Grapschschüsse des Lebens – Fotograf Elliott Erwitt

30.11.2023NewsFAZ onlineFreddy Langer —   –  Details

Elliott Erwitt

Elliott Erwitt war der Clown unter den Fotografen – dem Kalauer so nahe wie der Melancholie. Nun ist er im Alter von fünfundneunzig Jahren gestorben. — Es ist noch gar nicht lange her, da konnte man Elliott Erwitt bei Ausstellungen und auf Messen begegnen, etwa auf der Paris Photo, wo er sich in den Kojen der internationalen Galerien für die jüngsten Arbeiten seiner jüngeren Kollegen interessierte, wie er sagte – wobei streng genommen all seine Kollegen jünger waren als er. Aber das merkte man ihm nicht unbedingt an, so forsch, wie er seinen Rollator durch die Gänge schob. Stand jemand im Weg, drückte er beherzt so fest auf eine Hupe, dass die Menschen erschreckt zur Seite sprangen. Dann mussten sie lachen. Und früher hätte Elliott Erwitt in genau diesem Moment ein Bild aufgenommen. Aber er fotografierte nicht mehr. Schnappschussfotografie erfordert nicht nur Instinkt, sondern auch Schnelligkeit. Und die war ihm mit Anfang neunzig abhandengekommen.

 

— Elliott Erwitt ist der Fotograf, der den Schnappschuss zum Genre gemacht hat. Ein ums andere Mal hielt er im Sekundenbruchteil fest, was die Schrulligkeiten des Lebens ausmacht, suchte nach dem Menschlichen und Allzumenschlichen und scheute sich nicht, seine Witze bis an die Grenze zum Kalauer auszureizen. Da scheint ein Pferd zu schmunzeln angesichts der Männer, die versuchen, einen alten Lastwagen zu reparieren. Eine Bulldogge ersetzt durch die gewählte Perspektive den Kopf des Menschen, auf dessen Schoß sie sitzt. Oder in einem Regal liegen genau auf Brusthöhe der alten Frau dahinter zwei kleine Kürbisse. Nicht Schnappschüsse, sondern Grabschschüsse nannte Erwitt solche Motive. Es sind Momente, die es dem Betrachter schwermachen, die Welt übertrieben ernst zu nehmen. — Menschliches und Allzumenschliches als Dauerthema im Werk Elliott Erwitts: Brautpaar in New York, 1955

 
 

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