17.09.2023 – Klassik – BR-Klassik – Beate Sampson — – Details
Frederic Rzewski
Frederic Rzewski, 1938 in den USA geboren, ist einer der wichtigsten und eigenwilligsten amerikanischen Komponisten der letzten Jahrzehnte. Seit er Anfang der 60-er Jahre als fulminanter Pianist in Europa (u.a. mit den Stockhausen-Klavierstücken) Aufsehen erregte und in New York in den Umkreis von John Cage geriet, hat sein kompositorisches Werk eine vielfältige und immer wieder überraschende Entwicklung genommen: Von den frühen Live-Improvisationen der Gruppe «MEV» in Italien über die minimalistischen Werke wie «Coming Together» bis zu den großen Klavierzyklen «The People United Will Never Be Defeated», «American Ballads» und «The Road.»
Charakteristisch für Rzewskis Kompositionen ist, dass in ihnen Gegensätzliches zueinanderfindet: Die Anspruchsvollen, experimentellen Formen der Neuen Musik können sich mit ihrem vermeintlichen Gegenteil, etwa dem Volkslied oder dem Jazz verbinden, das Schwierige und Unerhörte tritt in Kontakt mit der Tradition, das Atonale mit dem Tonalen – ohne dass ein Richtungskampf daraus würde. Die übliche Trennung von Hochkultur und Volkskultur wird von Rzewski Stück für Stück programmatisch und politisch motiviert unterlaufen. «Coming Together» ist bei ihm nicht nur ein Musiktitel sondern ein Motto, das zugleich für die Musik und das Leben gelten kann. — Der Film von Klaus Voswinckel erzählt auf mehreren Ebenen von einem «Coming Together»: Er sucht Frederic Rzewski in der südlichen Toskana auf, wo er den Sommer über zusammen mit seiner Familie lebt – Musik und Alltag, Komponieren und Leben gehören hier in einen engen Zusammenhang . Dabei rückt die Vielsprachigkeit der Musik mit der des Komponisten in Beziehung (Rzewksi lebt in mehreren Sprachen gleichzeitig und er spricht ein wunderbares Deutsch). Und während des Films kommt Christian Wolff, der langjährige Komponistenfreund aus Amerika, für ein paar Tage zu Besuch, auch das ein Zusammentreffen der Welten, die in Dialog treten und sich etwas zu sagen haben. — Musikalisch steht das Klavierwerk – ohnehin Schwerpunkt von Rzewskis Oeuvre – im Mittelpunkt des Films. Frederic Rzewski spielt Ausschnitte aus dem Variationszyklus «The People United…» (Var. 1, 2, 4, 5, 27, 28) und «The Road» (Mile 43, 132). Zusammen mit seinem Sohn Jan spielt er eine Version von «Coming Together» (für Sopransaxofon, Stimme und Piano). Moritz Eggert, der ebenfalls Pianist-Komponist in Personalunion ist, nur aus einer jüngeren Generation, spielt den spektakulären «Winnsboro Cotton Mill Blues» aus den «American Ballads» und äußert sich über den Komponisten, der für ihn eine der wichtigsten Figuren der Neuen Musik und eine wesentliche Prägung geworden ist. — Mit Christian Wolff denkt Rzewski in der sommerheißen Toskana über seine Oper «Die Perser» nach (sie kommt in Ausschnitten einer Bielefelder Inszenierung vor). Ganz aus dem Moment des Beisammenseins, aus der Lebendigkeit des Augenblicks heraus kommt es zu Gesprächen, was Musik heute sein kann und bedeutet, und hinein mischt sich – auch filmisch – nebenher ein Zwiegespräch mit der Landschaft, mit den Zikaden der Maremma und dem Meer.
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