Stokowski schneidert orchestrale Ornate für Bach

19.07.2024VorgestelltÖ1Walter Weidringer —   –  Details

Leopold Stokowski

Prag, September 1972: Der 90-jährige Leopold Stokowski dirigiert seine eigenen Orchesterbearbeitungen von Bachs Orgelwerken – und Decca schneidet im «Phase 4»-Verfahren mit «Historische Stimmung, alte Instrumente, barocke Spielmanier – selbstverständlich alles gut und richtig. Trotzdem zählt es zu den großen Wundern und Geschenken der Musik, dass die Werke von Johann Sebastian Bach quer durch die Epochen weitaus mehr an Bearbeitungszugriff und Interpretationsspannweite vertragen als jene vieler anderer Komponisten. Davon ist heute, unter vielen anderen, etwa auch kein Geringerer als Sir András Schiff überzeugt: Was Bach hinterlassen habe, sei «keine Kopfmusik! Ich finde Bach hochromantisch. Wir haben bei ihm Freiheiten, die wir bei Mozart, Beethoven, Chopin oder wem auch immer nicht haben.» «Um diese Freiheit wusste bereits Leopold Stokowski: Schon 1940 war der sagenumwobene Dirigent publikumswirksam in Walt Disneys «Fantasia» auf der Filmleinwand zu erleben gewesen, mit Bachs Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, in Stokowskis eigener Instrumentierung für großes Orchester. Dergleichen großformatige Bearbeitungen waren durchaus nicht nur als Ausläufer der Spätromantik aufzufassen, sondern fanden etwa auch im Rahmen der klassischen Moderne ihren Platz, etwa bei Arnold Schönberg. «Leopold Stokowski, übrigens ein Förderer Schönbergs in den USA sowie selbst ein kühner Experimentator der Klangfarben, alternativen Orchesteraufstellungen und neuen tontechnischen Verfahren, hat im September 1972 als Neunzigjähriger Konzerte der Tschechischen Philharmonie im Prager Rudolfinum dirigiert, die von der Decca mitgeschnitten wurden, in ihrem innovativen, immer noch erstaunlichen «Phase 4 stereo»-Sound. Auf dem Programm standen Stokowskis eigene Orchesterkolorierungen und -durchleuchtungen Bach›scher Orgelwerke. Ob Anton Webern sie ebenso begeistert kommentiert hätte wie damals Schönbergs Instrumentierung? Über diese schrieb Webern: «ist das ein unbeschreiblicher Klang! (…) Ja wie ist das aber auch gesetzt. Herrgott, wie der Schluß der Fuge klingt!» — Wie hören wir Stokowskis Bach heute? «Vorgestellt» lauscht mit heißen Ohren zurück in eine lebendige Vergangenheit.

 
 

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