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Warum Bob Dylan als ‹Judas› verflucht wurde / Furor der Folk-Fans

17.05.2016NewsSpiegel OnlineWilli Winkler —   –  Details

Bob Dylan

Es war der wohl berühmteste Zwischenruf der Musikgeschichte: — Judas!» Im Mai 1966 stand Bob Dylan vor seinen Fans in Manchester – und wusste nicht, wie ihm geschah. — Der echte Judas, der aus der Bibel, machte ein gutes Geschäft. Fahndungsfotos gab es noch keine, oder Phantombilder. Aber obwohl Jesus vor aller Augen und nicht wenig predigte, brauchten die Hohepriester in Jerusalem jemanden, der ihnen sagte, wie der Prediger aussah, der sich als Messias ausgab. Dafür zahlten sie Judas dreißig Silberlinge, womit sich damals ein ganzes Grundstück kaufen ließ. — Judas hat seither einen verheerenden Ruf, aber für die Heilsgeschichte ist er zwingend notwendig: Ohne seinen Verrat wäre es nicht zur Kreuzigung gekommen, ohne Judas gäbe es kein Christentum. — Am 17. Mai 1966 hielt ein Band in miserabler Tonqualität fest, wie jemand bei einem Konzert in der Manchester Free Trade Hall — Judas!» brüllte, in der Umstimmpause zwischen zwei Songs. Der Judas, der Verräter, sollte Bob Dylan sein. Der selbsterklärte song and dance man, ein reisender Sänger, Gitarrenschlenzer, chronischer Mundharmonikasauger, schlechtgelaunter Hipster und dabei Dichter – er wusste nicht, wie ihm geschah. — Strahlender Held der akustischen Gitarre — Er, ein Judas? Was hatte er denn verraten? Seine Heimat, seine Frau? Doch nicht im Ernst seine akustische Gitarre? — Als wäre das damit zu vergleichen, dass einer Christus verrät und ihn zur Kreuzigung ausliefert.» Noch Jahrzehnte später beklagte sich Dylan, der am kommenden Dienstag 75 Jahre alt wird, in einem — Rolling Stone»-Interview, ihm habe man an jenem Abend in Manchester den — meistgehassten Namen der Menschheitsgeschichte» angehängt, nur weil er elektrische Gitarre gespielt habe.

 
 

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