklasse. 1873 wird er Titularorganist in Lucca. Er erlebt in diesen Jahren auch Opernaufführungen etwa von Giuseppe Verdis «Aida» 1876 in Pisa. Laut Puccini-Forscher Dieter Schickling war aber nicht Verdi das Idol von Puccini, sondern Richard Wagner. Die Studienjahre in Mailand von 1880 bis 1883 sollen ihn einer Karriere als Opernkomponist näherbringen. — «Ich sterbe!!!» Die musikalische Ausbildung in Mailand wie auch schon in Lucca folgt traditionellen Regeln. Dazu gehört das Schreiben von vierstimmigen Fugen und das Aussetzen von Generalbässen wie in Triosonaten von Arcangelo Corelli. Puccini verzweifelt darüber und kommentiert seine Arbeit mit Randbemerkungen. Es sind Kommentare mit stets drei Ausrufezeichen: «Oh weh!!! Au!!! O Gott!!! Um Gottes willen Hilfe!!! Es ist genug!!! Zu viel!!! Ich sterbe!!!» — Geschrieben in einer Nacht: das Streichquartett «Crisantemi» Während der Studienjahre in Mailand entstehen so Fugen und Menuette für Streichquartett. Puccinis berühmtestes Streichquartett «Crisantemi» ist hingegen eine Gelegenheitskomposition. Puccini schreibt das Werk im Januar 1890 nach eigenen Angaben in einer Nacht: eine seiner wenigen Gelegenheitskompositionen in Gedenken an den gerade verstorbenen Fürsten Amedeo Ferdinando di Savoia, den zweitgeborenen Sohn des ehemaligen Königs Vittorio Emanuele II. — Die Trauer um den beliebten Fürsten ist groß, in Mailand erstarrt für einige Tage das Musikleben. Das Quartetto Campanari beauftragt Puccini. Das Streichquartett «Crisantemi» erklingt schließlich erstmals am 26. Januar 1890 bei einem Gedenkkonzert. Bis heute ist es das beliebteste Kammermusik-Werk von Puccini, bearbeitet für unterschiedliche Besetzungen bis hin zum Streichorchester. — Fragen nach dem Sinn des Lebens Über Nacht ein Werk zu komponieren ist ansonsten Puccinis Sache nicht: Vielmehr arbeitet er an seinen Opern jeweils mehrere Jahre, ringt mit Stoff und Musik. Auffällig ist, wie er sich gerade bei seinen frühen Kammermusikwerken und seinen Liedern immer wieder bedient. So übernimmt Puccini für den Beginn seiner Oper «La Bohème» etwa den Mittelteil aus seinem Cappricio sinfonico. Eines von Puccinis späten Liedern, «Morire?» – «Sterben?» aus dem Jahr 1917, steht seinen Opernarien sehr nahe: Die Fragen nach dem Sinn des Lebens stellt der Komponist hier im Stil seiner erprobten weit gespannten Melodik und seines typischen Sprechgesangs. Dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne – auch in seinen Liedern hat Giacomo Puccini neue Wege beschritten: Seine Kammermusik zeugt davon und ist überhaupt mehr als ein Steinbruch für sein Opernschaffen. —

 
 

SK-