Das nachhaltige Erbe des Henry Worrall – Eine Frage der Stimmung

10.11.2024Spielräume SpezialÖ1Michael Neuhauser —   –  Details

Henry Worrall

1835 immigrierte Henry Worrall aus Liverpool in die USA, wo er zu einem renommierten Maler, Musiker und Gitarrenlehrer wurde. Zu jener Zeit war die Gitarre hauptsächlich ein Instrument für junge Mädchen aus gutem Hause, die im trauten Kreis für Familie, Freunde und Bekannte hübsche Salonstücke zum Besten gaben. Für seine Schülerinnen, von denen er eine auch heiratete, komponierte Henry Worrall viele einfach zu erlernende Stücke, darunter zwei, mit denen er nichts ahnend enormen Einfluss auf Blues- und Rock-Musik nehmen sollte: «Spanish Fandango» und «Sebastopol – A Descriptive Fantaisie for the Guitar». — Beide Stücke sind nicht für die Standardstimmung der Gitarre (E-A-D-G-H-E) konzipiert, sondern für eine offene Stimmung, bei der bereits die leeren Saiten einen wohlklingenden Akkord ergeben, beim einen in G-Dur (D-G-D-G-H-D), beim anderen in D-Dur (D-A-D-Fis-A-D). Das hatte nicht nur einen ungewohnten und eindrucksvollen Klang zur Folge, sondern machte auch das Erlernen und Spielen der Stücke einfacher. — Als später afroamerikanische Bluesmusiker die Gitarre für sich entdeckten, verbreiteten sich auch bei ihnen diese offenen Stimmungen, und zwar unter Bezeichnungen, die ihre ursprüngliche Herkunft deutlich verraten: «Spanish Tuning» und «Vestapol Tuning». Und als sich ab den 1960er-Jahren Bands wie Led Zeppelin oder die Rolling Stones mit Begeisterung auf den Blues stürzten, übernahmen sie nichts ahnend das nachhaltige Erbe des Henry Worrall.

 
 

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