Bruce Springsteens DDR-Konzert in Weißensee: Born In The GDR

19.07.2024NewsRolling StoneErik Kirschbaum —   –  Details

Bruce Springsteen

Am 19. Juli 1988 absolvierte Bruce Springsteen das größte Konzert seiner Karriere – und das größte, das je in der DDR stattfand.

Vor 160.000 Zuschauern trat der Boss auf der Radrennbahn Weißensee auf. Erinnerungen des Konzertgängers und Autoren Erik Kirschbaum. «Schon am Vormittag, sieben Stunden vor der Show, hatten sich die Zuschauer auf den Weg gemacht. In Weißensee, einem Wohnbezirk im Norden von Ost-Berlin, sollte am 19. Juli 1988 das größte Popkonzert stattfinden, das die DDR je erlebt hatte. Es war ein schwülwarmer Tag mit Temperaturen um die 30 Grad, und Zehntausende harrten schon ungeduldig am Eingang aus, als um 14 Uhr 10 endlich die Tore geöffnet wurden. Die Stasi mischte sich natürlich auch unters Volk und gab später zu Protokoll, dass um 16 Uhr – drei Stunden vor Konzertbeginn -bereits 50.000 Zuschauer anwesend waren. «Das Gelände war Teil eines großzügigen Parks, der von 1878 bis 1912 auch die Berliner Trabrennbahn beherbergt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage in eine Radrennbahn umfunktioniert: Der Pferderennsport – wie auch die Sport-Wetten -galt in der DDR als elitär und war verpönt. Doch zumindest die «Rennbahnstraße» vor dem Gelände sollte im Lauf des vergangenen Jahrhunderts ihren Namen behalten: Weder der alte Kaiser noch die junge Republik, weder Nazis noch Kommunisten wagten es, an dieser Tradition zu rütteln.

— Der Austragungsort war eigentlich nichts anderes als ein planes Gelände ohne vernünftige Infrastruktur. Es gab nur einen großen Video-Screen, der 70 Meter vor der Bühne installiert worden war, damit die Zuschauer am hinteren Ende des Platzes zumindest noch eine vage Vorstellung hatten, was vorne auf der Bühne passierte. Zwei kleinere Screens waren zusätzlich an der Seite der Bühne angebracht. Es war vergleichsweise krudes Equipment, da es zur Zeit des Kalten Krieges ein Ding der Unmöglichkeit war, moderne Technologie auf die andere Seite der Mauer zu schaffen. Die örtlichen Veranstalter hatten also improvisieren müssen – und dabei bemerkenswertes Talent bewiesen: Die Bühne beispielsweise war mit Hilfe von Metallelementen errichtet worden, die eigentlich zum Bau einer Stahlbrücke in einer anderen Stadt eingeplant waren. Vor die Aufgabe gestellt, die Sound-und Video-Systeme zu synchronisieren, waren aber auch sie überfordert. Zu Anfang des Konzerts liefen Bild und Ton leicht zeitversetzt – ein Zustand, der bei Springsteen nicht gerade für Begeisterung sorgte. Das Publikum störte sich nicht daran -die Leute waren gekommen, um Springsteen zu erleben. Und sie ließen sich dabei von organisatorischen Mängeln nicht beirren. «Springsteen sorgte auch für den größten DDR-Verkehrsstau «Als der Auftritt näher rückte, wurde die Menge immer größer. Die Stasi konstatierte in ihrem Report: «Um 18 Uhr kommen immer noch weitere Zuschauer auf das Gelände. Der Einlass zum Rockkonzert verläuft bis auf kleine Stauungen planmäßig und ohne Vorkommnisse. Nach bisherigen Einschätzungen halten sich circa 70.000 Besucher auf.» Zehntausende von Ostdeutschen waren aus dem ganzen Land angereist -aus Leipzig, Dresden, Magdeburg, Cottbus, Karl-Marx-Stadt, Neubrandenburg, Potsdam, Halle, Erfurt, Jena, Suhl, Rostock und Schwerin. Sie kamen in Kolonnen sprotzender Trabis oder in überfüllten Eisenbahnabteilen. Viele hatten an diesem Dienstag die Schule geschwänzt, um Springsteen erleben zu können. Es war, wie eine ostdeutsche Zeitung schrieb, nicht nur das größte Konzert der DDR-Geschichte, sondern auch der größte Verkehrsstau, den das Land je erlebt hatte.

 
 

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