19.01.2024 – Konzert – BR-Klassik – Bernhard Neuhoff — – Details
Simone Young
LIVE AUS DEM HERKULESSAAL DER MÜNCHNER RESIDENZ — Johannes Brahms; Sinfonie Nr. 3 F-Dur; Sinfonie Nr. 4 e-Moll — — Dazwischen: — PausenZeichen — Bernhard Neuhoff im Gespräch mit Simone Young — — Nach einem Sturz befindet sich Herbert Blomstedt in Rekonvaleszenz und musste seinen Brahms-Zyklus beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks leider absagen. Zum Abschluss der geplanten Gesamtschau kehrt Simone Young ans Pult des BRSO zurück, wo sie 2018 mit Mozarts «Jupiter-Sinfonie» und dem «Heldenleben» von Richard Strauss debütiert hat. Gerade mit den Opern von Strauss und vor allem von Wagner hat sich Young einen Namen gemacht, auch in ihrer Ära als Intendantin und Generalmusikdirektorin der Hamburgischen Staatsoper. Erst kürzlich wurde bekannt, dass sie im Sommer mit der «Ring»-Wiederaufnahme bei den Bayreuther Festspielen debütieren wird. Überhaupt ist die heute 62-jährige Simone Young eine Pionierin, was Frauen am Pult betrifft. Irgendwie konsequent, dass die Australierin 2022 in ihre Geburtsstadt zurückgekehrt ist und dort das Sydney Symphony Orchestra leitet. Nun dirigiert Simone Young also Brahms. Nach dem dramatischen Erstling und der liedhaften Zweiten Sinfonie in der Vorwoche geht es nun mit der Dritten weiter, die – zwischen Dur und Moll schwankend – leidenschaftliche Töne anschlägt, aber auch melancholische Schatten wirft. Zu den frühen Bewunderern der F-Dur-Sinfonie gehörte der von Brahms geförderte Antonín Dvo ák: «Es ist eine Stimmung darin, wie man sie bei Brahms nicht oft findet! Welch herrliche Melodien sind da zu finden! Es ist lauter Liebe, und das Herz geht einem dabei auf.» Eine Art Gegenstück dazu bildet die monumentale Vierte Sinfonie in e-Moll, mit der Brahms sein symphonisches Schaffen krönte. Den herben Charakter des Werks erklärte Brahms einer Freundin mit der ihm eigenen, schnoddrigen Lakonie: «In hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß und eßbar. Wenn Ihnen das Ding also nicht schmeckt, so genieren Sie sich nicht.» Brahms bezog sich damit auf seinen Sommersitz Mürzzuschlag auf der steirischen Seite des Semmering, wo seine letzte Sinfonie entstand. Die Ausdrucksgewalt des Werkes mündet in eine Passacaglia, einem historischen Variationsmodell, das Brahms bis zum niederschmetternden Ende mit unerschöpflichem Einfallsreichtum genial weiterentwickelt hat. Genau diese Kunstfertigkeit, die ausgefeilte Variationstechnik des älteren Kollegen, hat Arnold Schönberg zu seinem berühmten Rundfunkvortrag von 1933 animiert, «Brahms der Fortschrittliche». Aus dem Klassizisten Brahms wurde postum also ein Vordenker.
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