Der seinen Fuß über den Abgrund setzte / Manès Sperber

19.07.2024Punkt einsÖ1Xaver Forthuber —   –  Details

Manès Sperber

Manès Sperber (1905-1984) war Autor, Psychologe und der Schriftsteller, «der den Weg durch die ideologischen Verirrungen des Jahrhunderts mitgegangen ist und sich von ihnen befreite». So lautete die Jurybegründung für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Sperber ein Jahr vor seinem Tod erhielt. «Er hat sein Leben lang die Unabhängigkeit seinen eigenen Urteils bewahrt», heißt es weiter, «und, unfähig zur Gleichgültigkeit, den Mut aufgebracht, jene nicht existente Brücke zu betreten, die sich nur vor dem ausbreitet, der seinen Fuß über den Abgrund setzt.»

Sperbers Lebensdaten sind fast deckungsgleich mit dem «kurzen 20. Jahrhundert» der europäischen Geschichte – vom Ausbruch des ersten Weltkriegs bis zum Ende des Kalten Krieges, beobachtet der Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk in seinem Nachwort zum nun erschienenen dritten Band von Sperbers «Ausgewählten Werken» (Sonderzahl Verlag). Sperbers zeitgeschichtliche, literarische und biografische Essays komplettieren die dreibändige Werkausgabe, mit der Müller-Funk, Präsident der Manès-Sperber-Gesellschaft und Gesamtherausgeber, Sperbers Texte wieder zugänglich gemacht, neu ediert und kommentiert hat. Der erste Band mit Sperbers Autobiografie «All das Vergangene…» erschien unter der Herausgeberinnenschaft von Mirjana Stancic, Literaturwissenschafterin, Sperber-Kennerin und -Biographin. Der zweite Band enthält die Romantrilogie «Wie eine Träne im Ozean». In den «Texten und Essays» zeigt sich Sperber nun als eben jener scharfe Beobachter von Aufstieg und Fall des Faschismus, Staatskommunismus und Kolonialismus – all jene Abgründe, die sich vielleicht mit einem von Sperbers bekanntesten Aufsätzen als das Phänomen der «Tyrannis» analysieren lassen. «Wer erhebt sich zum Führer, und wer folgt? Der Demagog als Verführer der Massen, das Volk als geschichtsvergessen und irrational verführbar? Die massenpsychologischen Erklärungsversuche seiner Zeit lehnte Sperber ab. In Tradition und Weiterentwicklung seines Mentors Alfred Adler begreift er sich als Individualpsychologe, immer das Subjekt mit seiner Einbindung in das Soziale im Blick. Zusammen mit seiner ganz persönlichen Auseinandersetzung mit Macht, Unterdrückung und politischem Aktivismus ergibt sich ein unentbehrlicher Kommentar zu den gesellschaftlichen Entwicklungen und Katastrophen, die das europäische 20. Jahrhundert sind. Aber ist Sperber auch noch im 21. Jahrhundert relevant? Ja, meint Müller-Funk und spricht sogar von «Aktualität», die angesichts der Wiederkehr autoritärer Politik(er) gerade jetzt «mit Händen zu greifen» sei. «Sollen wir, müssen wir Manès Sperber wieder lesen, neu lesen? Xaver Forthuber unternimmt einen Versuch mit Wolfgang Müller-Funk, Mirjana Stancic und mit Ihnen:.

 
 

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