Eine Geschichte vom Überleben und Sterben: Der russische Exilschriftsteller Iwan Schmeljow schrieb 1923 ein Epos über die gemarterte Krim, das heute noch erschüttert

17.09.2024NewsNZZChristiane Pöhlmann — Franz Haas —   –  Details

Iwan Schmeljow

«Die Sonne der Toten» ist eine unerbittliche Abrechnung mit der kommunistischen Oktoberrevolution und jenen, die sie unterstützten. Thomas Mann plädierte, dass Iwan Schmeljow dafür den Nobelpreis bekommen sollte. Das Buch ist beklemmend aktuell geblieben. — Kunstvoll beredte Anklage: Iwan Sergejewitsch Schmeljow (1873–1950). — Wie vor hundert Jahren ist dieses grandiose Buch über die gemarterte Krim auch jetzt wieder von bedrückender Aktualität. Iwan Schmeljow hat es 1923 im französischen Exil publiziert, nachdem er dem bolschewistischen Terror und dem Hunger im russischen Bürgerkrieg nur knapp entkommen war. — Nachdem es mit dem Titel «Die Sonne der Toten» 1925 bei S. Fischer erschienen war, setzte sich Thomas Mann dafür ein, er schlug den Russen sogar für den Nobelpreis vor, den dann Iwan Bunin bekam. Erst jetzt gibt es endlich diese erschütternde, romanhafte Epopöe (so die Gattungsbezeichnung des Autors) vom Überleben und Sterben in der bukolischen Landschaft der Krim um das Jahr 1921 wieder auf Deutsch – mit dem preziöseren Titel «Der Toten Sonne», aber in der sprachakrobatisch exzellenten Übersetzung von Christiane Pöhlmann.

Kampf ums Überleben Iwan Schmeljow, geboren 1873 in eine Moskauer Kaufmannsfamilie, hatte früh Erfolg mit der Literatur, sympathisierte 1917 mit der Februarrevolution, nicht aber mit den Bolschewiken und zog sich 1918 in sein Haus auf die Krim zurück, wo er den roten Terror erlebte, dessen Opfer auch sein einziger Sohn wurde. 1922 gelang ihm und seiner Frau die Flucht ins Ausland, wo er sogleich in «Der Toten Sonne» seine kunstvoll beredte Anklage gegen ideologischen Furor, Willkür und Verbrechen erhob. — Später verlor er sich in Exileinsamkeit und Gottvertrauen, verirrte sich sogar so weit, dass er 1941 in den Nazis zunächst rettende Verbündete im Kampf gegen die Mörder seines Sohnes sah. Verarmt und vergessen starb er 1950 in Frankreich. (…)

 
 

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