Spielen mit dem Widerspruch: Der große Theatermann Alexander Lang ist tot

31.05.2024NewsBerliner ZeitungUlrich Seidler —   –  Details

Alexander Lang

Er hatte mit einem Grinsen im Gesicht darauf gewartet, aber nun wird er den Zusammenbruch der Welt doch nicht mehr erleben. Alexander Lang, einer der hellsten und agilsten Schaudenker und Regiespieler des deutschen Theaters, ist am Freitagmorgen im Alter von 82 Jahren zu Hause gestorben, Freunde und seine Kinder waren bei ihm. Sein Freund und Schauspielerkollege Christian Grashof hat diese Zeitung angerufen, um die traurige Nachricht zu überbringen. — Alexander Lang lebte am Schluss mit Unterstützung allein in Pankow, Hochparterre, weil er keine Beine mehr hatte und auf den Rollstuhl angewiesen war. Die bis unter die Decke mit Aufzeichnungen, Büchern und Zeitungspaketen vollgestopfte Bude war vernebelt, Staubflusen flogen durchs Sonnenlicht, als ich ihn zuletzt besuchte, kurz vor seinem 80. Geburtstag, im Herbst 2021. Er lachte immer, wenn er meckerte. Und dann hustete er. — Seine körperliche Hinfälligkeit nahm er ohne betonte Tapferkeit zur Kenntnis und ließ sich nicht weiter stören, seine Jugend wollte er nicht zurückhaben, nicht in dieser Gegenwart, in der jeder zwischenmenschliche Kontakt medial vermittelt und ausgebeutet wird und das Sinnliche unter Verdacht steht. «Ich warte nur darauf, wenn alles vernetzt ist, vom Kühlschrank bis zur Beinprothese, dass dann ein großer Sonnensturm kommt und hier unten alles zusammenbricht.» — Lang wurde 1941 in Erfurt geboren, machte eine Ausbildung zum Plakatmaler, der Klassenkampflosungen auf Banner schrieb, wechselte als Bühnentechniker ans Theater, leckte Blut und ergatterte einen Ausbildungsplatz an der Berliner Schauspielschule, die er 1966 absolvierte. Alexander Lang war ein großer junger Mann, er brauchte nur drei Schritte, um über das Gorki und das Berliner Ensemble schon 1969 im Ensemble des Deutschen Theaters zu landen, wo er seit Mitte der 1970er zunehmend Regie führte und besagte Kämpfe austrug, von denen er an jenem sonnigen Herbsttag vor drei Jahren behauptete, dass sie «blödsinnige Eifersüchteleien» gewesen seien. 1986 verließ er das Theater, arbeitete vor allem im Westen, wurde Schauspieldirektor am Thalia Theater in Hamburg und Oberspielleiter des Berliner Schillertheaters, nach dessen Schließung er wieder zurück zu Thomas Langhoff ans DT ging.

 
 

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