Don’t sit under the apple tree! — Die Baumschule, Lektion 1

24.08.2024Le week-endÖ1Elke Tschaikner und Christian Scheib —   –  Details

Andrews Sisters

Mit Musik von Louis Moreau Gottschalk, Kurt Schwertsik, dem Modern Jazz Quartet, Gustav Mahler, den Andrews Sisters und anderen. — «Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen», heißt es, und nachdem damit ganz und gar keine positive Konnotation verknüpft ist, wollen wir diesbezüglich ein wenig Hilfestellung bieten. Von Wäldern in den Alpen bis in verzauberte Feenwälder werden wir uns dennoch begeben, vorerst aber schulen wir die Wahrnehmung am singulären Objekt, an einem einzelnen Baum. Der in New Orleans geborene und durchaus reisefreudige Louis Moreau Gottschalk beobachtet ziemlich genau in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein in Europa damals noch exotisches Objekt. Er schreibt in Paris ein Klavierstück mit dem Titel «Der Bananenbaum» und landet damit einen Europa-weiten Salon-Hit.

Auch eher im Süden aber in Europa wächst ein Baum, dessen meist langstämmige und oft mit mächtiger Nadelkrone ausgestattete Erscheinung über Jahrhunderte die Phantasie anregte. Die – so eine der verwendeten Bezeichnungen – Italienische Steinkiefer wird bis zu bis zu 250 Jahre alt. Der Komponist Ottorino Resphigi beobachtet sie in Rom und macht die Pinie 1924 durch ein viersätziges Orchesterwerk zu einer Art floralem Wappentier der Hauptstadt. An mehreren Stellen Roms zückt Resphigi seine kompositorische Filmausrüstung für die «Pinien von Rom», an der Via Appia, bei den Katakomben, aber zu Beginn gleich in den weitläufigen Gartenanlagen rund um die Villa Borghese. Dort ist allerhand los unter den mächtigen Nadelkronen der «Pini di Roma». — Bevor Ottorino Resphigi von der Villa Borghese weiterzieht zu römischen Katakomben verlassen wir sein Portrait der «Pinien von Rom». Ein anderer Hauptstadtbewohner outet sich nun ebenfalls als Baumliebhaber inklusive orchestraler Portraitkünste. Der in Wien geborene Kurt Schwertsik bringt sein Verhältnis zu Bäumen auf eine verbal kürzestmögliche Formel: «Bäume sind Freunde». Kompositorisch frönt Kurt Schwertsik zum Glück nicht ganz so sehr dem Aphorismus und schreibt 1992 als Kompositionsauftrag des ORF die knapp 25minütigen «Baumgesänge». Während der erste Satz sich ebenfalls mächtigem Baumbestand zuwendet, folgt gleich darauf ein kurze Erinnerung daran, dass in Bäumen oft auch Vogelgesang ertönt. — Bezüglich der «Baumgesänge» gibt überraschende Allianzen: «Die Lieder der Bäume» heißt ein Buch aus 1914. Bäume singen eben auch selbst, hat man nur das nötige Sensorium dafür. «Ein jeder hat den Wind in den Baumkronen rauschen gehört, aber nicht jeder ihren Stimmen gelauscht,» das schrieb ein gewisser Erzherzog Ludwig Salvator am Anfang des 20. Jahrhunderts, «Bäume, die je nach der Baumart so verschieden klingen; nicht jeder ihren Liedern das Ohr dargeboten, die bald so süß, wie einanderfolgende Küsse klingen, bald Tränen gleichen. Man muß mit Mühe ihrem Laubgepolter zuhorchen und es zu entziffern trachten. Und so reden sie auch verschieden, je nach der Stärke des Windes und nach dem Alter des Baumes.» — Aber Ludwig Salvator wird in seinem schönen Text mit dem Titel «Die Lieder der Bäume» auch ganz konkret: «Das Rauschen in dem mächtigen Geäste der Eiche hat etwas Kriegerisches; man wähnt das Schlagen ferner Trommeln zugleich mit dem Klange metallener Blasinstrumente zu hören, welches bald mehr, bald minder gewaltig auftritt.» Nochmals ein Zitat des mit so wissenschaftlicher Genauigkeit wie poetischer Einfühlsamkeit lauschenden Erzherzog Ludwig Sakvator zu Beginn des 20. Jahrhunderts. «Wie die verschiedenen Baumgruppen verschiedene Melodien hervorbringen, je nachdem, ob die Brise zuerst die eine oder die andere Seite derselben berührt, so ist auch der Akkord verschieden, wenn sie über vereinzelte Bäume oder über ganze Baumkomplexe wirkt.» Und noch eine Allianz: «weiss/weisslich 18» heißt eine Komposition von Peter Ablinger. Und sie besteht ausschließlich aus dem aufgenommenen Rauschen einzelner Bäume.

 
 

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