Viva MTV! Die Geschichte des deutschen Musikfernsehens (2)

10.09.2024RadiokollegÖ1N.N. —   –  Details

Viva MTV

Der deutsche Musiksender Viva setzte Mitte der 90er Jahre eine kreative Eruption frei: Vorher dachten deutsche Acts überhaupt nicht daran, Musikvideos zu drehen. Wo wären sie auch gelaufen? Selbst höchst erfolgreiche Bands wie Die Toten Hosen oder Die Ärzte wurden auf MTV kaum gespielt. Durch den Start von Viva änderte sich das: ein gut gemachtes Musikvideo wurde zur Eintrittskarte in die Charts. Auch aufstrebende Musikgenres wie die deutsche Hip-Hop- und Techno-Szene profitierten von Viva. Eigene Genre-Sendungen widmeten sich den neuen Jugendkulturen und verschafften ihnen ungeahnte Breitenwirksamkeit über die deutschen Grenzen hinaus.

– – »Wir sind Viva. Wir sind mehr als nur ein Fernsehsender. Wir sind euer Sprachrohr, euer Freund. Und ab heute bleiben wir für immer zusammen, okay?». Mit diesen unprätentiösen Worten begrüßte am 1. Dezember 1993 die damals 22-jährige, rot-gezopfte Premierenmoderatorin Heike Makatsch die neugeborene Viva-Gemeinde. Ihre Ansprache wirkte unsicher, aber charmant. Nahbar, weil nicht perfekt. Und dieser Stil wurde Programm: Während der Konkurrent MTV vom hohen Ross der Distinktion predigte, setzt Viva auf Augenhöhe zum jugendlichen Publikum: also naive Begeisterung statt abgeklärtem Expertentum, sympathischer Dilettantismus statt ironisch-gebrochener Perfektion, provinzielle Discounter-Hipness statt urbaner Street-Credibility. Viva war die kleine, trashige Schwester von MTV, und hatte durch ihr freundschaftliches Nahverhältnis zur Zielgruppe nach nur einem Jahr die Nase vorn. Von der erbitterten Rivalität um die Gunst der Jugendlichen profitierten junge Bands und kreative Köpfe im neu entstandenen Feld der Musikvideoproduktion. Ihre Kreationen wurden bei den neu ins Leben gerufenen Video-Award-Shows als Gesamtkunstwerke gefeiert, als elektrisierende Hybride zwischen Kunst, Werbung, Mode und Musik.

 
 

SK-