Ted Hughes: Ein Bild von Otto

26.11.2023NewsFAZ onlineN.N. —   –  Details

Ted Hughes und Sylvia Plath

Sie waren das tragische Traumpaar der europäischen Lyrik. Dieses Gedicht führt in die dunkelsten Bereiche der Beziehungsgeschichte von Ted Hughes und Sylvia Plath. — Sie waren das anglo-amerikanische Traumpaar der Dichtung: Ted Hughes und Sylvia Plath, zwei wortmächtige Lyriker einer vor allem in den Vereinigten Staaten florierenden «bekennenden» Richtung, deren Dichter die Erfahrungen und Krisen der eigenen Existenz so obsessiv wie wirkungsvoll in Sprache setzten. Hughes war als Autor faszinierend unidyllischer, oft gewalttätiger Tiergedichte der Erfolgsverwöhnte, während Plath erst spät mit ihrem Gedichtband «Ariel» höchsten Dichterruhm ernten sollte, nachdem sie, mit kaum dreißig Jahren, Suizid begangen hatte. Die wechselvollen Geschicke der beiden zeugten nicht nur eine reiche poetische Ernte, sondern auch bittere öffentliche Kontroversen und Schuldzuweisungen. Letztere gingen in der Regel zulasten des Ehemannes, weil ihm feministische Kreise die Schuld an Sylvias Tod gaben. Das ging so weit, dass sogar der angeheiratete Nachnamen ihres Ehemannes von ihrem Grabstein weggemeißelt wurde, als ließe sich so irgendetwas ungeschehen machen. Sylvias in Deutschland geborener Vater Otto Plath, den das vorliegende Gedicht weniger porträtiert als mythisiert, emigrierte zu Kriegszeiten aus dem «Polnischen Korridor» nach Amerika. Er starb, als sie noch ein Kind war, nach einer Beinamputation: Man hatte seine Diabetes zu spät erkannt. Diesen Tod hat die damals Zehnjährige als traumatischen Liebesverlust erlebt und ihrem Vater nie verziehen. Ihr nach wie vor schockierendes Gedicht «Daddy“, eine Litanei der Hassliebe in Tateinheit mit einem poetischen Vatermord in sechzehn Strophen, stilisiert mithilfe fremdsprachlicher Anleihen Otto zum mörderischen Nazi («Panzer-man, panzer-man, o You . . . A man in black with a Meinkampf look“) und zu einem Untoten, der die eigene Tochter ins Jenseits holen will – aber dieses Jenseits trägt die schlimmen Ortsnamen «Dachau, Auschwitz, Belsen“. Die Schlusszeile, «Daddy, daddy, you bastard, I’m through“, feiert den Text als Befreiungsschlag, mit einem grimmigen Wortspiel auf den Pfahl, den die Tochter bei diesem ödipalen Gewaltakt durch das väterliche Vampirherz treibt. Doch der Stoßseufzer «Jetzt hab ich’s geschafft» war verfrüht.

 
 

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