01.12.2023 – Punkt Eins – Ö1 – Philipp Blom — – Details
Henry Kissinger
Brillanter Realpolitiker oder skrupelloser Machtmensch – Kissinger, die US-Außenpolitik in einer Person. Gast: Univ.-Prof. Dr. Reinhard Heinisch, Leiter des Fachbereichs Politikwissenschaft, Universität Salzburg. — Am Mittwoch starb Henry Kissinger, US-Außenminister unter Richard Nixon und Gerald Ford und vielleicht der berühmteste Diplomat in der Geschichte der USA, im Alter von 100 Jahren. Ab 1969 war er Sicherheitsberater des Weißen Hauses, von 1973 bis zu Jimmy Carters Amtsantritt 1977 Außenminister. Er prägte die «Pendeldiplomatie» der internationalen Vermittlung, suchte Entspannung mit der Sowjetunion, organisierte Nixons berühmten Besuch bei Mao Zedong und erreichte eine bedeutende Einigung im Nahostkonflikt. — So wird Kissinger nun als brillanter, pragmatischer Verhandler gewürdigt, der das 20. Jahrhundert wesentlich prägte. Aber er gilt auch als problematische Figur, als skrupelloser Machtpolitiker, manchen gar als Kriegsverbrecher. 1973 erhielt er den Friedensnobelpreis für die Beendigung des Vietnamkriegs, steht aber im Verdacht, den Friedensschluss aus innenpolitischem Kalkül hinausgezögert zu haben. Sein Gegenpart, der nordvietnamesische Chefverhandler Le Duc Tho, nahm den Preis nicht an. Schwer wiegt auch Kissingers Rolle bei der geheimen Bombardierung Kambodschas, bei der Invasion Osttimors durch Indonesien oder bei der Machtergreifung Augusto Pinochets in Chile. — Öffentlich war sich Kissinger nie einer Schuld bewusst. Er gründete eine Beraterfirma, versorgte George W. Bush während dessen Präsidentschaft mit außenpolitischen Analysen, beobachtete und kommentierte das Weltgeschehen bis zu seinem Tod. Was bleibt von Kissinger und seinem Politikstil, was wirkt nach? Wie wird er in den USA, wie in anderen Weltregionen heute bewertet? Der Politikwissenschafter und USA-Kenner Reinhard Heinisch spricht darüber mit Philipp Blom und mit Ihnen.
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