08.02.2024 – Radiokolleg – Ö1 – Johannes Gelich — – Details
Menschen Massen
Noch bevor das Konzept für die Einführung des Anthropozäns als neue erdgeschichtliche Epoche bei der International Commission on Stratigraphy eingereicht worden war, erhoben sich bereits kritische Stimmen aus den verschiedensten Disziplinen. So postulierte etwa der Geohistoriker Jason W. Moore: Wer vom Anthropozän spreche, sei blind für den wahren Ursprung der globalen Klimakrise – den Kapitalismus. Sein Gegenvorschlag zur Einführung einer neuen erdgeschichtlichen Epoche lautet denn auch das «Kapitalozän». Dieses Erdzeitalter habe 1492 mit Kolumbus› Landung in Amerika begonnen. — Auch bei den Sozial- und Geisteswissenschaften ist der Begriff des «Anthropozäns» auf erhebliche Kritik gestoßen. Utopien des Geoengeneerings, bei denen etwa massiv in die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre eingegriffen würde, würden den Menschen endgültig zum Herrscher über die Natur einsetzen. Diesmal mit dem Anspruch der Reparatur. Das Anthropozän würde dadurch gerade keine Alternative zur ungehemmten Umgestaltung der Erde durch den Menschen vermitteln. Doch warum soll gerade die Spezies Mensch, die so viel Unheil über die Welt gebracht hat, die Reparatur der von ihm zerstörten Natur bewerkstelligen können? Viele Kritiker des Anthropozäns spielen dabei darauf an, dass sich viele technische Errungenschaften – wie etwa der künstliche Mensch Frankensteins – am Ende als Boomerang herausgestellt haben.
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