03.11.2024 – Menschenbilder – Ö1 – Sabine Nikolay — – Details
Günter Rohde
Segeln, Spitzelei und Freiheit. Der Unternehmer Günter Rohde. — 1956 wird Günter Rohde in Neustrelitz in der DDR als zweites von vier Kindern geboren. Er durchläuft den normalen Bildungsweg der DDR – staatliche Kinderkrippe, Grundschule, Realschule und wechselt danach in ein staatiches Internat für den sportlichen Elitenachwuchs der DDR. 1975 maturiert er in Neustrelitz, anschließend geht er zum Militär, um Leistungssportler beim ASK Rostock zu werden, vergleichbar mit der Sportförderkompanie der Bundeswehr. Sein Platz in der Mannschaft ist am Steuer, sein Ziel die Aufnahme in den olympischen Kader. — Allerdings fallen damals schon Schatten über seinen, für ihn an sich nicht so schlechten DDR-Alltag. So schafft zum Beispiel ein Trainer die Flucht in den Westen, indem er mit einem Segelboot im Radarschatten einer Fähre nach Dänemark die Staatsgrenze überquert.Rohde bekommt immer wieder Angebote von der Stasi, sein Team zu bespitzeln. Mit Anfang 20 heiratet er, mit 25 hat er zwei Kinder, ein altes Haus in Rostock, das er selbst mithilfe von «ständigem Organisieren» saniert und ein Einkommen als Leistungssportler. — Doch dann kommt 1982 das plötzliche Aus. Er fliegt aus nicht genannten Gründen aus dem Segelteam, darf nicht mitfahren nach Italien zum Training, wird abgerüstet und einem Internat als Erzieher zugeteilt, später arbeitet er als Sportlehrer – für beides ist er nicht ausgebildet. — 1989 gehen Günter Rohde und seine Frau wochenweise abwechselnd auf die Montagsdemonstrationen, in denen die DDR-Bürgerinnen und Bürger seit dem 4. September 1989 ihren friedlichen Protest gegen das Regime ausdrücken – und die schließlich zum Mauerfall führen. Gleichzeitig schafft er es zweimal, Verwandte in Köln zu besuchen. Als die Mauer fällt, ist er in Rostock, eine Woche später fährt er mit Frau und Kindern nach Lübeck. Der freundliche Empfang überzeugt ihn, bald mit der Familie in den Westen zu gehen – und so übersiedelt er 1990 nach Köln, arbeitet zunächst in einer Sportmarketingagentur, dann in einer Werbeagentur. — Bald folgt der nächste Bruch in Günter Rohdes Leben: er erlebt sein Coming Out, seine Ehe wird geschieden. Zwei lange Beziehungen folgen, außerdem der Gang in die Selbständigkeit. Heute ist er in Pension, laut Eigendefinition «biederer Reihenhausbesitzer» in einem Dorf südlich von Köln am Rhein, und lebt mit seinem Partner Martin, einem Primararzt, seit 15 Jahren zusammen. — Weiterhin arbeitet er in der Werbebranche und als Berater einer Handelsfirma in Indien, wo er jedes Jahr ein bis zwei Monate verbringt. In den Menschenbildern blickt Günter Rohde zurück auf sein bewegtes Leben mit zahlreichen Brüchen, mutigen Entscheidungen und einem ungewöhnlichen Weg in die persönliche Freiheit.
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