02.11.2024 – Le week-end – Ö1 – Elke Tschaikner und Christian Scheib — – Details
Ennio Morricone
Ennio Morricones Filmmusik aus 1971, also kurz nach den weltweiten Erfolgen mit Sergio Leone, mit der sogenannten Dollar-Trilogie und mit «Spiel mir das Lied vom Tod», kann ganz erstaunliche Züge annehmen. In den Jahren nach diesen Triumphen spielt der Trompeter Ennio Morricone nämlich noch oft Konzerte mit seinen Komponistenkollegen und Freunden des Ensembles «Nuova Consonanza» radikale freie Improvisationskonzerte. Aber 1971 spielt diese Band live die Filmmusik zu einem italienischen Thriller ein. «Die kalten Augen der Angst», heißt der Grusel-Film. Ennio Morricone, experimentelle Trompete, spielt gemeinsam mit Franco Evangelisti, Klavier in allen spieltechnischen Varianten, sowie Egisto Macchi, radikal experimentierfreudiger Perkussionist, und weiteren musizierenden und komponierenden Freunden. Die experimentelle Filmmusik von Ennio Morricone schließt ja bei genauem Hinhören erstaunlicherweise nahtlos an seine eigene Musik zu Großproduktionen wie «Once upon a time in the West» alias «Spiel mir das Lied vom Tod» an. Das ist genau der Punkt dieser Sendung: Eine kleine Aufklärungsarbeit über musikalische Verblüffungen aus dem Musik-Universum des Ennio Morricone.
Als Ennio Morricone die letzten Male nach Österreich kam, 2017 und 2021, um als Dirigent mit Riesenorchester und Riesenchor einen Querschnitt durch sein Schaffen in der ausverkauften Wiener Stadthalle zu präsentieren, da beharrte er auf zwei, das Publikum überraschenden Details, die in einer Art Filmvorspann gezeigt wurden: Einerseits eine Hervorhebung der vielen, hauptsächlich in den 1970er Jahren gedrehten und von ihm vertonten, betont sozialkritischen, der italienischen Linken zuzuordnenden Filmen, auch radikale von Pier Paolo Pasolini. Und andererseits betonte er eben seine eigene, musikalische Sozialisation als Kompositionsstudent von Goffredo Petrassi und als Mitglied der improvisierenden Komponistengruppe «Nuova Consonanza».
Das Publikum in der Stadthalle reagierte reserviert, mit freier Improvisation hatte wohl niemand gerechnet. Hätte das Publikum den Film «Die kalten Augen der Angst» und Morricones Musik dazu gekannt, wäre das vielleicht anders gewesen.
Und es ist tatsächlich etwas wirklich Rares: Das Ensemble «Nuova Consonanza» einerseits, Morricones hunderte Filmmusiken andererseits, das waren normalerweise – bis auf solche Ausnahmen – getrennte Welten für Ennio Morricone. Nicht in diesem le week-end.
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