Joseph Conrad: Lassen Sie sich auf seine falschen Fährten locken!

02.08.2024NewsZeit OnlineJens Jessen —   –  Details

Joseph Conrad

Ohne ihn kein Hollywood: Joseph Conrad seziert in seinen Romanen und Erzählungen erstmals die Abgründe und Ungewissheiten der Moderne. «Der Schriftsteller Joseph Conrad, gemalt von Walter Tittle in den Jahren 1923 bis 1924, Öl auf Leinwand

— Joseph Conrad, auch wenn er nicht mehr der Erfolgsschriftsteller ist, der er auf dem Höhepunkt seiner Karriere Anfang des 20. Jahrhunderts war, gehört gleichwohl noch immer zu den einflussreichsten Autoren der Moderne. Die Wucht seiner Wirkung zeigt sich darin, dass den Künstlern oder dem Publikum oft gar nicht mehr bewusst ist, dass es sein Einfluss ist, dem sie folgen oder erlegen sind. Denn Conrad hat nicht nur durch seine Erzähltechnik auf Generationen von Schriftstellern gewirkt wie sonst höchstens Faulkner, sondern vor allem durch seine Stoffe und Motive auf die Populärkultur und ihre Mythen. Seine Erzählung Das Herz der Finsternis (1899) über die belgischen Kolonialverbrechen im Kongo ist zum Muster eines ganzen Genre-Typus von Filmen geworden, die von Expeditionen in eine Wildnis handeln, in der sich der Mensch enthemmt und zur Bestie wird. Francis Ford Coppolas Apocalypse Now ist nur das berühmteste Beispiel, in dem Conrads Vorbild nahezu stationengetreu auf ein Häuflein Soldaten im Vietnamkrieg übertragen wird. «Ähnliches gilt für seinen Roman Der Geheimagent (1907), der eine Flut von Thrillern und Filmen hervorgebracht hat, die wie ihr Urstoff von der Verschwörungstheorie über einen «tiefen Staat» leben, der den Terrorismus, den er zu bekämpfen vorgibt, selbst fördert und bezahlt. Das gilt für die italienischen Politkrimis, die sich der Verflechtung von Mafia und Staat, von kommunistischem Untergrund und Staat oder der undurchsichtigen Beziehung von allen dreien widmen, ebenso wie für lateinamerikanische Darstellungen ähnlicher Abgründe oder die schon Klischee gewordenen Schilderungen einer korrupten CIA. Oliver Stones Filme über ein dunkles zweites Amerika der Hinterzimmer-Runden wären ohne Conrad undenkbar, auch weil er dessen Erzählweise der Ungewissheiten, Andeutungen, der nahegelegten, aber nicht beweisbaren Beziehungen bis in den Filmschnitt hinein übernimmt. (…)

 
 

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