19.02.2024 – News – Zeit Online – Thomas Mießgang — – Details
Maria Lazar
Die österreichische Exilautorin Maria Lazar erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Auch weil ihre Beschreibung der 1920er-Jahre so gut in die Gegenwart passt. — Zweiter Weltkrieg. Zwei Soldaten liegen im nordafrikanischen Wüstensand – ein abgestürzter britischer Kampfpilot und ein deutscher SS-Sturmmann. Zwei Soldaten, die schwer verwundet sind und deren Tod unmittelbar bevorsteht. Sie nehmen Notiz voneinander, versuchen in Kontakt zu treten. Doch die Sprachbarriere verhindert eine Unterhaltung. So entsteht stattdessen eine Reihe von alternierenden inneren Monologen, in denen die Männer Mutmaßungen über ihr jeweiliges Gegenüber anstellen und ihre eigene Geschicke im Angesicht des Endes noch einmal Revue passieren lassen. — Zwei Soldaten ist ein Protokoll der Begegnungsunfähigkeit und der Fruchtlosigkeit allen menschlichen Strebens. Eine strenge literarische Versuchsanordnung, in der es am Schluss heißt: Rien ne va plus. — Die vor Kurzem erschienene Novelle war der letzte Text, an dem Maria Lazar gearbeitet hatte, ehe sie, durch eine unheilbare Krankheit seelisch verwüstet, durch Suizid starb. Und sie ist ein weiterer Mosaikstein zur Vervollständigung des Porträts einer bedeutenden jüdischen Autorin, die viel zu lange vergessen war und im Kanon der wichtigen belletristischen Bücher aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht vorkam – bislang jedenfalls. — Das knappe, hochverdichtete Werk Zwei Soldaten wurde aus dem Nachlass der Schriftstellerin geborgen, der jahrzehntelang im Privatbesitz der Familie war und damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst vor Kurzem gelang es dem in Wien lebenden Jungverleger Albert Eibl, im Dialog mit der in Großbritannien lebenden Enkelin von Maria Lazar, ihre gesammelten Schriften für die Österreichische Exilbibliothek im Wiener Literaturhaus zu sichern. Gleichzeitig verpflichtete er sich, in seinem Kleinverlag Das vergessene Buch (DVB) Werke herauszubringen, die zu Lebzeiten der Autorin aufgrund der Kriegswirren und der generellen Last des Exils – sie hatte Österreich bereits 1933 verlassen – nicht oder nur an entlegenen Orten erscheinen konnten.
Maria Lazar (1895–1948) war eine große Diagnostikerin ihrer Zeit. Das Foto entstand im Jahr 1933.
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