Am Tisch mit Samira Akbarian, Theorie des zivilen Ungehorsams

22.10.2024Doppelkopfhr2 kulturAndrea Seeger —   –  Details

Samira Akbarian

Samira Akbarian ist Rechtswissenschaftlerin an der Uni Frankfurt, 33 Jahre jung und mehrfach ausgezeichnet für ihre Dissertation zum zivilen Ungehorsam. Sie definiert ihn als Rechtsbruch mit Richtigkeitsüberzeugung und Dissens zu staatlichen oder unternehmerischen Maßnahmen. — Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, Mahatma Gandhi und auch Greta Thunberg haben auf zivilen Ungehorsam gesetzt. Lange davor schon der Reformator Martin Luther. Vor dem Reichstag in Worms soll er vor Kaiser und Kirche seine Thesen widerrufen. Er widersetzt sich mit den Worten: Durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, bin ich überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!» Viele werden das eher zugespitzte Bekenntnis kennen: «Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.» Das Gewissen behält die Oberhand über die staatliche beziehungsweise kirchliche Ordnung. — Für die Rechtswissenschaftlerin Akbarian kann der zivile Ungehorsam helfen, demokratische Ideale zu verwirklichen. Wenn ziviler Ungehorsam gelingt, kann er dazu dienen, die Verfassung zeitgemäß zu interpretieren. Dabei ist Gewaltlosigkeit eine Grundvoraussetzung zivilen Ungehorsams. Aber ist es nicht schon eine Form von Gewalt, wenn die Letzte Generation den Verkehr auf Straßen zum Erliegen bringt und in Kauf nimmt, dass Rettungseinsätze behindert werden? Dazu gibt es unterschiedliche juristische Bewertungen. «Ein Mensch, der gegen ein von ihm als ungerecht erfahrenes Gesetz verstößt und der die Strafe bereitwillig in Kauf nimmt, bringt damit in Wirklichkeit den allerhöchsten Respekt vor dem Gesetz zum Ausdruck», sagte Martin Luther King Jr.

 
 

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